Sri Lanka: Premierminister zum Rücktritt gezwungen

Rajapaksa mobilisiert Angriffe auf Demonstrierende – Gewerkschaften rufen als Antwort zu unbefristetem Streik auf

Der Versuch der srilankischen Regierung, die Bewegung gegen sie niederzuschlagen, hat eine heftige Reaktion der Demonstrierenden hervorgerufen. Nur wenige Tage zuvor, am 6. Mai, organisierten die Gewerkschaften den erfolgreichsten Hartal (eine allgemeine Arbeitsniederlegung in Verbindung mit der vollständigen Schließung von Geschäften usw., also quasi eine Art Generalstreik) seit Jahrzehnten.

Von TU Senan, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale

Zehntausende von Arbeiter*innen beteiligten sich an den Massenprotesten, die im ganzen Land stattfanden. Hauptziele der Demonstrierenden waren die Häuser der regierenden Politiker*innen und die Regierungsbüros. Bedeutende und energische Proteste fanden dvor dem Parlament statt und die Teilnehmenden versuchten, durch die Besetzung des Parlamentsgeländes einen kontinuierlichen Protest aufrechtzuerhalten. Sie sahen sich jedoch erheblichen Repressionen seitens der Regierung ausgesetzt. Die Demonstrierenden zeigten sich auch zunehmend militant und wehrten sich trotz des massiven Einsatzes von Tränengas und Wasserwerfern gegen die Angriffe. Später zogen sie sich jedoch zurück.

Durch die Besetzung dieses Gebiets bestand auch die Gefahr, dass die Hauptstraße in Colombo blockiert würde, wodurch Arbeiter*innen am nächsten Tag im Verkehr behindert worden wären – und das war eine der Sorgen der Führung der Proteste.

Der starke Hartal und die Zusammenstöße vor dem Parlament haben der Regierung deutlich gemacht, dass die Proteste nicht nachlassen würden, bis die Regierung zurücktritt. Die Arbeiter*innen wollen, dass die gesamte Familie Rajapaksa, die derzeit die Regierung dominiert, für immer zurücktritt. Die Rajapaksa-Regierung reagierte mit der Verhängung des Ausnahmezustands und begann, ihre Basis zu mobilisieren. Die Rajapaksa-Familie hat in der Vergangenheit Alkohol und Essen für ihre Hooligan-Anhänger gesponsert und kostenlose Busse zur Verfügung gestellt, um ihre öffentlichen Versammlungen zu füllen. Wenn Mahinda Rajapaksa beispielsweise nach Jaffna, der wichtigsten Stadt der Tamil*innen im Norden, reiste, begleiteten ihn oft 20 bis 30 Busse, um die öffentlichen Versammlungsort zu füllen – vor allem, um die Peinlichkeit zu vermeiden, dass nicht viele zu diesen Versammlungen erschienen. Am Montag, dem 9. Mai, als Premierminister Rajapaksa seinen Rücktritt ankündigte, organisierten sie auch rund 50 kostenlose Busse zum Büro des Premierministers (Temple Trees) und brachten eine Gruppe von loyalen Hooligans zusammen. Bei einer Versammlung im Palast des Premierministers sprach Mahinda zu der Menge und hetzte sie eindeutig gegen die Teilnehmenden der Proteste auf. Daraufhin begannen etwa eintausend dieser so genannten “Unterstützer*innen” mit dem Angriff auf die Demonstrierenden, die sich vor dem Büro des Premierministers aufhielten. Dann marschierten sie zum Büro des Präsidenten und setzten ihren Angriff fort. Bewaffnet mit Metallstangen, Messern usw. gingen sie brutal gegen die Demonstrant*innen vor. Es war auffällig, dass die Polizei auf diese unverhohlene Gewalt nur langsam reagierte. Angesichts der Notsituation waren zu diesem Zeitpunkt auch nicht genügend Protestierende in Galle Face anwesend, das inzwischen in “GotaGoGama” umbenannt wurde, nachdem der Präsident Gotabaya Rajapaksa von der Bevölkerung aufgefordert wurde, in die USA zurückzukehren (1998 war er für eine Zeit lang in die USA ausgewandert).

Aber die Rajapaksas haben die weit verbreitete Wut, die jetzt herrscht, völlig unterschätzt. Trotz des Ausnahmezustands marschierten Zehntausende zum GotaGoGama, um den Platz zu verteidigen, als sich die Nachricht von dem Angriff verbreitete. Die Demonstrierenden, bewaffnet mit allem, was sie finden konnten, schlugen die Hooligans zurück. Die Art dieses bösartigen Angriffs hat in mehreren Teilen des Landes zu einem Ausbruch von Wut geführt. Schlägerbanden der Regierung wurden gejagt und die Busse, in denen sie angekarrt worden waren, wurden ebenfalls angegriffen. Einige von ihnen wurden in den Fluss geworfen, in dessen Nähe die Busse gefunden wurden. Trotz der Ausgangssperre und der strengen Repression haben viele Demonstrierende auch Häuser von Parlamentsmitgliedern angegriffen. Einigen Berichten zufolge wurden über fünfzig Häuser von Politiker*innen niedergebrannt. Darunter auch das Haus von Mahinda Rajapaksa (der Stammsitz der Rajapaksas in Medamulana im Bezirk Hambantota). Auch Grundstücke und Fahrzeuge von Politikern wurden angegriffen. Die Polizei schoss auf die Demonstrant*innen, die versuchten, die Temple Trees (Residenz des Premierministers) zu stürmen. Auch in anderen Teilen des Landes kam es zu Schießereien. Einigen Berichten zufolge wurden bisher mindestens zehn Menschen getötet und rund 200 verletzt.

Nach der Nachricht, dass der Sohn von Mahinda Rajapaksa, Yoshitha, das Land verlassen hatte, zog ein Teil der Demonstrant*innen zum Flughafen, um diesen zu besetzen. Auch Politiker*innen der Oppositionsparteien blieben von den Angriffen nicht verschont. Sajith Premadasa, Vorsitzender der größten Oppositionspartei Samagi Jana Balawegaya (SJP), kam zum GotaGoGama, um aus der Situation Kapital zu schlagen, wurde aber aufgrund der wütenden Stimmung angegriffen. Er lief schnell zu seinem Auto zurück und floh mit Hilfe der Polizei. Auch vor der Novel-Basis in der östlichen Hafenstadt Trincomalee versammeln sich jetzt Demonstrierende, nachdem Gerüchte laut geworden sind, dass die Familie Rajapaksa dort Zuflucht gefunden hat, um das Land zu verlassen.

Die Wut der Bevölkerung ist riesig, denn der Angriff auf die Demonstrant*innen wird zu Recht als vorsätzliche, vom Büro des Premierministers geplante Aktion angesehen. Wie einer der Journalisten des Daily Mirror (Sri Lanka) es ausdrückte: “Der Premierminister verlässt sein Amt erst, nachdem er das Land fast in Brand gesteckt hat”. Doch Mahinda forderte die Demonstrierenden nicht auf, aufzuhören – stattdessen bat er die Öffentlichkeit, sich “zurückzuhalten”, und erklärte: “Die Emotionen kochen hoch”. Dass Präsidenten und Premierminister sich Hooligan-Anhänger halten und sie für ihre politischen Ziele benutzen, ist in Sri Lanka nichts Neues. Die Pogrome gegen die Tamil*innen im Juli 1983 wurden von den Anhängern des damaligen Präsidenten JR Jayewardene geplant und organisiert. Später wurde auch Präsident Premadasa beschuldigt, seine Hooligan-Basis zu benutzen, um gegen seine politischen Gegner*innen vorzugehen. Doch dieses Mal war es das erste Mal in Sri Lanka, dass die Schlägerbanden zurückgeschlagen wurden.

Obwohl die Protestierenden heute ihre Unerschrockenheit und ihre Bereitschaft, standhaft zu bleiben, bekundet haben, ist noch nicht klar, wie sich die Proteste weiterentwickeln werden. Das Militär ist jetzt am GotaGoGama stationiert, und die Regierung hat angedeutet, dass sie die Ausgangssperre fortsetzen wird. Wie die nächste Phase des Kampfes aussehen wird, ist die Schlüsselfrage für die Bewegung. Die von Gotabaya geführte Regierung hat keine Anzeichen für einen Rücktritt erkennen lassen. Ihr Versuch, den Rücktritt von Mahinda Rajapaksa zu nutzen, um die Bewegung zu besiegen, ist nach hinten losgegangen und wurde zurückgeschlagen. Weitere Angriffe auf die Bewegung und die Verhaftung ihrer wichtigsten Führungspersönlichkeiten sind jedoch weiterhin möglich.

Die Gewerkschaften, die am Generalstreik vom 28. April und am Hartal vom 6. Mai beteiligt waren, haben nun zu einem unbefristeten Generalstreik aufgerufen. Die Government Medical Officers Association (GMOA) war die erste, die erklärte, dass sie am Dienstag streiken werde, um auf das zu reagieren, was weithin als “staatlich finanzierter Terrorismus” angesehen wird. Die Joint Trade Union Action Group (JTUAG) erklärte, dass die Regierung kleine Gruppen besticht, um die Demonstrierenden zum Schweigen zu bringen. Sie forderte die Bestrafung der Rajapaksa-Anhänger*innen, die die Demonstrationen angegriffen haben, und den Rücktritt von Gotabaya.

Der Generalstreik wird wahrscheinlich fortgesetzt, bis Gotabaya zurücktritt. Dies ist jedoch nicht genug. Was an die Stelle der derzeitigen Regierung treten soll, ist von der Oppositionsbewegung noch nicht klar formuliert worden. Die Idee, an den Arbeitsplätzen und in den Dörfern und Städten Komitees zu bilden, beginnt sich zu etablieren. Die Gewerkschaften sollten die Führung übernehmen und in den Betrieben und Gemeinden Komitees bilden, um die Proteste und ihre Verteidigung zu organisieren. Die Bewegung muss auch klar Position beziehen zu allen demokratischen Forderungen und dazu welche wirtschaftlichen Notmaßnahmen zeitnah umgesetzt werden sollen.

Einige haben immer noch die Illusion, dass ein Deal mit dem IWF oder dem Westen irgendwie zur Überwindung der scharfen wirtschaftlichen Krise führen wird. Aber ein Abkommen mit dem IWF könnte zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen und zum Abbau des Sozialstaats führen. Darüber hinaus sollte die Bewegung auch die Unterstützung der Tamil*innen, der Muslime und Muslimas, der Arbeiter*innen in den Bergen und anderer ethnischer und religiöser Minderheiten gewinnen. Es reicht nicht aus, immer wieder zu betonen, dass sich alle Gruppen in der Opposition gegen das Rajapaksa-Regime einig sind. Die Forderungen, die von diesen Gemeinschaften artikuliert werden, müssen von der Bewegung aufgegriffen werden. Die Familie Rajapaksa ist für die Massenmorde im Norden verantwortlich. Obwohl die Tamil*innen im Allgemeinen den Kampf unterstützen, ist ein Teil von ihnen immer noch misstrauisch, ob ihre Forderungen von der Bewegung akzeptiert werden. Viele befürchten, dass die nationalen Bestrebungen von der derzeitigen Bewegung, die sich auf die Förderung einer “geeinten srilankischen Nation” konzentriert, in den Hintergrund gedrängt werden könnten. Die Bewegung kann jedoch die Unterstützung der Tamil*innen gewinnen, wenn sie beginnt, deren demokratischen Forderungen zu artikulieren und auf ihre nationalen Bestrebungen einzugehen.

Die Forderung nach einer eigenen Nationsbildung wird durch die anhaltende Unterdrückung und den von Rajapaksa geführten brutalen Bürger*innenkrieg, in dem Zehntausende getötet wurden und noch mehr Menschen verschwanden, noch verstärkt. Ein Teil der Tamil*innen feierte logischerweise, als sie sahen, wie das Haus der Familie Rajapaksa niedergebrannt wurde, denn sie erinnerten sich daran, wie viele Häuser im Norden niedergebrannt worden waren. Aber eine starke Bewegung mit klaren Perspektiven und Forderungen kann die brutale Vergangenheit überwinden. Einheit auf der Grundlage klarer Forderungen und Perspektiven ist möglich. Eine solche Einheit wird viel stärker sein – und sie wird definitiv nicht von staatlichen Kräften erschüttert werden können.

Viele fürchten auch die Rückkehr von chauvinistischen Elementen an die Macht, die auf “Teile und Herrsche”-Politik setzen. Es ist bereits zu beobachten, dass buddhistisch-chauvinistische Organisationen, die mit Gotabaya in Verbindung stehen, auf die Straße gehen und Anschläge verüben – insbesondere auf Geschäfte der muslimischen Minderheit usw. Dies könnte zu weiteren Zusammenstößen führen. Wenn diese Kräfte nicht entschieden besiegt werden und keine Regierung der Arbeiter*innen und der Armen gebildet wird, ist die Gefahr einer Rückkehr von Mahindas Familie nicht auszuschließen. Sri Lanka ist an einem entscheidenden Punkt angelangt. Obwohl die derzeitige Situation für Millionen von Menschen katastrophal ist, bietet sie die Chance, eine Regierung der Arbeiter*innen und Armen zu bilden, die im Interesse des Volkes handeln kann. Dies wäre nicht nur für Sri Lanka ein enormer Schritt, sondern hätte auch entscheidende Auswirkungen auf die Region und darüber hinaus.

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