Warum so viele Erstwähler*innen ihr Kreuz an der falschen Stelle machten
Vor inzwischen über einem Monat ist die SPD nach nahezu zwanzig Jahren Wahlsiegerin geworden, Grüne und FDP haben auch ordentlich zugelegt – auch bei jungen Wähler*innen.
von Said Basel Ghafouri, Dortmund
Wären lediglich Erstwähler*innen wahlberechtigt gewesen, würde der Bundestag ganz anders aussehen. Sowohl die Grünen, als auch die FDP erhielten jeweils 23 Prozent unter den Erstwähler*innen. Wie kam es dazu? Am Wahlabend und danach haben viele Menschen online darüber diskutiert, wie es überhaupt möglich sein könne, als junger Mensch die FDP zu wählen.
Die Taktik von Grün und Gelb
Der Wahlkampf wurde von beiden Parteien gezielt auf junge Wähler*innen ausgerichtet. Sowohl die Grünen als auch die Liberalen haben viele mit sogenannten Erstwähler*innenbriefen erreicht. Die Partei von Baerbock und Habeck hat insgesamt zwei Millionen junge Menschen nach ihrer Stimmen gebeten. Wenn man sich die FDP dagegen genauer anschaut, offenbart sich ihr Steckenpferd: soziale Medien, speziell TikTok. Denn die Liberalen sind von allen Parteien diejenigen, die es geschafft haben, Millionen Nutzer*innen mit ihren Botschaften in den Kopf zu dringen. Nutzer*innen des chinesischen Videoportals sind hauptsächlich zwischen 18 und 25 Jahren alt. Auf der Plattform wird der 71-jährige FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger und seine Videos regelrecht gefeiert.
Was die Jungen fesselt
Der nächste Knackpunkt: die von beiden Parteien besetzten Themen. Sattelberger befasst sich beispielsweise viel mit der Corona-Politik und wie diese angeblich zugunsten der jungen Menschen geändert werden kann. Hier muss man feststellen, dass sich die FDP als die Partei inszenieren konnte, die den Corona-Kurs der Regierung „konstruktiv“ und „vernünftig“ kritisiert hat. Das war sicherlich ein Grund für den Wahlerfolg der FDP unter jungen Leuten.
Neben diesem Thema sind noch vor allem drei Themen von außerordentlicher Wichtigkeit: Arbeit, Klimaschutz und Digitalisierung. Während die Grünen von ihrem Image als die Partei, die sich dem Stopp des Klimawandels widmet, profitieren, schaffte es die FDP den Bereich der Digitalisierung für sich zu beanspruchen. Wo die FDP die Beseitigung von Funklöchern etc. verspricht, kommen die Grünen mit der Verstärkung des ÖPNV als Alternative zum Auto oder Flugzeug. Zusätzlich kommt die Frage der Bildung, bei der sich Viele Chancengleichheit wünschen, die beide Parteien versprechen.
Keine Alternative
Viele der diesjährigen Erstwähler*innen haben erklärt, einfach eine demokratische Alternative zur Union und der SPD wählen zu wollen. Hier zeigt sich der Unmut über die katastrophale Große Koalition und dem Wunsch nach Veränderung. Nur ist es eine Illusion, mit FDP und Grünen die Verhältnisse verbessern zu können. Dort, wo diese Parteien an der Macht sind, sucht man vergeblich nach ökologischer Politik, Bildungsgerechtigkeit oder Corona-Politik im Interesse der Jugend. Die Antwort auf die Krise des Establishment kann nur von links kommen. Für die Jugend, die etwas an der Situation ändern möchte: Diskutiert mit uns über die Krise des Kapitalismus und werdet mit uns aktiv für eine echte, eine sozialistische Alternative.