“Bürgerkrieg ohne Gewehre”

Manifest-Verlag veröffentlicht Buch zum britischen Bergarbeiterstreik

Der große Streik der britischen Bergarbeitergewerkschaft NUM 1984/85 war nicht nur der wichtigste Arbeitskampf in der Geschichte Großbritanniens, sondern neben dem Generalstreik von 1926 die wichtigste Auseinandersetzung der Arbeiter*innen mit den Herrschenden in Großbritannien überhaupt. Er hat wie kein anderes Ereignis die jüngere Geschichte des Landes geprägt. Mit “Bürgerkrieg ohne Gewehre” von Ken Smith veröffentlicht der Manifest-Verlag nun das Buch eines Zeitzeugen und Teilnehmer der Ereignisse von damals auf Deutsch. 

Von Jasper Proske, Mainz

Der Text enthält nicht nur einen wertvollen Abriss der Ereignisse, sondern zieht auch wichtige Schlüsse aus denselben, die für künftige Arbeitskämpfe von enormem Wert sind. Nicht zuletzt macht “Bürgerkrieg ohne Gewehre” auch zwei zentrale Umstände deutlich: Erstens wie ernst der Begriff “Klassenkampf” auch angesichts des Agierens der Thatcher-Regierung genommen werden muss, zweitens wie Recht die Bergleute damals mit ihrer Haltung hatten, wie sehr sich alle ihre Vorhersagen bestätigt haben und wie wichtig es trotz der Niederlage war, sich der großen Auseinandersetzung um die Zukunft der Industrie zu stellen.

Der Klassencharakter des Staates

Um den Streik niederzuringen setzte die Regierung alle dem Staat zur Verfügung stehenden Mittel ein: Die Polizei, die Gerichte, die Gesetzgebung, die Presse und sogar die Geheimdienste. Anfangs wurde offiziell noch behauptet, es handle sich ausschließlich um einen Konflikt zwischen den Bergleuten und der Kohlebehörde, doch dies war schlicht gelogen.

Nicht nur wurde die Polizei auf brutale Weise gegen Streikposten eingesetzt, ganze Regionen wurden abgeriegelt, Gewerkschaftsfinanzen wurden beschlagnahmt, und Thatcher intervenierte in anderen Arbeitskämpfen um die Eröffnung weiterer Streikfronten zu verhindern. Außerdem hatte man im Vorhinein massiv Kohle bevorratet und die Polizei hochgerüstet. 

Mindestens genauso wichtig ist aber die Tatsache, dass die Regierung den Streik bewusst provoziert hatte. Das Ziel der Tory-Regierung war die Niederschlagung der NUM als der kämpferischsten und “gefährlichsten” Gewerkschaft; mit dem Endziel, die Gewerkschaften als ganzes zu schwächen oder gar zu zerschlagen. Die NUM hatte bereits eine Tory-Regierung zu Fall gebracht, und war somit die Schlüsselfigur.

Die Regierung strebte daher an, die NUM in eine Entscheidungsschlacht zu zwingen, welche die fast völlige Liquidierung der Bergbauindustrie und damit auch NUM selber ermöglichen sollte.

Der Streik und die Gewerkschaften

Es handelte sich bei dem Bergarbeiterstreik also um einem Angriff nicht nur auf die NUM sondern auf die gesamte Arbeiter*innenbewegung. Angesichts dieser Bedrohung taten der Gewerkschaftsbund TUC und die Führungen der Einzelgewerkschaften nichts. 

Es gab zwar enorme Solidarität seitens der gesamten Arbeiter*innenklasse, aber weitere Streikfronten blieben aus. Solidaritätsstreiks seitens der Eisenbahner*innen, Stahlarbeiter*innen oder in den Kraftwerken hätten die Regierung binnen Wochen oder Tagen zum Aufgeben zwingen können. Doch dies wurde von den Führungen der zuständigen Einzelgewerkschaften blockiert, und es gab nie ernsthafte Versuche, diese Blockade aufzubrechen. Nur durch die Untätigkeit der Labour- und TUC-Führung konnte Thatcher siegen. 

Was bleibt

Trotz der Niederlage war der Kampf der Bergleute notwendig und von enormer Bedeutung. Es kam innerhalb der Bevölkerung zu einer massiven Solidarisierung und auch zu einem merklichen Linksruck bei gesellschaftlichen Fragen. Nicht zuletzt verzögerte sich die Zerschlagung des Kohlebergbaus durch den unerwarteten heftigen Widerstand enorm; erst die New Labour Regierung konnte sie viele Jahre später vollenden. Andere Gewerkschaften, welche sich auf Kompromisse einließen, konnten sich dadurch nicht retten. Gleichzeitig wurde die Gewerkschaftsbewegung nie völlig ausgeschaltet und lebt seit den frühen 2000ern mit zunehmender Militanz wieder auf. Eine Militanz, die sich auch auf das Beispiel von 1984/85 berufen kann. 

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