Kampf gegen Schließung der Orthopädie und Unfallchirurgie
Anfang Juni wurden Pläne zur Schließung der Orthopädie und Unfallchirurgie-Stationen am Klinikum Lemgo bis September über lokale Medien bekannt. Zukünftig soll das benachbarte Klinikum Detmold, welches zum Universitätsklinikum ausgebaut werden soll, den Bedarf vollständig abdecken. Diese “Konzentration” der Abteilungen wurde von der Klinikleitung einerseits mit dem allgemeinen Personalmangel im Gesundheitswesen begründet, andererseits mit den Bestrebungen der Bundes- und Landesregierung, die Krankenhauslandschaft „wirtschaftlicher“- das heißt profitabel – zu gestalten und Doppelstrukturen abzuschaffen. Insbesondere die orthopädische Einrichtung in Lemgo hat jedoch über Lippe hinaus einen außerordentlich guten Ruf.
von Arthur Gubar und Dominik Kandale, Lemgo
Viele der mehr als vierzig betroffenen Beschäftigten haben erst über die lokale Berichterstattung überhaupt von den Schließungsplänen erfahren. Die Folgen einer Schließung sind de facto ein Abbau der Gesundheitsversorgung im Kreis Lippe, denn die meisten betroffenen Beschäftigten sollen nicht in die Detmolder Orthopädie und Unfallchirurgie übernommen werden, sondern nach teilweise jahrzehntelanger Arbeitserfahrung in fachfremde Bereiche geleitet werden, um den akuten Mangel an Fachkräften in anderen Abteilungen zu decken. Die Folgen sind geringere Kapazitäten und längere Wartezeiten in der Orthopädie und Unfallchirurgie, weite Fahrtwege für Patient*innen aus dem lippischen Norden sowie steigender Arbeitsdruck für die verbleibenden Detmolder Kolleg*innen. An den systematischen Ursachen des Personalmangels; dass Pflegekräfte unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen im Krankenhaus-Bereich insbesondere infolge der Einführung der mit den Fallkosten-Pauschalen einhergehenden Profitorientierung verheizt werden, soll sich nichts ändern.
Protest
Dementsprechend groß war die Wut der Beschäftigten über die bekannt gegebenen Pläne. Es wurde im Anschluss auf die Nachricht kurzfristig zu einer Demonstration in der Lemgoer Innenstadt am 11. Juni aufgerufen, an der sich circa 200 Personen, darunter viele Kolleg*innen, beteiligten. Eine zwischenzeitlich gestartete Petition für den Erhalt der Stationen konnte online innerhalb einer Woche bereits über 1600 Unterschriften sammeln. Es war der richtige erste Schritt der Beschäftigten, an die Öffentlichkeit zu gehen, denn sie können sich sicher sein, dass die große Mehrheit der Bevölkerung auf Seite der Beschäftigten steht. Und es ist allen Beteiligten bewusst, dass die Schließung darauf abzielt, die Profite des Klinikums zu maximieren, während die Gesundheitsversorgung und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und Patient*innen sich massiv verschlechtern werden.
Die Sol Lemgo hat sich gemeinsam mit Mitgliedern der LINKE Lemgo und der linksjugend [‘solid] Lippe mit einem eigenen Block an den Protesten beteiligt. Bei der Abschlusskundgebung konnten wir mit einem eigenen Redebeitrag unter zunehmendem Beifall auf den systematischen Zusammenhang zwischen kapitalistischer Profitlogik und dem Abbau der Gesundheitsversorgung hinweisen und haben konkrete Vorschläge gemacht, wie die nächsten Schritte im Kampf für den Erhalt der Stationen aussehen können. Dazu gehörten neben dem Aufbau eines Bündnisses für den Erhalt der Stationen und dem weiteren politischen Protest bei den Verantwortlichendie Möglichkeit, sich die aktuellen Streikauseinandersetzungen an den Uni-Kliniken NRW und die Erfolge der Krankenhausbewegung Berlin in der Charité und Vivantes zum Vorbild zu nehmen und zu Methoden des Arbeitskampfs zu greifen, um die Schließung zu verhindern.
„Warme Worte“ von Ratsparteien
Der Kampf der Kolleg*innen muss nun auch in den Stadtrat und den Kreistag getragen werden, da sich die Klinik in kommunaler Hand des Kreis Lippe befindet und die Schließung eine politische Entscheidung der etablierten Parteien ist. Insbesondere der SPD-Landrat Axel Lehmann, welcher bereits in der Vergangenheit die betriebliche Mitbestimmung von Kreis-Beschäftigten und damit auch Klinik-Beschäftigten durch Gründung eines Betriebsrats gerichtlich verhindern wollte, trägt eine besondere politische Verantwortung als Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums und verteidigte zuletzt öffentlich die Schließung.
Bereits zwei Tage nach der Demonstration wurde der Protest auf unseren Vorschlag in den Stadtrat von Lemgo getragen. Vor Beginn der Sitzung gab es „warme Worte der Unterstützung“ und des Bedauerns über die Schließungspläne durch Ratsabgeordnete aus bürgerlichen Fraktionen, doch es war letztlich der LINKE-Ratsabgeordnete und Sol-Mitglied Frank Redelberger, der als einziges Ratsmitglied eine offizielle Unterstützung der Beschäftigten durch den Stadtrat einforderte. Unser Unterstützungsgesuch wurde vorerst aus formalen Gründen abgelehnt, doch es wird am 27.06 aufgrund des Protests eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses einberufen, auf dem auch Betriebsräte und Beschäftigte zu Wort kommen sollen.
Der nächste Schritt ist in Absprache mit den Organisatoren der Demonstration nun der Aufbau eines Bündnisses unter Einbeziehung von Beschäftigten, Gewerkschaften, solidarischen Organisationen und der lokalen Bevölkerung, um den öffentlichen Druck gegen die Schließung in den kommenden Monaten weiter aufzubauen.
Video der Rede von Arthur Gubar auf der Demo: hier klicken