Deutsche Wohnen und Co. enteignen: Wie weiter ?

(CC BY-NC-SA 2.0), Uwe Hiksch, https://www.flickr.com/photos/uwehiksch/46828678184

Nach dem Erfolg des Berliner Volksentscheides

Der Jubel in Berlin am Wahlabend war groß. Mehr als eine Million Berliner*innen – das sind 59,1 Prozent der Wahlberechtigten – stimmten für die Forderung nach einer Enteignung von Deutsche Wohnen & Co.!

von Ronald Luther, Berlin

Dieser Erfolg beruhte auf einer Kampagne, in der hunderte Aktivist*innen monatelang um jede Stimme in der Stadt kämpften. Als einzige Partei hatte sich DIE LINKE im Wahlkampf hinter die Forderungen der Initiative gestellt. Die Enttäuschung vieler Aktivist*innen über das Ergebnis der Sondierungsverhandlungen von Rot-Grün-Rot in Berlin war groß. Statt wie gefordert unmittelbar nach der Regierungsbildung ein Gesetz zur Enteignung der Immobilienkonzerne zu erarbeiten, soll nun eine Expertenkommission eingerichtet werden. Diese erhält die Aufgabe, die Umsetzung des Volksbegehrens und die Erarbeitung einer Empfehlung innerhalb eines Jahres an den Senat zu prüfen! Anschließend trifft der Senat eine Entscheidung darüber, wie es weitergeht. 

Verzögerungstaktik von Rot-Grün-Rot

Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die unter Wohnungsnot und steigenden Mieten leiden. Richtigerweise sprach die Initiative in einem ersten Statement von einer Verzögerungstaktik. Unter dem Motto „Keine Koalition ohne Umsetzung des Volksentscheids!“ macht sie nun mit Aktionen Druck bei den Koalitionsgesprächen. Es wäre folgerichtig, keine Vertretung der Initiative in die Expertenkommission zu entsenden, welche die Umsetzung hinausschiebt. Diskutiert wird außerdem über einen neuen Volksentscheid für 2023, bei dessen Erfolg es direkt zu einer Gesetzesabstimmung im Abgeordnetenhaus kommen soll. Doch ob diese Perspektive die Bewegung weiter bringt, ist mehr als fraglich. Die pro-kapitalistischen Parteien SPD und GRÜNE machen deutlich, sie werden Konzerne nicht wirklich enteignen. Nicht umsonst pocht Franziska Giffey (SPD) auf die Einhaltung der Sondierungsvereinbarung und erklärte Bettina Jarrasch (GRÜNE) auf dem Landesparteitag der GRÜNEN sinngemäß: “Wenn der Pakt für Neubau und bezahlbares Wohnen geschnürt ist und wirkt, dann kann das Vergesellschaftungsgesetz ‚vom Tisch genommen‘ werden.” 

Programm gegen die Wohnungskrise

Neben der Verzögerungstaktik versuchen SPD und Grüne mit ihren Neubauversprechen, die Bevölkerung an der Wohnungsfrage zu spalten. Sie sagen entweder Neubau oder Enteignung – beides geht nicht. Wenn dieser Spaltpilz nicht politisch beantwortet wird, droht das der Kampagne den Wind aus den Segeln zu nehmen. Stattdessen ist es nötig, ein umfassendes Programm gegen die Wohnungskrise in Berlin zu entwickeln. Dieses muss auch die Neubauforderung aufgreifen und den geplanten Pakt mit den Immobilienhaien als öffentliche Subvention für private Profite kritisieren. Die Antwort der Bewegung auf den Pakt sollte neben der Forderung nach Enteignung auch der nach ausreichendem Neubau von bezahlbaren, hochwertigen Wohnungen in öffentlichem Eigentum sein. Dabei spielt auch die Entschädigungsfrage eine Rolle. Die Sol ist gegen eine Entschädigung für die Großaktionär*innen von Vonovia und Co. – das Geld sollte u.a. lieber in öffentlichen Neubau fließen.

Gemeinsam kämpfen!

Auf einer Konferenz im November wird die Initiative des Volksentscheids darüber beraten, wie es für sie weiter geht. Sie sollte dazu bundesweit einladen, denn die Forderung nach einer Enteignung von Immobilienkonzernen findet auch außerhalb von Berlin immer mehr Unterstützung. Auf dieser Konferenz und darüber hinaus sollte aber auch über ein politisches Programm gegen die Wohnungskrise und den weiteren Aufbau der Mietenbewegung diskutiert werden.  Mieter*innen sollten sich weiter in Mieter*inneninitiativen organisieren, die sich untereinander vernetzen. Denn eine starke Bewegung in den Nachbarschaften, auf der Straße und in den Betrieben ist nötig, um eine wirkliche Enteignung von Immobilienkonzernen zu erreichen und Mieterhöhungen, Luxussanierungen sowie Zwangsräumungen erfolgreich zu verhindern. Gleichzeitig ist die Fähigkeit der Kampagne, über linke Aktivist*innen hinaus breitere Teile der Bevölkerung einzubeziehen, in Frage gestellt. Im Zusammenhang mit Vorwürfen hinsichtlich eines Falls sexueller Belästigung waren demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze negiert worden. Dies muss dringend aufgearbeitet werden.

Was macht der DGB?

Viele spüren, wie die Mieterhöhungen die so schon geringen Lohnsteigerungen der letzten Monate auffressen. Die wichtigsten Berliner DGB-Gewerkschaften unterstützen einzeln bereits die Enteignungsinitiative. Sie sollten mit der Enteignungsbewegung darüber diskutieren, wie die Arbeiter*innenklasse – insbesondere die Beschäftigten bei den großen, oft nicht tarifgebundenen Wohnungskonzerne selbst – mobilisiert werden kann. So könnten Betriebsversammlungen organisiert werden, um mit den Beschäftigten über die drohende Nicht-Umsetzung des Volksentscheides, die Wohnungskrise und den Kampf dagegen diskutieren. Möglich wären Kundgebungen vor den Betriebstoren und eine gemeinsame Großdemonstration von Gewerkschaften und Mietenbewegung unter dem Motto „Mieten runter, Löhne rauf! Immobilienkonzerne enteignen!“. 

Kurswechsel der LINKEN nötig!

Auch DIE LINKE muss einen Kurswechsel vollziehen, damit sie nicht ihre Daseinsberechtigung verliert. Ein linker Politikwechsel ist in einer Regierung mit pro-kapitalistischen Parteien wie SPD und GRÜNEN nicht erreichbar, sondern nur an der Seite der Beschäftigten und Gewerkschaften in den Betrieben und der Mietenbewegung in den Stadtvierteln. Der Volksentscheid bekam mehr Stimmen als alle Regierungsparteien zusammen, doch will die Regierung ihn nicht umsetzen. Das zeigt die Grenzen der „Demokratie“ im Kapitalismus. Aber es zeigt auch, dass es den Aufbau einer politischen Kraft braucht, die diese Grenzen nicht akzeptiert, die Interessen der arbeitenden Bevölkerung bedingungslos vertritt und diese massenhaft organisiert.