Kein schnelles Ende in Sicht 

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Der Krieg in der Ukraine dauert an

Seit dem Beginn großflächiger Bombardierungen und dem Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar tobt der Krieg in der Ukraine. Zehntausende Menschen kostete er bereits das Leben, Millionen mussten fliehen, viele Städte und Nachbarschaften sind zerstört. Im April startete die russische Armee eine neue Offensive zur Eroberung des Donbass. Ein schnelles Ende des Krieges ist nicht in Sicht.

von Tom Hoffmann, Sol-Bundesleitung

Im Krieg ist das erste Opfer die Wahrheit. Putin führt nicht Krieg, um die Ukraine zu entnazifizieren, sondern um den Einfluss des russischen Imperialismus in Osteuropa auszuweiten. Die Selenskji-Regierung wehrt sich nicht nur gegen den russischen Einmarsch, sie will auch zum Beispiel die Krim zurückerobern. Der Westen liefert ihr nicht alle möglichen Waffen, um das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Bevölkerung hochzuhalten, sondern weil er ein Interesse an einer Schwächung Russlands hat. Die Wahrheit stirbt im Krieg aber nicht nur einmal. Jede Meldung und Information über den Kriegsverlauf ist kaum unabhängig zu überprüfen und gefärbt durch die Berichterstattung – nicht nur in Moskau, sondern auch in Berlin, Warschau oder Paris. Deshalb ist auch eine Einschätzung des Kriegsverlaufs schwierig.

Verbrechen auf beiden Seiten

Was feststeht: Der Krieg ist für keine Seite militärisch leicht zu gewinnen. Nach dem Rückzug der russischen Armee aus dem Norden des Landes, formierten sich im April beide Seiten zur Schlacht um den Donbass. Während dieser Artikel geschrieben wird, deutet alles auf eine Verlängerung und Verschärfung des Krieges hin, in dem die russische Armee ihr bisher nicht genutztes militärisches Potenzial noch einsetzen könnte. Auch wenn temporäre Waffenruhen nicht auszuschließen sind, ist ein nachhaltiger Frieden nicht in Sicht. Dafür nehmen Kriegsverbrechen zu. In Butscha und Borodjanka wurden mutmaßlich willkürlich Zivilist*innen durch die russische Armee getötet. Doch auch die ukrainische Armee setzte vermutlich u.a. Streumunition zur Rückeroberung russisch kontrollierter Gebiete ein. Diese ist überhaupt nicht zielgerichtet und kann im besonderen Maße die eigene zivile Bevölkerung treffen. Bis zu vierzig Prozent der Streubomben bleiben zudem Blindgänger und können noch Jahrzehnte später explodieren.

„Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ und der Krieg in der Ukraine fiel nicht vom Himmel. Er ist Ergebnis des Ringens um Einfluss verschiedener imperialistischer Mächte. Russland ist im Februar in der Ukraine einmarschiert, aber die NATO und die EU haben durch ihre stetige Osterweiterung und die Hochrüstung der Ukraine solch einen Krieg in Kauf genommen. Wie die Schlacht um den Donbass ausgeht, ist ungewiss. Eine dauerhafte Teilung der Ukraine ist aber wahrscheinlich und die aktuelle militärische Auseinandersetzung wird die zukünftigen Grenzen dieser Teilung mitbestimmen.

Kriegsopfer

Opfer des Krieges sind wie immer nicht die, die ihn begonnen haben. In erster Linie ist es die arbeitende Bevölkerung in der Ukraine, die von dem Angriff der russischen Armee zu tausenden ermordet wird. Doch die Ukraine wird von einem Selenskji regiert, der auch eine kriegstreibende, nationalistische und pro-kapitalistische Politik verfolgt, welche sich bereits vor Kriegsausbruch auch gegen die russischsprachige Bevölkerung richtete. Die arbeitende Bevölkerung in Russland wiederum wird durch die westlichen Sanktionen für einen Krieg, den sie nicht begonnen hat, getroffen – nachdem ihr Lebensstandard durch die pro-kapitalistische Politik Putins bereits gesunken war. In beiden Ländern besteht die Aufgabe, unabhängige und demokratische Gewerkschaften sowie sozialistische Parteien aufzubauen, die für die Interessen der Lohnabhängigen eintreten. Solche Bestrebungen sollten Linke und Kriegsgegner*innen in Deutschland unterstützen.

Doch der Krieg hat auch schwere Auswirkungen über die beiden Länder hinaus. Der Präsident der Weltbank spricht von einer „humanitären Katastrophe“ angesichts weltweit steigender Lebensmittelpreise vor allem in ärmeren Ländern. Um 37 Prozent könnten diese noch steigen. Das wiederum könnte die Schuldenkrise in vielen Ländern noch verschärfen – mit weitreichenden sozialen Folgen. Im Kapitalismus, in dem der Profit die Wirtschaft und damit auch die Politik diktiert, sind Krieg und (Wirtschafts-)Krisen so sicher, wie das Amen in der Kirche. Deshalb muss dieses System so schnell wie möglich überwunden werden – durch eine weltweite, sozialistische Demokratie, in der die Wirtschaft international entsprechend der Bedürfnisse und demokratisch von den Lohnabhängigen geplant wird. 

Türkei greift Kurd*innen im Nordirak an

Nicht nur Russland kann Angriffskriege und Völkerrechtsbrüche. Im April startete das NATO-Mitglied Türkei eine Offensive gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK im Nordirak. Mit Bombardierungen und Bodentruppen gingen türkische Streitkräfte laut Verteidigungsministerium gegen kurdische Stellungen in Metina, Zap und Awaschin-Basjan vor – angeblich um einen Anschlag der PKK in der Türkei zu vereiteln und sich selbst zu verteidigen. 

Die türkische Regierung genießt die Unterstützung des Westens und der Bundesregierung. Noch im März reiste die grüne Außenministerin Baerbock zum NATO-Treffen und veröffentlichte ein gemeinsames Foto mit dem türkischen Außenminister und dem Dank an die „starke deutsch-türkische Partnerschaft“. Es gibt anscheinend Kriegstreiber und Kriegstreiber. 

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