Eintägiger Generalstreik in Sri Lanka

Größter Arbeiter*innenprotest in der Geschichte

Am Donnerstag, dem 28. April, traten Zehntausende von Arbeiter*innen im ganzen Land in den Streik. Sie fordern den Rücktritt des korrupten Präsidenten und der von seiner Familie geführten Regierung des Landes. Sie haben die gegenwärtige Katastrophe verursacht, in der die Arbeiter*innen und Armen nicht einmal die Grundbedürfnisse des Lebens befriedigen können.

Von Srinath Perera, Vereinigte Sozialistische Partei (Sri Lanka)

Der Streik wurde von dem neu gegründeten “Kollektiv der Gewerkschaften und Massenorganisationen” ausgerufen. Er wurde sehr positiv aufgenommen, sogar von Gewerkschaften, die diesem Kollektiv nicht angeschlossen sind, und er wurde von der Öffentlichkeit sehr enthusiastisch aufgenommen.

Die Beschäftigten der Eisenbahnen und Häfen, der Banken, der Post- und Telekommunikationsdienste, der Auswanderungs- und Einwanderungsbehörden, der Schulen und Universitäten und vieler anderer Sektoren legten die Arbeit in einem eintägigen Generalstreik nieder.

Die meisten öffentlichen Dienste waren komplett geschlossen, da die Arbeiter*innen die Gelegenheit hatten, ihren Ärger und ihre Abscheu über die feudale Familienherrschaft der Rajapakshas zum Ausdruck zu bringen. Gotabhaya Rajapaksha ist der Präsident und sein älterer Bruder, Mahinda Rajapaksha, ist der Premierminister. Mehrere andere Brüder des Präsidenten und der Sohn des Premierministers bekleideten Ministerposten und andere Verwandte hatten wichtige Positionen in staatlichen Einrichtungen inne. Sie waren in zahlreiche korrupte Aktivitäten verwickelt, in deren Rahmen sie öffentliche Gelder zur persönlichen Bereicherung nutzten – eine Art “Raub am helllichten Tag”.

Tausende von Jugendliche und andere Menschen haben sich an einem beispiellosen Dauerprotest vor dem Amtssitz des Präsidenten in der Hauptstadt Colombo beteiligt. Seit dem 9. April blockieren sie dessen Eingang und fordern den Rücktritt des Präsidenten und seines Regimes und erhalten von Tag zu Tag mehr öffentliche Unterstützung. Nach offiziellen Angaben liegt die Inflation bei 29 Prozent, aber fast alle anderen Wirtschaftswissenschaftler weisen diese Zahl zurück und betonen, dass die Inflation die 100-Prozent-Marke überschritten hat.

Der Streik wurde organisiert, um das Regime zum Handeln aufzufordern, um den Arbeiter*innen und Armen nach den beispiellosen wirtschaftlichen Schocks, die durch das völlige Missmanagement der Wirtschaft durch das Rajapaksha-Regime verursacht wurden, unverzüglich zu helfen. Es wurde gefordert, dass die herrschende Clique zurücktreten muss, da sie für das Elend der einfachen Menschen verantwortlich ist.

Protestversammlung 

Zehntausende von Arbeitern machten sich auf den Weg zum Hauptbahnhof in Colombo und gingen bei sengender Hitze zu dem Ort, an dem die Jugend protestiert hatte. Sie wurden von den dort versammelten jungen Menschen und vielen Anderen begeistert empfangen. Gewerkschaftsführer*innen wandten sich an die Öffentlichkeit und erklärten, dass sie diesen Kampf so lange fortsetzen würden, bis dieses Regime zurücktritt und alle von dieser korrupten Clique geraubten öffentlichen Gelder in die öffentlichen Kassen zurückfließen.

Das wichtigste Merkmal dieses Streiks war, dass die Arbeiter*innen über das ganze Land hinweg in großer Zahl protestierten. In der südlichsten Stadt Mathara war die Zahl der Teilnehmenden so groß, dass ein älterer Mann sagte, er habe zum ersten Mal eine so große Massenversammlung in dieser Gegend gesehen. Ähnliche Protestkundgebungen und Demonstrationen fanden in vielen anderen Teilen des Landes statt, und Tausende von Teeplantagenarbeiter*innen tamilischer und indischer Herkunft schlossen sich ebenfalls dem Streik an. In mehreren Städten, darunter Nuwaraeliya und Hatton, fanden Protestaktionen statt, und auch die örtlichen Geschäfte wurden geschlossen.

Zukunft des Kampfes

Das “Kollektiv der Gewerkschaften und Massenorganisationen”, das zu diesem Streik aufgerufen hat, besteht größtenteils aus relativ jungen Gewerkschaftsführer*innen, wird aber von einigen Gewerkschaftsführenden geleitet, die von sich behaupten, unpolitisch zu sein. Selbst die jüngeren Aktivist*innen haben sich mit dieser Krankheit infiziert, und es ist sehr schwierig, ein klares politisches Programm in dieses Kollektiv einzubringen. Ihre Aktivitäten sind eindeutig politischer Natur, aber sie versuchen, sich von politischen Parteien abzugrenzen und zu zeigen, dass sie “über” der Parteipolitik stehen.

Das “Zentrum Freier Gewerkschaftrn” , das mit der Vereinigten Sozialistischen Partei (USP – United Socialist Party, CWI in Sri Lanka) verbunden ist, konnte sich jedoch an diesem Kollektiv beteiligen und spielte eine wichtige Rolle beim Aufruf zu diesem Streik. Einige Gewerkschaftsführer*innen hatten in der Anfangsphase gezögert, zu einem Generalstreik aufzurufen.

Wir von der Vereinigten Sozialistischen Partei rufen zu einer weiteren Streikrunde auf, wenn das Regime die Forderungen der Arbeiter*innen und der Jugend nicht beachtet. Wir haben darauf hingewiesen, dass das Kollektiv als Sammelpunkt für alle Arbeiter*innen im Lande dienen sollte, einschließlich der Arbeiter*innen im Norden und Osten und der unterdrückten tamilischen und muslimischen Gemeinden. Wir fordern überall Kampfkomitees und eine demokratische Versammlung der Vertreter*innen von Arbeiter*innen und Bäuer*innen, um zu planen, wie man das kapitalistische Sri Lanka und die Art, wie es geführt wird, herausfordern kann. Wir setzen uns dafür ein, dass Grund und Boden, Industrie, Banken und Verkehr in öffentlicher Hand sind und von demokratisch gewählten Vertretungen der Arbeiter*innen geleitet werden.

Dies war die Botschaft für die diesjährige Maikundgebung der Vereinigten Sozialistischen Partei und ihrer Unterstützer*innen in ganz Sri Lanka.

Hintergrundartikel aus der Mai-Ausgabe der “Solidarität”

Welcher Ausweg für Sri Lanka?

Massenproteste brauchen ein sozialistisches Programm

Vorbemerkung: In Sri Lanka führte die Wirtschaftskrise seit Ende März zu einer Serie von Massenprotesten, die spontan begannen. Anfang April trat die Regierung zurück, aber nicht Präsident „Gota“, dessen Entfernung eine der Hauptforderungen der Proteste ist. Mitte April teilte die Regierung die Aussetzung des Schuldendienstes für die Auslandsschulden mit und erklärte, über eine Umstrukturierung der Schulden verhandeln zu wollen. Am 20. April gab es bei weiteren Protesten den ersten Toten.

Wir bringen hier einen Auszug aus einem längeren Artikel von TU Senan, der auf Englisch am 13. April erschien:

Eine Koalition mit bürgerlichen Kräften ist eine kompromittierende Position, die oft von den so genannten Progressiven bevorzugt wird, die vorgeben, im Interesse der arbeitenden Massen zu handeln. In Wirklichkeit sorgen sie dafür, dass die Arbeiter*inneninteressen besiegt werden. Es ist oft der Fall, dass bürgerliche Kräfte versuchen, in der so genannten „Übergangszeit” Zeit zu gewinnen, um die Machtbasis der Arbeiter*innen und armen Massen zu besiegen oder zu schwächen. 

Solange sich die Massenbewegung nicht auf den Weg macht, die Kontrolle zu übernehmen, wird es keine Lösung geben. Die bürgerlichen Kräfte und ihre Verbündeten werden den Arbeiter*innen und Armen weiterhin predigen, „den Gürtel enger zu schnallen”, während sie alles tun, um ihre eigenen Profite zu schützen. Selbst wenn das [wirtschaftliche] Wachstum zurückkehrt, werden die Arbeiter*innen und Bäuerinnen und Bauern enorme Kämpfe führen müssen, um auch nur einen Teil dessen zurück zu bekommen, was sie verloren haben. 

Das Regime wird sich an der Macht halten mit dem Ziel, die „Menge” irgendwie zu zerstreuen, entweder durch Repression und Zugeständnisse oder eine Kombination aus beidem. 

Gegen Spaltung

Die Bewegung wird auch mit einer Spaltung entlang ethnischer, nationaler und religiöser Linien konfrontiert sein.

Ein Programm, das die Bewegung zusammenhält und einen klaren Weg nach vorn weist, ist für jede Massenbewegung von entscheidender Bedeutung. Ein solches Programm muss die Forderung nach vollen demokratischen Rechten einschließen und darf sich nicht auf die Forderung eines Teils der Bewegung beschränken. Alle können sich auf der Grundlage von „Das Regime muss gehen” zusammenschließen, aber ein einziger Slogan reicht niemals aus, um das System ein für alle Mal zu ändern.

Die sporadischen, aber starken Proteste, die derzeit stattfinden, haben sich noch nicht zu einer kohärenten Bewegung mit einer klaren Strategie entwickelt. Das muss sich ändern, wenn sie vorankommen soll. Alle Gewerkschaften und Arbeiter*innenorganisationen sollten eingeladen werden, sich an ihr zu beteiligen. Die große Mehrheit der Tamil*innen und Muslime und Muslimas  hat sich der Bewegung noch nicht vollständig angeschlossen. Forderungen, die für diese Gemeinschaften relevant sind, sollten von der Bewegung erhoben werden, um ihre Unterstützung zu gewinnen. Die Abschaffung des Gesetzes zur Verhinderung von Terrorismus ist eine dieser zentralen Forderungen. Aber das ist nicht genug. Die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Freigabe alles besetzten Landes, die Verteidigung der religiösen Rechte der Muslime und Muslimas usw. sind einige der zusätzlichen demokratischen Forderungen, die die Bewegung unterstützen sollte.

Gegen singhalesisch-buddhistischen Nationalismus

Das bedeutet auch, dass wir uns entschieden gegen den singhalesisch-buddhistischen Nationalismus stellen müssen, der dazu benutzt werden kann, die Bewegung zu spalten. Ein bloßer Slogan von „gleichen Rechten” ist nicht genug. Ohne die nationalen Bestrebungen der Tamil*innen anzusprechen, können die Jugend und die aktive Schicht der Tamil*innen nicht vollständig für die Massenbewegung gewonnen werden. Viele Organisationen – selbst solche, die sich als marxistisch bezeichnen –, die sich an der Massenmobilisierung und -bewegung beteiligen, sind nicht bereit, Forderungen zu artikulieren, die in den tamilischen und muslimischen Massen des Landes eine wichtige Rolle spielen.

Nicht-sektiererische Komitees sollten von den Arbeiter*innen und Aktivist*innen gebildet werden, um neue Forderungen und Pläne anzunehmen und auf die Übernahme der vollen Kontrolle und die Einführung einer sozialistischen Planwirtschaft zu drängen. Eine solche Kraft wird nicht nur Sri Lanka, sondern die gesamte Region verändern.

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