AfD: Der Abgang des Jörg Meuthen

Austritt des Parteivorsitzenden wird Rechtsruck der Rechten beschleunigen

Am Freitag vergangener Woche gab mit Jörg Meuthen einer der zwei Bundesvorsitzenden der AfD seinen Austritt aus der AfD bekannt

von Steve Hollasky, Dresden

Wer auch immer sich dazu entschlossen hat, seinen Studienabschluss in Mikrosoziologie zu machen, der wird um die Lektüre von Erving Goffmans „Wir alle spielen Theater“ nur schwerlich einen Bogen schlagen können. Der bereits 1982 verstorbene Soziologe erklärt in seinem Buch wenig, was nicht schon der Titel Preis gibt. Man führe sein Leben wie eine Rolle auf, so seine These, mitunter auch wie mehrere Rollen und probt diese, bevor man sie im Beisein anderer aufführt.

Ob Goffmans Theorie wirklich beschreibt wie Menschen miteinander umgehen, kann dahingestellt bleiben, Jörg Meuthens Auftritte vor der Presse schildert die 50 Jahre alte Schwarte fast schon vortrefflich.

Die Legende basteln

Er sei „konservativ“, nicht „reaktionär“; er sei „liberal“ und nicht beliebig; er sei „patriotisch“ und nicht „nationalistisch“, verkündete Jörg Meuthen, nachdem er seinen Verzicht auf das Amt des Ko-Vorsitzenden der AfD und seinen Austritt aus der Partei am vergangenen Freitag bekanntgegeben hatte. Mochte sein neues Mantra zu Anfang noch etwas ungelenk über seine Lippen kommen, alsbald ging es flüssiger – Übung macht den Meister.

Das „Herz der Partei“ schlage heute sehr weit rechts und permanent „hochfrequent“, erklärte der vormalige Professor für Volkswirtschaftslehre aus Baden-Württemberg gegenüber öffentlich-rechtlichen Medienvertretern seinen Rückzug aus der AfD. Der letzte Professor verlasse die einstige Professorenpartei, hieß es alsbald allzu pathetisch. Die Antworten auf zwei Fragen hätten letzten Endes seine Flucht aus der Alternative für Deutschland zur Konsequenz gehabt. Er könne die Partei nicht mehr auf den Kurs bringen, den er „für den einzig richtigen“ halte. Zudem gestehe er der AfD allenfalls noch eine Zukunft als ostdeutsche Regionalpartei zu, sie sei somit gleichsam gescheitert.

Verantwortlich hierfür sei vor allem der Einfluss der Rechtsaußen innerhalb der AfD, den Meuthen seit Beginn seiner Mitgliedschaft einzudämmen gedachte. Den Rechtspopulisten habe er „Maß und Mitte“ geben wollen. Allenfalls in der Bewertung der Stärke des völkischen „Flügels“ und der ihn umkreisenden Satelliten habe sich Meuthen geirrt, so seine in den letzten Tagen häufig wiederholte Erzählung.

Die Legende mag sich gut anhören, mit Meuthens Handeln innerhalb der AfD hat sie indessen wenig gemein. Genauso wenig wie seine Betitelung als „Gemäßigter“. Der Ex-Bundeschef spielt Theater.

Die Rechten groß gemacht

Meuthen beschritt in der AfD stets ausgetretene Pfade, auch wenn er sich dabei geschickter anstellte als manch anderer. Karl Marx erweiterte einmal Hegels Ausspruch, nach dem jedes Ereignis in der Geschichte eine Wiederholung kenne, um die Bemerkung, es trete einmal auf als Tragödie und einmal als Farce.

Frauke Petry räumte mit Hilfe der Parteirechten um den thüringischen Landes- und Fraktionschef Björn Höcke den Gründer der AfD, Bernd Lucke, aus dem Weg. Ihr stillschweigendes Übereinkommen mit dem Führungspersonal des „Flügels“ hielt nicht lange. Der Richtungskampf wurde heftiger, Petry wie vor ihr Lucke, von den Rechtsaußen in die Enge getrieben. Ihr Versuch, Björn Höcke aus den Reihen der Partei zu werfen, scheiterte nicht zuletzt deshalb, weil Jörg Meuthen ihm beisprang.

Während selbst für Frauke Petry Höckes Rede im Dresdner Ballhaus Watzke im Januar 2017 eine Grenzüberschreitung darstellte, übte sich Meuthen in unzulässigen Relativierungen. Höcke hatte in der sächsischen Landeshauptstadt Gewerkschaften als zu den „alten Kräften“ gehörig attackiert, die wie die „wachsende Sozialindustrie“ Deutschland „wie ein Stück Seife unter einem lauwarmen Wasserstrahl“ auflösen würden. Das Berliner Mahnmal für die von den Nazis ermordeten Millionen Jüdinnen und Juden betitelte er als „Denkmal der Schande“.

Für Petry war der Schlagabtausch mit Höcke gleichbedeutend mit ihrem politische Todesurteil, wenigstens das einte sie und ihren Amtsvorgänger Bernd Lucke, der sich dereinst ebenso mit Höcke angelegt hatte.

Wie dieser versuchte sich auch Petry nach ihrem Ausscheiden in der Gründung einer neuen Partei, die zwischen CDU/CSU und AfD ihre Heimat finden sollte. Die „Blaue Partei“ scheiterte und wurde von Petry wieder aufgelöst. Luckes „Liberal-konservative Reformer“ (LKR), in denen dieser inzwischen keine nennenswerte Rolle mehr spielt, führen ein Randdasein.

Weder Lucke noch Petry, weder LKR noch Blaue Partei waren für die weitere Entwicklung der AfD von größerer Bedeutung. Meuthen hingegen schon. Nicht weniger als sechs Jahre stand er an der Spitze der Partei, zunächst mit deren Grauer Eminenz Alexander Gauland und später mit dem gebürtigen Sachsen Tino Chrupalla zusammen.

Fortan ergriff Meuthen einige Gelegenheiten, um seinen Partner*innen vom „Flügel“ für deren Schützenhilfe im Kampf um die Spitzenposition der AfD zu danken. Als Andreas Kalbitz‘ Vergangenheit in rechtsextremen Gruppierungen selbst für die, die bis dahin die Augen zusammengekniffen hatten, unübersehbar wurde, entgegnete Meuthen auf Journalist*innenfragen, er bestreite, „das wir es hier mit einem Rechtsextremisten“ zu tun hätten. Kalbitz sei „reflektiert“ und mache eine sehr gute Arbeit für die Partei. Und ganz nebenbei galt er seit jeher als organisatorischer Kern des „Flügels“ und damit eben jener Truppenteile, denen Meuthen nicht nur seinen Posten verdankte, sondern auf die er auch weiterhin zu setzen gedachte.

Angeblich habe er versucht den „Flügel“ zu integrieren, so Meuthen unlängst auf unangenehme Nachfragen zu seinem Verhältnis zum rechten Parteiflügel in der Anfangszeit seiner Amtsausübung als Bundesvorsitzender. Das sei ihm nicht in der von ihm vorgestellten Weise gelungen.

Einstweilen jedoch stellte sich für Beobachter*innen die Frage, wer wen integrierte. Meuthen tauchte ab im Bad der Menge bei, Kyffhäuser-Treffen des „Flügels“, wo er die Rechtsaußen als Teil der AfD bezeichnete. Gegenüber der Presse bestritt er dort eine Rechtsentwicklung seiner Partei.

Und selbst vor den versammelten Besucher*innen einer Tagung des Instituts für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda hielt Jörg Meuthen eine Rede. Gegründet hat diesen rechtsextremen Thinktank Götz Kubitschek, der mit dem IfS enormen Einfluss innerhalb der AfD gewinnt. Eine Rede dort gilt gemeinhin als Ritterschlag innerhalb der sogenannten intellektuellen Rechten.

Kein Gemäßigter

Derweil galt Meuthen dennoch als „Gemäßigter“ in den Reihen der Rechtspopulist*innen, was nicht nur angesichts seiner stramm rechtsextremen und nicht selten rassistischen Rhetorik eine unsinnige Einschätzung ist, sondern auch, wenn man Meuthens sozialpolitische Positionen betrachtet. Die sind einzig und allein dazu geeignet, den lohnabhängig Beschäftigten und den Schwachen zu zeigen, dass der Kapitalismus nicht ihr System ist.

Die gesetzliche, beitragsfinanzierte Rentenversicherung wollte Meuthen abschaffen und durch eine steuerfinanzierte Mindestrente ersetzen, die nur wenig über dem absoluten Existenzminimum liegen sollte. Darauf sollte dann jede*r durch eine private Rentenversicherung drauf satteln. Ohne nette Formulierungen zur Verzierung bedeutete dies nichts Anderes, als das jene mit hohem Einkommen deutlich besser gestellt werden würden, als sie es ohnehin schon sind, weil sie mehr Geld für die private Vorsorge zur Verfügung haben.

Mit dem gesetzlichen Mindestlohn fremdelte Meuthen selbst dann noch, als ihn seine Partei bereits formal ins Programm aufgenommen hatte, was freilich wenig Substanz hat, vermeidet man doch bis heute konsequent anzugeben wie hoch derselbe nach Meinung der AfD sei solle. Für Meuthen war selbst dieser Kompromiss nicht wirklich hinnehmbar. Immerhin gebe es ja Menschen, „die arbeiten, aber dabei nicht jene Produktivität erreichen, die einem Mindestlohn von 8,50 Euro entspricht“, zitierte ihn das Onlineportal der „Rechte Rand“ schon 2018.

Und statt Hartz IV durch eine sanktionslose Grundsicherung in existenzsichernder Höhe zu ersetzen, favorisierte Meuthen – in diesem Fall zusammen mit dem rechten Flügel seiner Partei – ein bedingtes(!) Grundeinkommen von nur 500 Euro, was die Situation der Empfänger*innen von Arbeitslosengeld II noch einmal drastisch verschlechtern würde.

Kurzum: Meuthens Sozialprogramm verhieß den Reichen zu geben und den Armen zu nehmen. Die staatlichen Sozialausgaben sollen nach Meuthens Willen drastisch gesenkt werden. Das mag man nennen wie man will: prokapitalistisch, armen- und arbeiter*innenfeindlich, wirtschaftsliberal, zynisch oder sozial vampiristisch – allein „gemäßigt“ ist das nicht!

Bruch mit den rechten Rechten

Der absehbare Bruch mit den Rechtsaußen war auch eine Folge der sozialprogrammatischen Forderungen der AfD. Während Götz Kubitschek von Schnellroda aus zum Angriff auf das, wie er es nannte, „Kronjuwel der Linken“ blies und so versuchen wollte Linken die Deutungshoheit in der sozialen Frage zu nehmen und sich Höcke als willfähriger Vollstrecker aufführte; trommelte Meuthen für die Regierungsfähigkeit seiner Partei.

„Regierungsfähigkeit“ hat jedoch wenig Verwendung für die offen rassistischen Positionen und das Anti-Establishment-Bashing des rechten AfD-Flügels. Aus Sicht der herrschenden kapitalistischen Klasse mögen Höcke und Co. zwar ihren Beitrag zur Spaltung der Arbeiter*innenklasse entlang nationaler Linien beitragen, verstärken aber vor allem die politische Instabilität im Land die nie zur Profitmaximierung dient. Deshalb hat sich das Bürgertum – zur Zeit – für eine klare Abgrenzung von der AfD entschieden. Auch das angeblich antikapitalistisches Gerede, dessen sich Höcke an manchen Tagen gern bedient, passt nicht zu einer „Regierungsfähigkeit“, die unter den gegebenen Umständen nur durch eine Annäherung an CDU/CSU und FDP denkbar wäre. Dass Höcke mit Antikapitalismus so viel zu tun hat, wie die NSDAP „sozialistisch“ war dahingestellt.

Meuthen konnte mit seinem Kurs immer weniger mit den verbalen Ausfällen in seiner Partei anfangen. Der Todesstoß für die angestrebten Ministerposten war dann die angedrohte Beobachtung der AfD als Gesamtpartei durch den Verfassungsschutz. Die wollte Meuthen durch ein sanfteres Auftreten verhindern. Nur hatte der Wirtschaftsliberale die Rechnung ohne den rechtsextremen Wirt gemacht.

Die Corona-Pandemie hatte gerade Deutschland erreicht, da trat Meuthen in die Öffentlichkeit und schlug vor, die Partei in eine radikale und eine angeblich gemäßigte zu spalten. Damit feuerte er den ersten Schuss in dieser Schlacht ab und er verlor. Scheinbar war Meuthens Zukunft vorgezeichnet. Keiner der Führungspersonen innerhalb der Partei unterstützte seine Idee, alle gingen auf Distanz.

Doch dann machte Meuthen Boden gut: Auf sein Verlangen hin löste sich der Flügel auf. Andreas Kalbitz wurde wegen seiner Vergangenheit in faschistischen Kleinstgruppen aus der Partei geworfen, bei Nachwahlen holte Meuthen Menschen seines Vertrauens in den Bundesvorstand. Merkten andere, die nicht mit dem „Flügel“ konform gingen, dass Meuthen ihre vielleicht letzte Chance war die Rechtsaußen zu schwächen? Und unterstützten sie deshalb Meuthen?

Doch die Siege waren keine wirklichen Erfolge. Selbst in westlichen Landesverbänden wuchs in den Auseinandersetzungen im Jahr der Bundestagswahl der Einfluss des Flügels, der zwar formal als aufgelöst galt, aber real weiter Politik machte. Selbst Kalbitz mischte weiter kräftig in der Brandenburger AfD mit.

Noch einmal sorgte Meuthen auf dem Parteitag in Kalkar für Furore. In seiner Rede griff er den rechten Flügel der Partei scharf an und forderte die Verbindungen zu den Querdenker*innen zu kappen. Kalkar wurde Meuthens erfolgreichstes Unentschieden. Danach befand er sich auf einer geneigten Ebene. Der Parteitag in Dresden wurde zu Meuthens Waterloo. Seine Niederlage war so offenkundig, dass man sie nicht mehr übersehen oder nett verpacken konnte. Erstmals zog Höcke in Dresden nicht die Strippen aus dem Hintergrund, sondern trat offen ans Mikrofon. Nicht zuletzt dieser Umstand kippte die Mehrheiten. Der Austritt Deutschlands aus der EU wurde gegen Meuthens und sogar Gaulands Widerstand festgeschrieben, ebenso die Forderung nach einem Ende der Corona-Schutzmaßnahmen.

Meuthens Misserfolgsserie frustrierte und verunsicherte seine Anhänger*innen, die im Falle einer Niederlage fürchten mussten mit dem Meuthendampfer in den Fluten zu versinken. Posten und Auskommen waren in Gefahr und so schlugen sich seine „Truppen in die Büsche“, wie Meuthen es selbst beschrieb. Für ein Ausschlussverfahren gegen Matthias Helferich, der sich als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet hatte, was nicht seine einzige Entgleisung war, fehlte Meuthen nun selbst im Bundesvorstand, wo vorrangig seine Vertrauten saßen, die Mehrheit.

In der letzten Woche bestimmte der AfD-Bundesvorstand auch noch Max Otte von der Werteunion zu ihrem Kandidaten für die bevorstehende Wahl des Bundespräsidenten. Kubitschek jubelte, weil sich diese Nominierung gegen Meuthen richtete. Der Flügelkampf innerhalb der Rechtspopulist*innen bestimmt längst deren Auftreten nach außen.

Am Freitag war dann Schluss und Meuthen folgte Bernd Lucke und Frauke Petry, der Vorsitzende verließ die eigene Partei. Noch einmal schlug er damit seinen parteiinternen Gegner*innen ein Schnippchen. Die hatten vom Entschluss ihres vormaligen Parteifreundes auf dem Weg zu einer Vorstandssitzung erfahren und mussten sich nun ad hoc gegenüber den anwesenden Journalist*innen äußern.

Wie geht es weiter – für Meuthen?

Schnell kündigte Meuthen an, dass er sich noch zu „agil“ fühle und ihm die Politik zu viel Spaß mache, als dass er sich zurückziehen werde. Erst nach und nach offenbarte er, dass er entweder eine Partei neu gründen oder aber in eine existierende Kleinpartei eintreten wolle. Es sei ein Platz frei, so seine Analyse, zwischen CDU/CSU und AfD – ausgetretene Pfade. Schon Lucke und Petry teilten diese Überlegung. Inwieweit er damit erfolgreich sein kann, ist im Moment nicht abschließend zu klären. Genauso wenig wie die Frage, wen Meuthen alles mit in dieses Projekt einbeziehen will. Es spricht jedoch nicht viel für einen Erfolg einer Meuthen-Partei. Teile der Querdenker*innen-Szene haben sich die Partei „Die Basis“ geschaffen. In CDU/CSU stehen die Zeichen im Moment nicht auf Spaltung, auch wenn sich das in der Zukunft ändern kann. Viel Platz scheint für eine AfDlight oder eine CSUplus im Moment nicht zu bestehen.

Wie geht es weiter – für die AfD?

Weitaus interessanter ist jedoch die Frage, wie sich die Zukunft der AfD gestalten wird. Meuthen übt sich schon im Abgesang. Die AfD habe keine Zukunft, allenfalls als ostdeutsche Regionalpartei werde sie noch bestehen und mehr Mitglieder als im Moment habe sie auch schon einmal gehabt. Der Vater der Meuthenschen Gedanken dürfte jedoch der Wunsch sein, der den Gang der AfD in die Bedeutungslosigkeit herbeisehnt.

Nach wie vor ist der Streit innerhalb der Rechtspopulist*innen zwischen Wirtschaftsliberalen einerseits und dem völkischen Flügel nicht zu Ende. Noch haben Alice Weidel und Beatrix von Storch nicht wenig zu sagen. Joana Cotar, die von Meuthen groß gemacht worden war, fordert alss zweiten Vorsitzenden neben Chrupalla, der dem rechten Parteiflügel angehört, einen Wirtschaftsliberalen. Mit Cotar könnte unter Umständen einen neue Figur ihren Platz gefunden haben, die zumindest zeitweise all jene um sich scharrt, die dem „Flügel“ kritisch gegenüberstehen.

Doch das politische Gewicht der Ostverbände wächst. Und mit ihnen auch die durchschaubare, substanzlose und vorgespielte pseudo-antikapitalistische Rhetorik á la Höcke. Wollen die Ostlandesverbände der AfD weiter Punkte machen, müssen sie sich inzwischen mancherorts gegen eine Konkurrenz von rechts durchsetzen, die noch enthemmter auftritt. Im Freistaat an der Elbe fordern die Freien Sachsen die AfD heraus. Die ist damit in einer Art Radikalisierungskonkurrenz, was ihren Weg weiter nach rechts noch einmal beschleunigen könnte.

Sehr wahrscheinlich also, dass die AfD nach dem Weggang Meuthens noch weiter nach rechts geht und damit dem Plan von Kubitschek, Höcke und Kalbitz folgen dürfte. Inwieweit dies insbesondere zu weiteren Ablösungsprozessen führt, ist offen.

Akut bleibt die Frage zu beantworten, wer die vakante Stelle des Ko-Vorsitzenden übernehmen wird. Sollte sich Höcke aus Thüringen herauswagen? Dieses Szenario bleibt ungewiss. Setzt sich Cotar mit ihrem Anliegen durch? Ebenso zeigen sich Fragezeichen bezüglich der mittelfristigen Zukunft Chrupallas, der längst nicht nur Freunde in der AfD kennt.

Wie weiter im Kampf gegen AfD und Rassismus?

Mit Meuthens Weggang könnten die letzten Dämme in der Rechtsentwicklung bersten. Das macht es nötig noch mehr als bisher die Folgen einer weiteren Stärkung der AfD, sei es auch „nur“ in Ostdeutschland, aufzuzeigen. Was würde es bedeuten, wenn die AfD mit ihren politischen Plänen durchkäme?

Die AfD und andere Rechte dauerhaft stoppen wird jedoch nur möglich sein, wenn die gesellschaftlichen Ursachen ihres Aufstiegs bekämpft werden. Diese liegen in den sozialen Folgen der Herrschaft und der Krisen des Kapitalismus. Die AfD bietet Sündenböcke für soziale Probleme und Zukunftsängste an. Nötig ist der Kampf gegen die wahren Ursachen und die wahren Verursacher*innen. Das bedeutet gemeinsam kämpfen gegen hohe Mieten, miese Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne, ein schlecht ausgestattes Gesundheitswesen usw.

Zudem ist es notwendig eine Alternative zum kapitalistischen System und zu prokapitalistischer Politik aufzuzeigen. Es muss darum gehen die Wut über die Zustände aufzunehmen und zu bündeln und eben nicht – wie es rechte Kräfte tun – gegen jene zu lenken, die nichts für diese Missstände können, gegen Migrant*innen und Geflüchtete, sondern Kämpfe zu organisieren und eine wirkliche politische Alternative von links zu schaffen. Das Potenzial dazu besteht:

Erbitterung über steigende Mieten, zu wenig Personal in Gesundheit und Pflege, zu wenige Lehrer*innen; rechte und von Rechten gelenkte Aufmärsche ist allerorten – auch im Osten – zu spüren. Doch sie artikuliert sich zur Zeit nicht, weil weder die Führungen der Gewerkschaften noch DIE LINKE ernsthafte Angebote zur Mobilisierung machen.

Kämpfe für soziale Verbesserungen, gegen Mietenwahnsinn, für ein öffentliches Gesundheitswesen und eine Pflege in öffentlicher Hand unter demokratischer Kontrolle durch die Beschäftigten müssen immer antirassistisch sein, weil die Lohnabhängigen gespalten nach Herkunft, Hautfarbe und Religion nicht siegen können. Umgekehrt können antirassistischen Kämpfe gewinnen und Spaltung überwinden, wenn sie auch für soziale Verbesserungen für alle eintreten.

Das Problem des Rassismus wird man jedoch nur dann klären, wenn man den Kapitalismus bereit ist abzuschaffen und durch eine sozialistische Demokratie zu ersetzen, in der wir alle – gleich welcher Herkunft – die gemeinsam erwirtschafteten Reichtümer zum Nutzen aller demokratisch verwalten.