Berliner Krankenhausbeschäftigte im Arbeitskampf
„Es gibt kein Recht auf Ausbeutung der Pflege!“, „TVÖD – für alle an der Spree“ und „Mehr Personal, noch vor der Wahl!“ skandierten Ende August lautstark die streikenden Kolleg*innen der beiden großen Krankenhaus-Verbünde in Berlin, Vivantes und Charité.
Von Angelika Teweleit, Berlin
Der Zeitpunkt für die Berliner Krankenhausbewegung ist gut gewählt. Zum Tag der Pflege am 12. Mai hatten die Beschäftigten unter Führung der Gewerkschaft ver.di ein 100-Tage-Ultimatum an Klinikleitungen und den rot-rot-grünen Berliner Senat gestellt, Angebote für eine Verbesserung der unerträglichen Zustände zu machen. Gefordert werden Entlastungstarifverträge für eine bessere Personalausstattung für alle, sowie die Angleichung an den TVÖD für die Beschäftigten bei den Vivantes-Töchtern, also die Beendigung der Schlechterstellung eines Teils der Beschäftigten, die weniger verdienen.
Das Ultimatum lief am 20. August ohne akzeptable Angebote ab. Vivantes ist ein kommunaler Krankenhauskonzern – der alleinige Anteilseigner das Land Berlin, die Charité ist landeseigene Universitätklinik. Entsprechend könnte die Landesregierung, wenn der politische Wille da wäre, für bessere Bedingungen sorgen. Im Koalitionsvertrag vor fünf Jahren wurden diese Ziele sogar festgehalten, jedoch – außer der schrittweisen Angleichung bei der Charité-Tochter CFM als Kompromiss nach langem Arbeitskampf – nicht umgesetzt.
Angriff auf Streikrecht
Schlimmer noch – die Beschäftigten sahen sich sogar noch in ihrem Streikrecht behindert, als die Vivantes-Leitung sich zunächst gegen Notdienstvereinbarungen sperrte und dann mit einstweiligen Verfügungen schon an den ersten Warnstreiktagen ab dem 23. August zunächst ein Streikverbot für die Vivantes-Töchter und dann auch die Pflegekräfte bei Vivantes per einstweiliger Verfügung erwirkte! Zum Glück hatte dies nicht lange Bestand. Dafür steigerte die ohnehin große Wut und am dritten Warnstreiktag zeigte sich die enorme Mobilisierung in einer gewaltigen Streikdemonstration.
Bei allen Protesten werden die Zustände von den streikenden Kolleg*innen beschrieben, die einem Angst und Bange machen können. Das Fazit: eine sichere Patientenversorgung ist schon lange nicht mehr gegeben. Umso ironischer war die Haltung der Vivantes-Geschäftsführung, die den Normalbetrieb als Voraussetzung für eine Notdienstvereinbarung für den Streik festschreiben wollte!
Runder Tisch?
Nachdem der Versuch einer gerichtlichen Unterbindung des Streiks doch gescheitert war, lud die Vivantes-Leitung zu einem „runden Tisch“ unter „Einbeziehung eines Vertreters von dritter Seite“ ein. Dies kann nicht anders gewertet werden, als ein Versuch Zeit zu gewinnen. ver.di und die streikenden Kolleg*innen sind gut beraten, sich auf solche Spielchen nicht einzulassen.
Erzwingungsstreik und Solidarität
Ein Erzwingungsstreik im September – vor den Abgeordnetenhaus- und den Bundestagswahlen – ist genau das richtige Mittel, um die politisch Verantwortlichen in die Pflicht zu nehmen. Die Streikbeteiligung ist gut. Wichtig ist, die Solidarität in der arbeitenden Bevölkerung Berlins zu mobilisieren. ver.di und DGB sollten in allen Berliner Betrieben über den Kampf informieren, zu Solidaritätsaktionen aufrufen und zu einer gemeinsamen Protestdemonstration zur Unterstützung aufzurufen. Eine Möglichkeit wäre, den Aufruf zur Demonstration „Gemeinsam auf die Straße“ am 18.9., der von verschiedenen Organisationen, Gewerkschafter*innen und zwei Untergliederungen des DGB in Berlin unterstützt wird, ebenfalls zu unterzeichnen und ernsthaft dafür zu mobilisieren.