Von der Protest- zur Regierungspartei
Die Niederlage der LINKEN bei den Wahlen zum Bundestag könnte schlimmer kaum sein. Nur drei Direktmandate retteten den Einzug. Welche Konzepte aus der Talsohle führen ist umstritten, ebenso umstritten wie die Ursache des Niedergangs im Osten
von Steve Hollasky, Dresden
In seinem Roman über den Aufstieg der AfD, erklärte Ferdinand Schwanenburg, auch einstige Anhänger*innen der Linkspartei, hätten die Reihen der AfD verstärkt. Getrieben wären sie von der Suche nach „einer neuen Protestpartei“. Denn die Führung der LINKEN sei „im neuen System versackt“ und genieße „die Pfründe des bundesrepublikanischen Politikbetriebes“.
Wenn auch sein Buch voller rechter Vorurteile steckt, weiß Christian Hirsch, wie Schwanenburg mit bürgerlichem Namen heißt, wovon er schreibt. Als ehemaliger Mitarbeiter von drei AfD-Landtagsfraktionen hat er den Aufstieg der Rechtspopulisten hautnah miterlebt. Quasi umgekehrt proportional ging damit der Niedergang der LINKEN einher.
Beispielhaft steht dafür Petra Pau. Ihr war es bei dieser Wahl erstmals nicht mehr gelungen ihr Direktmandat in Berlin-Marzahn zu verteidigen. Wo sie einst fünfzig Prozent der Wähler*innenstimmen eingefahren hatte, reichte es in diesem Jahr gerade noch zu 15 Prozent.
Vom Protest zur Anpassung
Selbst der LINKE-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch musste auf die Frage eines Journalisten einräumen, dass seine Partei mitregieren wolle und dabei verliere man eben Protestcharakter.
Dieser Prozess war schon in der alten PDS, vor der Gründung der Linkspartei, weit fortgeschritten und wurde durch die Fusion mit der WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit, neben der PDS die zweite Quellpartei der LINKEN) nicht umgekehrt. Und nicht nur in einigen ostdeutschen Landesregierungen machte DIE LINKE Politik wie jede andere Partei, in unzähligen Kommunen waren und sind PDS bzw. DIE LINKE an der Leitung der kommunalen Verwaltung beteiligt und machen keinen Unterschied. Mehr und mehr wurde DIE LINKE in der Wahrnehmung der Beschäftigten, der Rentner*innen und Jugendlichen im Osten Deutschlands so zu einem Teil des Establishments. Zugleich besserten sich die Probleme, unter denen die Menschen leiden durch die Regierungsbeteiligung der Linkspartei, nicht.
Osten bleibt abgehängt
Gerade im Osten organisiert DIE LINKE damit in Landeskabinetten und in vielen Kommunen letzten Endes die kapitalistische Misere mit. Noch immer arbeiten im Osten vierzig Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor und bekommen weniger als zwölf Euro in der Stunde. Während schon in den alten Bundesländern nur noch 53 Prozent der Beschäftigten nach Tarif bezahlt werden, sind es im Osten nur noch 43 Prozent – Tendenz in West und Ost weiter fallend.
Für das Jahr 2019 stellt das Internetportal statista.com frst, dass 15,8 Prozent der Menschen von Armut bedroht sind, im Osten sind es 17,9. Dass der Reichtum in Deutschland ungleich verteilt ist, glauben 82 Prozent der Ostdeutschen. In einer solchen Situation als angepasst, zum Establishment gehörig, als etabliert zu gelten, heißt ersetzbar zu sein. Und kann als einer der Gründe dafür gelten, weshalb des der LINKEN im Osten kaum gelingt junge Leute zu gewinnen. Folglich ist die Partei überaltert.
Beispiel Berlin
In Berlin behauptet die LINKE-Führung, den Spagat zwischen Regierungsbeteiligung und Bewegungspartei geschafft zu haben. Und in Worten stand die Partei auch auf Seiten der streikenden Krankenhausbeschäftigten und der Kampagne “Deutsche Wohnen und Co. enteignen”. Doch die von ihr mitzuverantwortende Senatspolitik hat sich nicht grundlegend geändert. Obwohl DIE LINKE in Berlin in den letzten vier Jahren in der Regierung saß, mussten die Krankenhausbeschäftigten von Charite, Vivantes und den Töchtern von Vivantes am Ende der Legislaturperiode in den Streik treten, um ihre Forderungen durchzusetzen. Trotz schöner Worte im Koalitionsvertrag tat sich in der Zeit, in der sie in der Landesregierung war, nichts.
Nun wird die Umsetzung des Volksentscheids für die Enteignung der Immobilienkonzerne durch die Bildung einer Expertenkommission auf die lange Bank geschoben und es ist klar, dass SPD und Grüne nicht enteignen wollen. Stattdessen sollen Teil der S-Bahn privatisiert werden. Einen linken Politikwechsel gibt es in Berlin nicht.
Wie auch? Schließlich teilte DIE LINKE die Regierungsbank in der Bundeshauptstadt mit Grünen und SPD, deren Politik in ihrer Zeit in der Bundesregierung, durch die Einführung der Fallpauschalen die Personalmisere in den Kliniken erst verursacht hatte.
Selbst als die Chefetage der im Besitz der Stadt Berlin befindlichen Vivantes per einstweiliger Verfügung kurzerhand den Streik verbieten wollte, kam keine Gesellschafteranweisung durch den Senat. Ein Gericht musste das Streikrecht der Beschäftigten durch die Aufhebung der Verfügung wieder herstellen.
Was müsste passieren?
DIE LINKE muss sofort aufhören Mehrheitsbeschafferin für pro-kapitalistische Parteien zu sein. Wenn jetzt die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, DIE LINKE in die Regierung holen will und in Berlin der ror-grün-rote Senat fortgesetzt werden soll, muss die Antwort Nein lauten.
Stattdessen sollte sie Kämpfe organisieren, denn die natürlichen Bündnispartner*innen der LINKEN sind nicht SPD und Grüne, sondern jene, die unter den Auswirkungen des Kapitalismus zu leiden haben.
Häufig ist DIE LINKE zwar an Protesten beteiligt, aber nicht vorwärts treibender Teil derselben. Sie baut diese Bewegungen nicht auf, macht keine Vorschläge wie man diese zum Erfolg führen könnte. Ihre Aufgabe wäre es auch Kämpfe zu verbinden und die Ursache für die Probleme zu benennen: das kapitalistische System.