Für eine linke Opposition und sozialistische Politik in Berlin

Nein zum Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen

In der Berliner LINKEN steht der ausgehandelte Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen zur Abstimmung. Die Sol ruft dazu auf, mit Nein zu stimmen und sich organisiert für eine kämpferische und sozialistische LINKE einzusetzen. Bezirksverbände und Basisorganisationen, die sich gegen die Regierungsbeteiligung aussprechen, sollten sich klar an die Seite der sozialen Bewegungen stellen und weiterhin für ihre Forderungen einsetzen, auch wenn sie der Senatspolitik entgegen stehen.

von Michael Koschitzki, Berlin

„Bezahlbares Wohnen für alle“, „zügige Angleichung der Tochterunternehmen an TVÖD“ oder „WLAN für alle Schulen und zeitgemäße Hardware- und Software Ausstattung“ das sind alles Versprechen aus dem Koalitionsvertrag. Nein das ist nicht aus dem neuen Entwurf. Das sind Beschlüsse des Koalitionsvertrages 2016. Fünf Jahre später wurden die Neubauziele für bezahlbares Wohnen verfehlt, streikten die Beschäftigten der Tochterunternehmen für gleiche Bezahlung und können viele Schulen immer noch nicht ins Internet, um nur einige Beispiele zu nennen.

In fünf Jahren Regierung hat der rot-rot-grüne Senat einige kleine Verbesserungen wie ein kostenloses Schüler*innenticket umgesetzt, aber DIE LINKE musste mit ansehen, wie ihr Staatssekretär Andrej Holm aus dem Amt gedrängt, der Mietendeckel kassiert und unterlaufen wurde, wie Innensenator Geisel Kneipen und selbsverwaltete Projekte räumen ließ und sie gab sich scheinbar machtlos gegen die Politik der SPD geführten Aufsichtsräte in den Krankenhäusern. Die grüne Verkehrssenatorin bereitete die Privatisierung der S-Bahn vor.

Vor diesem Hintergrund trat die LINKE zu den letzten Wahlen an. Durch ihre Unterstützung des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co. enteignen verlor sie nicht so stark wie DIE LINKE im Bund, aber schnitt schlechter ab als zuvor. Die Parteiführung versucht zu erklären, dass sie mit weniger Stimmen in den Koalitionsverhandlungen nicht so viel durchsetzen kann. Allein ein Blick auf das Verhalten der FDP in den bundesweiten Koalitionsverhandlungen zeigt jedoch, dass die bloße Arithmetik nicht immer eine Rolle spielt. Und es kann für die Partei keine Ausrede für die Zustimmung zu den Inhalten sein.

Ausverkauf des Volksentscheids

Die designierte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey machte keinen Hehl daraus, dass ihr eine andere Koalition mit FDP oder CDU lieber gewesen wäre. Aber vor allem der erfolgreiche Volksentscheid zur Enteignung von Immobilienkonzernen machte ihr zu schaffen. Mit der LINKEN holt sie die einzige Partei in die neue Regierung, die sich klar hinter die Ziele des Volksentscheids gestellt hat – um sie dann auszuverkaufen!

Doch dafür will sie erst mal Zeit gewinnen. Innerhalb von hundert Tagen soll eine Expert*innenkommission eingesetzt werden, die ein Jahr lang über die Ziele des Volksentscheides diskutiert. Und in den Koalitionsverhandlungen wurde sichergestellt, dass diese nur „gegebenenfalls“ einen Gesetzesentwurf vorschlägt, über den dann auch nur im Senat entschieden würde. Und damit ihr niemand aus der LINKEN in die Quere kommt, geht auch das Ressort für Bauen und Stadtentwicklung von der LINKEN an die SPD. Wenn dieser Koalitionsvertrag nicht durch die Mitglieder aufgehalten wird, macht sich DIE LINKE zum Handlanger der Entwertung des erfolgreichen Volksentscheides.

Bewertung des Koalitionsvertrages

Aber auch sonst ist der Koalitionsvertrag kein Programm für eine linke Regierung. Das beschlossene Bündnis für Wohnen ist eine Zuarbeit an die private Immobilienlobby. Städtische Wohnungsgesellschaften sollen zur eigenen Finanzierung Eigentumswohnungen bauen. Insgesamt wird der Mangel an bezahlbarem Wohnraum nicht gelöst werden. Wenn die Partei dem Koalitionsvertrag zustimmt, kassiert sie außerdem ihre Haltung gegen die Privatisierung der S-Bahn und gegen die Verbeamtung von Lehrer*innen. Wie bereits im letzten Koalitionsvertrag werden Abschiebungen nicht ausgeschlossen – sondern lediglich Forderungen an eine humanere Abschiebung formuliert. Alle Beschlüsse stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Schon jetzt ist klar, dass an den Haushaltsplänen gekürzt werden muss, um die Corona-Ausgaben reinzuholen. Und die zukünftigen Koalitionspartnerinnen der LINKEN haben im Bund gerade beschlossen, keine Vermögenssteuer einzuführen, so dass der Finanzrahmen in den Ländern nicht besser wird.

Keine Stimme für Giffey

Aber selbst wenn der Koalitionsvertrag besser wäre, sollte DIE LINKE in keine Koalition mit SPD und Grünen gehen. Mit solchen Parteien, die den Rahmen des Kapitalismus akzeptieren und mit der Immobilienlobby verbunden sind, lässt sich keine Politik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung dieser Stadt machen. Deshalb darf sich die LINKE auch nicht per Koalitionsvertrag an sie binden und in eine gemeinsame Regierung eintreten. Das heißt nicht, dass damit automatisch die FDP in die Regierung kommen müsste. DIE LINKE könnte sich bei der Stimme für Giffey enthalten und ihr so ins Amt verhelfen. SPD und Grüne könnten auf dieser Basis eine Minderheitsregierung bilden. Doch statt selbst in die Regierung zu gehen, sollte DIE LINKE nur Maßnahmen im Interesse der Arbeiter*innenklasse unterstützen. Sie könnte jede Verbesserung aus dem Koalitionsvertrag selbst im Abgeordnetenhaus einbringen. Jede Verschlechterung sollte sie ablehnen und dagegen mobilisieren.

Denn nur durch gesellschaftliche Bewegungen, durch Arbeitskämpfe und Widerstand werden die Kräfteverhältnisse geändert und können Verbesserungen durchgesetzt werden. Durch konsequentes Einsetzen für die Forderungen von Mieter*innen, Beschäftigten, Krankenhausbewegung und Jugendlichen kann sich die Partei in den nächsten Jahren aufbauen. Statt einer Expert*innenenkommission zuzustimmen, sollte sie sich an die Seite der Mieter*innenbewegung stellen, deren fertigen Gesetzesentwurf einbringen und mithelfen, dafür Bewegung und Gewerkschaften zu mobilisieren. Dadurch wäre sie in der Lage mittelfristig Mehrheiten für eine sozialistische Politik in der Stadt zu erreichen.

Gemeinsam gegen den Koalitionsvertrag

Bereits nach dem Sondierungspapier wurde begonnen, den Widerstand gegen den Koalitionsvertrag zu koordinieren. Daraus ist der Aufruf „Zusammen für eine linke Opposition“ (https://zusammen-fuer-eine-linke-opposition.de) entstanden, den bereits zahlreiche Mitglieder aus der Partei und sozialen Bewegungen unterstützen und den auch Mitglieder der Sol unterzeichnet haben. Er kritisiert mehrere Punkte des Koalitionsvertrages und schlussfolgert „Lieber richtig in die Opposition, als falsch in die Regierung.“

Von der Basis wurde ein Landesparteitag durchgesetzt, der am 4. Dezember stattfand und der mit knapp sechzig Prozent beschloss, einen Antrag gegen eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag nicht zu befassen. Die Debatte zeigte aber: so viel Opposition gegen einen Eintritt in den Senat gab es in der Berliner LINKEN noch nie.

Jetzt gilt es, möglichst viele Mitglieder von einem Nein zu überzeugen. Diskutiert mit allen Genoss*innen über die Abstimmung setzt ggf. Treffen dazu an. Als nächsten Schritt sollte die Initiative auch Mitglieder auf die Straße bringen und Aktivist*innen von Eine-S-Bahn-für-alle, Mieten- und Krankenhausbewegung auf die Straße bringen.

Für den Fall, dass der Koalitionsvertrag abgelehnt wird, braucht es schnelle Diskussionen, wie eine richtige Oppositionspolitik umgesetzt werden kann und wie eine alternativer kämpferischer Kurs zu dem der jetzigen Berliner Parteiführung aussehen kann.

Für den Fall, dass der Koalitionsvertrag von einer Mehrheit der Mitglieder angenommen wird, muss diskutiert werden, wie sich die innerparteiliche Opposition aufstellt. In beiden Fällen sollte sie zu einer großen Konferenz der Opposition einladen, um den weiteren Weg zu diskutieren. Die Berliner LINKE hat durch ihre Unterstützung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ nicht so viele Stimmen verloren wie die bundesweite LINKE. Aber wenn diese Politik im Bund und Berlin fortgesetzt wird, wird sich die Krise der LINKEN verschärfen und die Partei zusehends weniger zum Bezugspunkt für diejenigen werden, die sich eine konsequente kämpferische Politik wünschen. Oppositionelle Bezirksverbände und Basisorganisationen sollten sich deshalb offen gegen die Regierungsbeteiligung aussprechen und soziale Bewegungen unterstützen, auch wenn sie sich gegen die Regierungspolitik richten. DIE LINKE Basisorgaisation Reuterkiez, in der auch Mitglieder der Sol mitarbeiten, hat sich beispielsweise in den letzten Jahren in Wahlkämpfen und Bewegungen immer klar gegen die Regierungspolitik geäußert, um ihren Standpunkt deutlich zu machen. Die Neuköllner Mitgliederversammlung hat ihre Abgeordneten bereits aufgerufen, nicht für Giffey zu stimmen und sich ggf. auch nicht dem Fraktionszwang zu unterwerfen. Wenn sie das umsetzen, können sie ein wichtiger Bezugspunkt für Bewegungen der Stadt werden.

Eine LINKE, die den Status Quo verwaltet und Verschlechterungen mitträgt, wird nur noch mehr Aktivist*innen enttäuschen und die Antiparteienstimmung verstärken. Deshalb setzt sich die Sol für einen grundlegend anderen, einen sozialistischen und kämpferischen Kurs in der LINKEN ein und ist dafür in der Antikapitalistischen Linken (AKL) und in Bezirksverbänden und Basisorganisationen aktiv. Komm zu unseren Treffen und werde mit uns aktiv: Mehr Informationen auf https://solidaritaet.info/wir-vor-ort/