Wien: Straßenbesetzung gegen Bau des Lobautunnel

Für einen alternativen nachhaltigen Bauplan erstellt durch Anrainer*innen, Stadtplaner*innen, Aktivist*innen und Gewerkschaften!

In der Kontroverse um den Lobautunnel verhängten nach einem Sommer der Wetterextreme die Grünen im Herbst 2021 einen Baustopp für diverse Tunnelprojekte, der auch den Lobautunnel betraf. Das lag vor allem daran, dass die Grünen stark unter Zugzwang standen, zumindest den Anschein zu erwecken, etwas fürs Klima zu tun und nicht “Bettvorleger der ÖVP” zu sein (Zitat Meinungsforscher Peter Filzmaier). Gleichzeitig wurde im neuen Stadtteil Seestadt Aspern der Bau der Stadtstraße, die den Stadtteil an die Umfahrungsstraße anbinden soll, durch eine Besetzung durch Klimaaktivist*innen verzögert.

Von Laura Rafetseder, Sozialistische Offensive (CWI in Österreich)

Die von der SPÖ geführte Wiener Stadtregierung hat im Zuge dieser Stadtstraßenbesetzung Aktivist*innen, darunter minderjährige Schüler*innen, verklagt. Die Koalition mit den Grünen hatten sie im Jahr davor wegen Meinungsverschiedenheiten zum Lobautunnel aufgekündigt. Die neoliberalen Neos sind nun Juniorpartner der SPÖ in der Stadtregierung. Es geht offenbar um viel Geld.

Die Stadt Wien war zwar gezwungen die Klage gegen die beiden Schüler*innen zurückzuziehen. Gleichzeitig sind die Klagen gegen die volljährigen Besetzenden noch aufrecht. Sie hoffen offenbar die Besetzer*innen einzuschüchtern und so eine Räumung zu erzwingen.

Lobautunnel und Straßenbesetzung

Die Debatte um eine Umfahrungsstraße für Wien und den Lobautunnel, der Teil davon ist, sowie der Planungsprozess läuft seit zwanzig Jahren. Die Lobau ist ein Naturschutzgebiet im Nordosten Wiens entlang der Donau. Dabei gab es zwischenzeitlich auch andere Lösungen die diskutiert wurden – herausgekommen war aber jene Lösung wo die Lobau an der breitesten Stelle untertunnelt wird. Eine Entlastung Wiens vom Verkehr (besonders auf der Süd-Ost-Tangente, der wichtigsten Nord-Süd-Verbindung Wiens, auf der es täglich für viele Pendler*innen zu Staus kommt) ist tatsächlich nötig. Die aktuelle Lösung setzt aber allein auf die Straße, was zu weiteren Versiegelungen sowie zu mehr Transitverkehr führen würde und vor allem den Schutz der Lobau nicht berücksichtigt. Was es aber tatsächlich braucht ist eine Verlagerung des Verkehrs auf den öffentlichen Personennahverkehr und die Schiene und ein entsprechender Ausbau dieser. 

Besetzt wurde Ende August von Aktivist*innen jener Bereich auf dem die Stadtstraße errichtet werden sollte. Es handelte sich um ein Protestcamp, mit regelmäßigen Demonstrationen, das nun Anfang Dezember u.a. mit den genannten Klagen aufgelöst werden sollte. Auch gegen die Klagen gab es Demonstrationen. Unter den mitwirkenden Organisationen sind nicht nur Klimaschutzorganisationen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion und System Change not Climate Change sondern auch LINKS und andere linke Aktivist*innen. 

Die geplante Wiener Außenring Schnellstraße S1, die laut SPÖ notwendige Verkehrsentlastung für Wien bringen soll, läuft nach einem Public-Private-Partnership-Modell und wird in Teilen von der privaten Bonaventura GmbH (einem Konsortium aus HOCHTIEF PPP Solutions GmbH, ALPINE Bau GmbH und Egis Projects) errichtet und betrieben, die bereits die Nordautobahn A5 betreibt. Die ASFINAG (die staatliche Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-AG)  zahlt an die Bonaventura GmbH für die Nutzung sogenannte “Schattenmaut”, also Zahlungen für die Nutzung. 

Die Verlagerung des Verkehrs von der Süd/Ost-Tangente, über die im Moment ein großer Teil des Verkehrs in Wien läuft, durch den Lobautunnel auf die S1 würde natürlich wesentlich mehr Geld für das private Konsortium bedeuten. 

SPÖ

Darüber hinaus macht die SPÖ den weiteren Ausbau der Seestadt von der Errichtung der Stadtstraße abhängig und stellt diese als alternativlos dar. In der Seestadt sollen auch Gemeindewohnungen entstehen. Viele der neu erbauten Gebäude in der Seestadt sind aber “geförderter Wohnbau” – Genossenschaften, die oft von der SPÖ nahestehenden Firmen betrieben werden und die trotz allem privat organisiert werden, wenn sie auch gewisse Auflagen erfüllen müssen und mit öffentlichen Geldern gefördert sind. 

Die Interessen der SPÖ sind also gar nicht so selbstlos. Gleichzeitig geben die Grünen keine Antwort darauf was denn die Alternative sein muss – sie haben lediglich einen Baustopp erlassen. 

Grüne

Die Besetzung des Stadtstraßenbaus weckt Erinnerungen an die Besetzung der Hainburger Au in den 1980er Jahren gegen ein dort geplantes Wasserkraftwerk. Die damalige Besetzung war nicht nur erfolgreich, sondern war auch ein Faktor für die Entstehung der Grünen in den 80er Jahren – das Thema Lobautunnel ist also für die Grünen ein sensibles, auch wenn die Partei heute weit weniger basisgetragen ist. Die Unterstützung für die Bewegung war damals so breit, dass alle Parteien darauf reagieren mussten. Die Kampagne für die Rettung der Hainburger Au war von der Kronenzeitung mitgetragen worden. Auch damals war es aber nicht gelungen einen gemeinsamen Ansatz mit den Gewerkschaften zu finden – die Bau-Holz Gewerkschaft war damals für den Bau aufgetreten. 

Es ist nötig, dass die Besetzungsbewegung daher Antworten auf drängende Fragen findet – die die Anrainer*innen in der Seestadt betreffen, aber letztlich auch die Gesellschaft als ganzes.

Güterverkehr

Dazu zählt die Frage, wie man mit dem LKW- und Güterverkehr umgeht. Die SPÖ nennt diesen Punkt als einen zentralen, warum die Umfahrung Wiens nötig ist. Die Aktivist*innen beantworten mit der korrekten Forderung nach Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs nur einen Teil des Problems. Das bedeutet, es ist nötig, alles zu tun, damit der Güterverkehr auf die Schiene verlagert werden kann. Es bedeutet, dass das nordöstliche Gebiet Wiens besser durch die Schiene erschlossen werden muss – es braucht eine Nord-Süd-Verbindung zwischen den Regionallinien der Bahn in den betroffenen Regionen. Gleichzeitig müssen Betriebe besser an die Bahn angebunden werden. Während der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut und gratis werden muss, muss auch die Schiene günstiger werden. Wie teuer die Bahn ist, ist politischer Wille – die Bahn wird als Unternehmen im Staatsbesitz im Kapitalismus nämlich auch nach kapitalistischen Gesichtspunkten geführt – und nicht danach, was gut für den Planeten ist. 

Eine zweite Frage ist, wie mit der Frage von versprochenen Jobs im Straßenbau umgegangen wird. Die Gewerkschaft Bau-Holz unterstützt den Straßenbau. Es ist aber nötig, die Frage nach alternative Arbeitsplätze aufzuwerfen – wenn diese nicht im Straßenbau entstehen, dann müssen sie im Ausbau der Schiene entstehen. Die Aktivist*innen müssen versuchen die Gewerkschaft auf ihre Seite zu bringen – durch den Vorschlag eines alternativen Verkehrs- und Bauplans. 

LINKS, das auch an der Besetzung beteiligt ist, muss den Widerstand gegen den Lobautunnel und die Stadtstraße mit der Frage einer politischen Alternative in Form einer neuen Partei verknüpfen und weitere Fragen aufwerfen – wie soziale Fragen, Jobs, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und höhere Löhne. Das ist auch nötig, um breitere Schichten der Arbeiter*innenklasse zu erreichen. Denn eine neue Partei darf nicht einfach ein Neuaufguss der Grünen sein. 

Die Bewegung muss auch Brücken zu den Anrainer*innen schlagen – Stadtplanung muss demokratisch erfolgen und die Menschen die dort leben und arbeiten einschließen. Das schließt auch Überlegungen ein, wie Warentransport zu Betrieben geschehen kann und wie die Menschen zur Arbeit kommen. Wenn Betriebe schlecht angebunden am Stadtrand angesiedelt werden, sind die Menschen gezwungen auf das Auto auszuweichen. Wenn die SPÖ es mit dem Umweltschutz ernst meinen würde, würde sie solche Überlegungen mitberücksichtigen. Doch die SPÖ ist wie auch die ÖVP und letztlich auch die Grünen eine prokapitalistische Partei – die sich den Sachzwängen des Systems (und den Interessen der Unternehmer*innen) beugt. Die Profite von beauftragten Bauunternehmen, Straßenbaufirmen und Firmen, die für eine Ansiedlung angelockt werden sollen, stehen im Vordergrund. 

Der Klimawandel kann auf kapitalistischer Basis nicht gestoppt werden – das Problem wird höchstens verschoben. E-Autos verbrauchen Strom, als sauber gepriesene Atomenergie erzeugt Atommüll und ist unsicher, selbst Wind, Solar und Wasser sind Projekte die ein Eingreifen in die Natur erfordern und auf Widerstand von Anrainer/innen treffen. Der Kapitalismus ist ein chaotisches System, wo der Umstieg auf saubere Energie nicht international koordiniert werden kann. Ein Stopp des Klimawandels stellt also die Frage nach einem Bruch mit dem Kapitalismus. Der Energiesektor (wie auch die gesamte Schlüsselindustrie) muss in öffentliches Eigentum gebracht und international wie lokal demokratisch geplant werden. Die Alternative muss eine sozialistische Gesellschaft sein – in der die Wirtschaft entsprechend der Bedürfnisse der Menschen und des Planeten geplant werden kann. Die Produktion könnte so ebenfalls auf nachhaltige Produktion umgestellt werden. Die gesamte Gesellschaft (Bau, Energie, Landwirtschaft und Transport) müsste nachhaltig und demokratisch geplant werden, z.B. beginnend damit dass zwischen Arbeit und Wohnen nicht endlose Wege liegen. Nur so kann ein Umstieg letztlich erfolgen – und der Klimawandel gestoppt werden.

  • Nein zu Angriffen auf demokratische Rechte durch die SPÖ – Schluss mit den Klagen gegen Aktivist*innen!
  • Massiver Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs – mehr Verbindungen, niedrigere Intervalle, bessere Anbindung, mehr Strecken.
  • Massiver Ausbau der Schiene um eine Umschichtung des Güterverkehrs von der Straße hin zur Schiene zu ermöglichen. Für den Schluss von Lücken im Schienennetz – ohne Streckenführung durch die Lobau. 
  • Eventuell wegfallende Jobs im Straßenbau müssen durch den Ausbau der Schiene kompensiert werden
  • Jobgarantie für Beschäftigte – niemand verliert seinen/ihren Job wenn Produktion bzw. Verkehr um- bzw. eingestellt wird, stattdessen Lohnfortzahlung, Arbeitszeitverkürzung und Umschulung.
  • Öffentlicher Personennahverkehr muss gratis werden (inkl. Personenverkehr auf der Schiene)
  • Sofortige Wiederinbetriebnahme aller eingestellten Öffi-Verbindungen in Absprache mit den Benützer*innen für einen sinnvollen Fahrplan
  • Transport-, Energie-  und Bauunternehmen in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung.
  • 30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich
  • Keine Verschärfungen der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose die Menschen zwingen sollen, noch längere Arbeitswege zurück zu legen anstatt Wohnortnahe Jobs zu haben.
  • Erstellung von Verkehrskonzepten ohne Entscheidung nach kapitalistischen Profitinteressen sondern durch Anrainer*innen, Stadtplaner*innen, Aktivist*innen und Gewerkschaften
  • Für eine neue Arbeiter*innenpartei als politische Alternative zu SPÖ und Grünen. LINKS und die KPÖ Graz müssen Initiativen in diese Richtung setzen
  • Für eine sozialistische Gesellschaft, eine demokratisch organisierte und geplante Wirtschaft, die mit dem Kapitalismus bricht und den Klimawandel beenden kann.