Krankenhaus-Notstand

ver.di muss zum Kampf mobilisieren!

Laut einer Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg haben durch die Coronapandemie 88 Prozent der Pflegekräfte mehr Arbeit, 71 Prozent können Patient*innen nicht adäquat versorgen und 17 Prozent haben keine Motivation mehr. 2020 wurden trotz der Pandemie zwanzig Krankenhäuser geschlossen. Es wird dringend Zeit, zu handeln. 

Von Dorit Hollasky, ver.di Aktive am Städtischen Klinikum Dresden

Auf dem ver.di-Bundeskongress 2019 wurden mehrere Beschlüsse zum Thema Krankenhäuser und Personalnot gefasst.Um diese Ziele zu erreichen, muss eine bundesweite Kampagne aufgebaut und der Druck gesteigert werden. 

In der Tarifrunde letztes Jahr stand das Thema Entlastung an oberster Stelle bei den Beschäftigten. Es wurde aber nicht in die Forderungen für die Verhandlungen aufgenommen. Auch die finanziellen Verbesserungen des Tarifabschlusses sind bei weitem nicht ausreichend, um mehr Menschen für den Beruf zu gewinnen. 

Was ist nötig

In der Bevölkerung und unter den Beschäftigten gibt es eine sehr breite Zustimmung zur Forderung nach einem grundlegenden Wandel des Gesundheitssystems, weil die Corona-Pandemie verdeutlicht hat, wie krank unser Gesundheitswesen ist. Zentral ist hierbei die Beendigung der Markt- und Profitorientierung. Zum einen muss das Fallpauschalensystem abgeschafft und müssten stattdessen Krankenhäuser nach ihrem realen Bedarf finanziert werden. Privatisierungen müssen beendet und rückgängig gemacht werden, durch die Rekommunalisierung von privaten Krankenhäusern und anderen Einrichtungen im Gesundheitsbereich, unter Kontrolle der Beschäftigten und Patient*innen und ihrer Organisationen. Ausgegliederte Bereiche wie Küche, Reinigung, Labore, therapeutische und technische Dienste gehören wieder eingegliedert. Der Krankenhausstrukturfonds, der als “Abwrackprämie” Schließungen finanziell unterstützt, muss abgeschafft werden. Es braucht ausreichend Personal in allen Berufsgruppen. Dafür muss über eine gesetzliche bedarfsgerechte Personalbemessung für alle Beschäftigtengruppen gesorgt werden. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist notwendig, um mehr Personal zu gewinnen. Dies kann nur durch eine dauerhaft bessere Bezahlung mit mindestens 500 Euro im Monat sowie eine deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich erreicht werden. 

Diese Forderungen kosten viel Geld, doch das ist im viertreichsten Land der Erde ausreichend vorhanden. Es geht um die Umverteilung von oben nach unten, durch massive Besteuerung von Gewinnen und Vermögen. Das Geld darf nicht mehr für Rüstung und Bundeswehr ausgegeben werden, sondern für die öffentliche Daseinsvorsorge. 

Gewerkschaftliche Kampagne 

Wir können auf den Erfahrungen der bisherigen Aktivitäten aufbauen. Es gibt Entlastungstarifverträge an 16 Kliniken, offene Briefe, Online-Petitionen oder Forderungskataloge an die politisch Verantwortlichen. Um die Veränderungen wirklich zu erreichen, brauchen wir aber eine Zusammenführung der Proteste hin zu einer einheitlichen starken Kampagne und nicht nur vereinzelte Kämpfe. ver.di müsste vorangehen und eine Werbekampagne dafür initiieren, wo sie auch darlegt, dass genug Geld da ist. Wir brauchen Demonstrationen, Streiks, eine bundesweite Entlastungstarifbewegung, verknüpft mit einer politischen Kampagne, in die auch der DGB, DIE LINKE und soziale Bewegungen mit einbezogen werden. Die Bundestagswahl kann genutzt werden, um den politischen Druck zu erhöhen. 

Die Entlastungsbewegung an Charité und Vivantes, die vor den Berliner Abgeordnetenhauswahlen im September stattfinden soll, muss ernsthaft verfolgt und bundesweit unterstützt werden. An diesen Kampf anknüpfend könnten alle kommunalen und landeseigenen Krankenhäuser zu Entlastungstarifverträgen aufgefordert werden. 

Auf Angriffe auf aktive Kolleg*innen wie die Betriebsrätin Romana bei Asklepios in Hamburg müsste ver.di mit einer bundesweiten Solidaritätsbewegung reagieren – solche Ereignisse könnten der Auslöser für einen Pflege-Aufstand sein.

Für eine Aktivenkonferenz!

Wir brauchen eine kritische Bestandsaufnahme der bisherigen Aktivitäten (z.B. Auswertung der Wirksamkeit der Entlastungstarifverträge) und eine ver.di-Aktivenkonferenz, wo aktive Kolleg*innen aus den Krankenhäusern eine bundesweite Kampagne diskutieren und planen können. 

Ein Gruppe von Aktiven hat deshalb bereits ver.di aufgefordert, eine bundesweite Kampagne auf den Weg zu bringen und zur Vorbereitung eine solche Aktivenkonferenz durchzuführen. Der ver.di-Fachbereichsvorstand hat das zunächst abgelehnt. Doch wir werden uns weiter vernetzen, mehr Stimmen sammeln und damit den Druck erhöhen. Wer Interesse hat, kann sich hier melden: kh-aktivenkonferenz@web.de

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