13. Weltkongress des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI) von großer Einigkeit geprägt
Zwischen dem 22. und 25. Januar kamen Sozialist*innen aus 19 Ländern zum 13. Weltkongress des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale zusammen, um die Krise des Kapitalismus und die Schlussfolgerungen für den Aufbau der internationalen Organisation zu diskutieren.
Von Aleksandra Setsumei, Delegierte der Sol
Der Kongress konnte pandemiebedingt nur online stattfinden. Die Delegierten verabschiedeten fünf politische Resolutionen und wählten einen neuen internationalen Vorstand, eine Kontrollkommission und Revisoren. Die Resolutionen werden schnellstmöglich im Manifest-Verlag in Buchform erscheinen und auf www.solidaritaet.info veröffentlicht.
Der Kongress tagte vor dem Hintergrund einer völlig neuartigen Weltlage. „Niemand hätte die Umwälzungen der letzten zwei Jahre voraussehen können“, leitete Tony Saunois, Mitglied des Internationalen Sekretariats, die Diskussion der Weltperspektiven ein.
Wenn die Herrschenden die Kontrolle verlieren
„Kapitalismus steht einer Reihe von Krisen gegenüber: ökonomisch, gesundheitlich, ökologisch und politisch“ fuhr Tony fort. Die herrschende Elite ist nicht in der Lage, diese Krisen zu lösen und ist sich uneinig, welche Maßnahmen sie ergreifen soll. Die wirtschaftliche Entwicklung ist der Kontrolle des Kapitals entglitten. Die Herrschenden versichern, dass dies mit der außerordentlichen Pandemie-Situation im Zusammenhang stehe, und dass sich die Wirtschaft schon jetzt in Erholung befinde. In den Diskussionen auf dem Kongress wurde betont, dass der Wirtschaftseinbruch schon vor der Pandemie einsetzte und dass es zwar nach einem solchen Rückgang zwangsläufig einen begrenzten Aufschwung gibt, aber dieser nur oberflächlich und kurzlebig sein werde. Keine der Widersprüche, die zu der Krise 2007/2008 geführt haben, sind gelöst worden. Im Gegenteil, viele dieser Widersprüche haben sich verschärft. In einer solchen Lage werden Konflikte brutaler ausgetragen: Die imperialistischen Länder kämpfen umso entschlossener um Einflusssphären und internationale Märkte, was die Gefahr von bewaffneten Auseinandersetzungen massiv erhöht. Dies gilt umso mehr angesichts weitreichender Verschiebungen der internationalen Kräfteverhältnisse: dem relativen Niedergang des US-Imperialismus und dem Aufstieg Chinas.
Neben der Analyse der globalen Ereignisse war die Diskussion des Weltkongresses von präzisen Analysen der Lage von einzelnen Regionen geprägt. Auch wenn die politische Situation von jedem dieser Länder spezifische Elemente beinhaltet und gesonderte, sorgfältige Behandlung erfordert, wurde im Austausch deutlich, dass die nationalen Lagen sich in einer globalen Tendenz der politischen Instabilität und der Entfremdung der Arbeiter*innenklasse vom Establishment zusammenfinden.
In Südafrika ist der Afrikanische Nationalkongress (ANC), der seit dem Ende der Apartheid 1994 die absolute Mehrheit stellt, zum ersten Mal bei einer Regionalwahl landesweit unter fünfzig Prozent gefallen. „Dies offenbart das Level des Niedergangs des ANC“ analysierte der südafrikanische Genosse Weizmann Hamilton. In Malaysia ist die Opposition nach sechzig Jahren mit einer Reihe von Versprechungen an die Macht gekommen – und ist inzwischen mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. „Das Land befindet sich in der größten Krise seit Unabhängigkeit“ berichteten Genoss*innen aus Sri Lanka; es gebe Lebensmittel- und Energie-Engpässe. In USA wird Biden inzwischen von der Mehrheit der US-Amerikaner*innen abgelehnt und selbst in dem lange als „Anker der Stabilität“ geltenden Deutschland ist nach dem Ende der Ära Merkel die schwache und instabile Ampel-Regierung im Amt.
Aufflammen der Klassenkämpfe
Die Ursachen für die globalen Instabilitäten sind wirtschaftliche und soziale Entwicklungen. Während der Pandemie hat sich die Schlucht zwischen dem Reichtum und der Armut vertieft. Die zehn reichsten Männer der Welt haben ihr Vermögen in der Pandemie auf 1,5 Billionen Dollar verdoppelt, während die Inflation weltweit massive Auswirkungen auf das Lebensniveau der Arbeiter*innenklasse hat. In den ärmsten Regionen der Welt – Asien, Afrika und Lateinamerika – hatte dies besonders dramatische Ausmaße und führte zum Verfall des Lebensstandards, zur Lebensmittel- und Wasserknappheit sowie zum sozialen Zerfall.
Gleichzeitig löste die Krise eine Explosion der Wut aus. Dies spiegelt sich in der Zunahme von Klassenkämpfen und insbesondere von Massenprotesten und -aufständen wider, die von großer Entschlossenheit geprägt sind. In Kasachstan ist der Aufstand mit brutaler Repressionen beantwortet worden, doch in verzweifelten Zeiten wie diesen, können Repressionen die Bewegung nicht für immer in Schach halten. In Sudan finden weiterhin alle zwei Wochen Demonstrationen gegen die Beteiligung des Militärs an der Regierung statt.
Die große Bremse der Klassenkämpfe in diesen explosiven Zeiten ist das Fehlen von Arbeiter*innenorganisationen mit sozialistischem Programm. Die neuen linken Kräfte, die sich in den letzten Jahren entwickelt hatten, wie Syriza, Podemos, Momentum etc. haben alle politisch und ideologisch vor dem Kapitalismus kapituliert. In keinem Land gibt es eine relevante linke Kraft, die in der Lage und willig wäre, die vorhandene Wut zu kanalisieren und Kämpfe zum Erfolg zu führen. Weder die verbürgerlichten Sozialdemokratien, die stalinistischen „kommunistischen“ Parteien noch die neuen linken Formationen können diese Rolle spielen, denn sie alle haben mit dem Kapitalismus Frieden geschlossen und können oder wollen keine Alternative präsentieren.
Der Kongress kam zu dem Schluss, dass in den meisten Fällen sich diese Kräfte nicht zu neuen Massenparteien der Arbeiter*innenklasse entwickeln werden, sondern dass die Hauptquelle solcher zukünftiger Parteien in frischen Schichten liegen wird, die in den nächsten Jahren in den Kampf eintreten werden.
Nicht nur analysieren, sondern auch vorbereiten
Vor diesem Hintergrund ist die Rolle von sozialistischen Kräften immens und ihr Aufbau von Bedeutung für die internationale Arbeiter*innenklasse. Deshalb wurde bei dem Kongress nicht nur analysiert – der Weltkongress dient dazu, die Internationale politisch und organisatorisch auf die Zukunft vorzubereiten.
Das CWI setzt alle seine Kräfte in Klassenkämpfen ein. In Chile haben wir an den Massenprotesten teilgenommen und uns dort für sozialistische Maßnahmen und den Aufbau von Nachbarschaftskomitees eingesetzt. In Frankreich intervenieren CWI-Genoss*innen in die Bewegung rund um Mélenchon und vertreten die Notwendigkeit des Aufbaus einer demokratischen Arbeiter*innenpartei, die eine breite Diskussion über Programm und Methoden ermöglichen würde. In Deutschland setzt die Sol Initiativen für Proteste gegen die Corona-Leugner*innen und für eine Corona-Politik im Interesse der Arbeiter*innenklasse. Des Weiteren unterstützen sich Sektionen des CWIs regelmäßig gegenseitig, beispielsweise durch Spendenaufrufe oder internationale Solidaritätskampagnen.
Eine besondere Bedeutung hat die betriebliche und gewerkschaftliche Arbeit. Ihr wurde auf dem Kongress eine eigene Diskussion gewidmet und eine Resolution verabschiedet. Jede Sektion der Internationale macht systematische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, die sich schließlich auszahlt und zu Erfolgen führt. Von der Gruppe von Arbeiter*innen einer Eisfabrik, die die malaysische Sektion organisiert über die Arbeit in der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in Deutschland zu den vielen Positionen in Gewerkschaftsvorständen, die Mitglieder des CWI in England, Wales und Schottland erringen konnten. Besondere Gratulationen in dem Zusammenhang verdient die Wahl der Genossin Carmel Gates zur Generalsekretärin von Nordirlands größter Gewerkschaft NIPSA.
Schließlich stand der Aufbau der Internationale im Fokus der Sitzung. Angesichts der schwierigen Bedingungen, die die Pandemie in den meisten Ländern für den Aufbau einer sozialistischen Organisation bedeutet, schauten die Teilnehmer*innen mit Stolz auf die letzten zwei Jahre zurück, in denen die Organisation gefestigt wurde und auch wichtige Fortschritte machen konnte. So konnte die Independent Socialist Group (ISG) in den USA die erste Ausgabe ihrer Zeitung „Socialism Today“ herausbringen. In Südafrika spielt die Marxist Workers’ Party eine wichtige Rolle bei den Debatten zur Einberufung eines „Arbeiter*innengipfels“, um die Gründung einer neuen Arbeiter*innenpartei zu beraten. In Deutschland wuchs die Mitgliedschaft im letzten Jahr um knapp zwanzig Prozent, in Frankreich steht Gauche Révolutionnaire vor der Gründung neuer Ortsgruppen in Städten, wo die Organisation bisher nicht vertreten war. Die Genossen aus Nigeria konnten berichten, dass der politische Mord an einem Mitglied die Aktivitäten der Organisation nicht stoppen konnte.
Der Weltkongress debattierte die nächsten Schritte für die Internationale: Der Schwerpunkt liegt in dem Aufbau der bestehenden Sektionen, aber auch die Möglichkeiten die sich gerade in Australien, Kanada und Kasachstan zur Bildung neuer Gruppen entwickelt haben, sollen genauso genutzt werden wie Diskussionen mit linken Aktivist*innen in Peru und Argentinien fortgesetzt werden sollen. Der Schlüssel dafür ist unsere breite Übereinstimmung in Fragen des Programms und der politischen Analyse sowie die Entschlossenheit, in Klassenkämpfe zu intervenieren. Das CWI hat sich in den vergangenen zwei Jahren stabilisiert und politisch gefestigt. Wir sind bereit für die heftigen Zeiten, die vor uns liegen.