Frauenkampftag 2022: Gestresst, überarbeitet, ausgeliefert

Die Corona-Krise trifft weltweit Frauen am härtesten

Stefanie (Name geändert) ist Altenpflegerin. Die Arbeit findet sie wichtig, auch wenn das Personal zu wenig ist. Der Stress ist riesig und hat ihr früh einen Burnout eingebracht. In den schlimmsten Phasen der Corona-Krise war sie wie viele Kolleg*innen in Arbeitsquarantäne – keine privaten Kontakte, keinerlei Recht auf Freizeit, von der Arbeit ging es nach Hause und von dort wieder auf Arbeit.

von Dorit Hollasky, Dresden

Stefanie ist eine von 49 Millionen Pflegekräften in der EU, 76 Prozent von ihnen sind Frauen. Während der Pandemie trugen sie ein besonders hohes Infektionsrisiko. Zugleich blieben ihre Arbeitsbedingungen vielfach ein Skandal. Nach einer Schätzung der LINKEN fehlen 200.000 Stellen in Krankenhaus und Pflege. Arbeit, die die Kolleg*innen durch Mehrarbeit, Überstunden und Stress auszugleichen haben.

Eine Studie der EU zeigte unlängst, dass 82 Prozent des Kassenpersonals Frauen sind. Auch diese Berufsgruppe leidet unter einem besonders hohen Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren.

Arbeitsplatzverlust

Nicht selten bedeutet Corona aber für Frauen nicht Mehrarbeit, sondern Arbeitsplatzverlust. Gerade Branchen mit einem überdurchschnittlich hohen Frauenanteil waren von der Corona-Krise besonders hart betroffen. Friseur*innen, Tourismus- und Reinigungspersonal wurden entlassen oder auf Kurzarbeit gesetzt. Für viele Frauen bedeutet dieses Schicksal Verarmung und eine wachsende Abhängigkeit von Männern.

Häusliche Gewalt

Durch den Wegfall von Kontrollinstanzen wie Schule oder aber Arbeit und Beruf, waren Frauen und Mädchen in den Pandemie-Jahren vermehrten Angriffen ausgesetzt. Auch beengte Wohnsituationen und psychische Belastung durch Existenzängste trugen ihren Teil dazu bei. Die EU-Studie geht davon aus, dass jede Woche etwa fünfzig Frauen durch häusliche Gewalt zu Tode kommen. Der Kinderschutzbund warnte in den Phasen des Homeschoolings vor wachsenden Übergriffen auf Kinder.

Vielfältige Auswirkungen

Frauen schultern den Großteil der familiären Auswirkungen der Corona-Krise. Lehrerinnen beispielsweise sitzen bis in die Nacht und bereiten Aufgaben oder Onlinestunden für ihre Klassen vor, unterrichten im Homeschooling von Zuhause aus und sind zudem immer noch meist diejenigen, die – wie alle anderen Beschäftigtengruppen auch – verstärkt ihre Kinder unterstützen müssen. Durch die Versorgung der Kinder mit Mittagessen Zuhause wird bei einkommensschwachen Haushalten schnell das Geld knapp.

Zudem gelangen Frauen weltweit weniger in den Genuss medizinischer Leistungen. So erklärte die UNO in einem Bericht zur Lage der Frauen, dass die Kinder- und Müttersterblichkeit global gestiegen sei. Viele Kliniken müssen sich auf die Versorgung von Coronakranken konzentrieren, Geburtenhilfe steht dadurch erst weit hinten auf der Liste.

Derselbe Bericht schätzt, dass die Zahl der ungewollten Schwangerschaften um rund sieben Millionen gestiegen sei, weil Frauen durch Jobverlust und andere Auswirkungen der Krise in vielen Ländern einen schlechteren Zugang zu Verhütungsmitteln haben.

Roll back in vollem Gange

In einer Sendung des ARD-Magazins Kontraste über die Auswirkungen der Coronapandemie auf Frauen mit dem treffenden Titel „Heim an den Herd“ erklärte Jutta Allmendinger vom Wirtschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin, Corona drohe die Frauen in Deutschland in Sachen Gleichberechtigung um satte drei Jahrzehnte zurückzuwerfen. Viele Frauen tragen eine noch höhere Mehrfachbelastung durch Beschulung beziehungsweise Betreuung der Kinder zu Hause, tägliches Kochen und Reinigen der Wohnung. Somit wird mehr und mehr ein eher reaktionäres Familienbild wieder Wirklichkeit, welches Frauen in die Rolle der Hausfrauen presst, die vom Mann abhängig sind.

Gleichstellung erkämpfen

Der Kapitalismus hat in den vergangenen Jahren nicht nur gezeigt, dass er unfähig und vielfach gar nicht willens ist, die Coronakrise zu meistern, er steht auch einer wirklichen Gleichberechtigung der Geschlechter im Wege. Diese müssen wir gemeinsam erkämpfen. Dabei sind die Männer nicht unsere Feinde.

Es muss darum gehen, gleichberechtigt und Seite an Seite für mehr Lohn und Gehalt für alle, für mehr Urlaub und mehr Personal gerade in Berufen, die überdurchschnittlich viele Frauen ausüben, zu kämpfen. Besonders die Gewerkschaften haben hier eine enorme Verantwortung, weil sie die Arbeiter*innenklasse unabhängig von Herkunft und Geschlecht organisieren und für Verbesserungen für alle in den Kampf führen können.

Wirkliche Gleichberechtigung werden wir aber erst erreichen, wenn wir den Kapitalismus als solchen abschaffen und durch eine sozialistische Demokratie ersetzen, in der wir alle – egal welchen Geschlechts – über die Verwendung der gesellschaftlichen Reichtums bestimmen. 

Dorit Hollasky ist aktiv bei der ver.di Betriebsgruppe im Städtischen Klinikum Dresden 

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