Tausende Hafenarbeiter*innen zeigten Stärke – Solidarität mit den Kolleg*innen gegen Repressionen
Es ist der wahrscheinlich umfassendste Arbeitskampf an deutschen Häfen, den die Beschäftigten in Niedersachsen, Bremen und Hamburg zurzeit führen, seit Jahrzehnten. Die zuständige Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordert eine Erhöhung der Entgelte um 1,20 Euro und einen Inflationsausgleich von 7,4 Prozent, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten für die Arbeiter*innen der insgesamt 58 tarifgebundenen Betriebe. In den Vollcontainerbetrieben verlangt ver.di eine Erhöhung der jährlichen Zulage um 1200 Euro.
von Steve Hollasky, Dresden
Wie enorm die Wut vieler Kolleginnen und Kollegen über Inflation und Krisenauswirkungen inzwischen ist, dürfte auch die enorme Beteiligung am Arbeitskampf zeigen. Nicht weniger als 8.000 Kolleg*innen von insgesamt rund zwölftausend Beschäftigten in den Seehäfen nahmen an mehreren Warnstreiks der Gewerkschaft teil. Zu einer Demonstration unter dem Motto „Inflationsmonster stoppen“ kamen am vergangenen Freitag 5000 Menschen – und genau dort ging die Polizei sogar mit Gewalt gegen streikende Kolleg*innen vor.
Streik bis 26. August verhindert
Immer wieder versuchten die Arbeitgeber in den vergangenen Wochen, den Ausstand per Gerichtsurteil zu unterbinden. Dabei scheiterten sie gleich vor den Gerichten mehrerer Städte. Oldenburg, Bremerhaven, Wilhelmshaven sind nur drei Orte, die den Anträgen der Arbeitgeber auf ein Ende der Streikmaßnahmen eine juristische Abfuhr erteilten.
Vor dem Arbeitsgericht in Hamburg schlossen nun Ver.di und die Arbeitgeberseite einen Vergleich, den zwar beide als Erfolg feiern, profitieren werden aber vor allem die Bosse. Der bis Samstagmorgen laufende Warnstreik durfte fortgesetzt werden. Weitere Ausstände haben nun aber bis zum 26. August zu unterbleiben. Die bisherigen Angebote der Arbeitgeber sind für die streikenden Kolleg*innen nicht akzeptabel: Zwischen 6,5 und 12,2 Prozent Erhöhung der Entgelte wollen die Arbeitgeber zugestehen. Aufgeteilt auf die in diesem Angebot vorgesehene Laufzeit von zwei Jahren, wäre dies ein auf 24 Monate festgeschriebener deutlicher Reallohnverlust, insbesondere für einen Teil von Kolleg*innen. Gerade vor dem Hintergrund der enorm gestiegenen Arbeitsbelastung einerseits und – angesichts der sichtbaren Folgen ihres Ausstands – gehen die Kolleg*innen mit hohem Selbstbewusstsein in die Auseinandersetzung.
Von Medienvertreter*innen befragte Kolleg*innen äußerten sich in Richtung der Arbeitgeber mehrfach, dass sie auch zum Erzwingungsstreik bereit seien. Die mehrwöchige Pause könnte nun die Dynamik aus der Bewegung nehmen, was den Arbeitgebern helfen würde, ihren skandalösen Vorschlag so oder mit einigen wenigen Nachbesserungen durchzusetzen. Aktive Kolleg*innen sollten sich unmittelbar beraten, um das zu verhindern. Regelmäßige Gespräche und Versammlungen von Kolleg*innen sollten durchgeführt werden, um die nächste Runde des Arbeitskampfes, gezwungenerweise ab Ende August, effektiv vorzubereiten.
Brutaler Übergriff durch Polizei
In das restriktive Vorgehen gegen die Streikenden passt auch das Vorgehen der Polizei vom Samstag. Als auf der Wiese vor dem Gewerkschaftshaus einer der an der Demonstration Beteiligten einen Böller zündete, nahm die Polizei das zum Anlass, um erst den Kollegen festzusetzen und danach massiv vorzugehen. Als Kolleg*innen die Freilassung forderten, schlug die Polizei – wie man auf kurzen Clips vom Vorfall sehen kann – auf Umstehende ein, trat zu und setzte Pfefferspray oder Tränengas ein. Dann zog sich die Einheit unter den lauten „Wir-sind-der-Hafen“-Rufen der Kolleg*innen zurück.
Es sind verstörende Szenen, die sich die Polizei im Umgang mit demonstrierenden Gewerkschafter*innen leistet. Dass Polizist*innen in dieser Art gegen friedliche Streikende vorgeht, zeigt auch, dass der Staat im Klassenkampf keine neutrale Schiedsinstanz ist. In letzter Konsequenz vertritt er die Interessen der großen Unternehmen und Besitzenden. Man darf sich daher nicht auf ihn verlassen. Stattdessen ist es nötig, dass Gewerkschaften auf solche Attacken reagieren und schnellstmöglich Solidaritätsbekundungen gesendet werden, um den streikenden Kolleg*innen den Rücken zu stärken. Es sollte auch mit einer Informationskampagne in andere Betriebe gewirkt werden, um über die Ziele der Hafenarbeiter*innen aufzuklären und ihnen im Ernstfall bei Fortsetzung des Arbeitskampfes Unterstützung geben zu können. Ein Erfolg der Hafenarbeiter*innen wäre auch wichtig für weitere Tarifauseinandersetzungen, genauso wie eine Niederlage schlechtere Voraussetzungen auch für Beschäftigte in anderen Branchen bedeuten würde.
Alternative aufbauen
Im Kampf gegen den Versuch, die Kosten der kapitalistischen Krise der Arbeiter*innenklasse aufzuhalsen, kann man sich einzig und allein auf die Kampfkraft der Beschäftigten verlassen. Der Staat ist keine neutrale Instanz, sondern im Zweifelsfall der Arm der Großunternehmer. Verbesserungen wird man nicht geschenkt bekommen, sondern muss sie erkämpfen!
Die Kraft dazu ist da. Gerade befinden sich in NRW Beschäftigte der Uniklinika seit nunmehr 12 Wochen im Ausstand für einen Tarifvertrag Entlastung, der festschreiben soll, dass mehr Personal ins Krankenhaus kommt. In Dresden haben sich Beschäftigte auf den Weg gemacht und streben einen ähnlichen Tarifvertrag an. Lehrer*innen sind überlastet und in Berlin wollen die Kolleg*innen an den Schulen mehr Personal und kleinere Klassen erkämpfen, bei Amazon geht der Kampf um Tarifverträge weiter und neue Standorte werden einbezogen. Bei Lufthansa gibt es kein akzeptables Angebot und weitere wichtige Tarifrunden stehen bevor – alles vor dem Hintergrund der massiven Inflation und Berechnungen, nach denen sich die Energiepreise verdreifachen werden.
Es wäre absolut notwendig, dass der DGB all diese Kämpfe miteinander verbindet. Große gemeinsame Demonstrationen, Streiktage, an denen alle gemeinsam die Arbeit niederlegen und so zusammen Druck machen, könnten wichtige Schritte sein, um der Klasse der lohnabhängigen Beschäftigten zu zeigen, welche enorme Stärke in ihnen steckt. Kämpfe und Siege würde leichter fallen, wenn Beschäftigte ihre Stärke und ihre Solidarität sehen würden.
Doch es geht um mehr. Der Kapitalismus ist in eine Systemkrise geraten. Wenn er uns nicht alle in eine Mischung aus Inflation, Klimakrise, Kriegen, Konflikten und Armut stürzen soll, brauchen wir eine Alternative zu diesem System. Die Firmen in den niedersächsischen, Bremer und Hamburger Häfen gehören ebenso in öffentliche Hand wie Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Beschäftigte müssen dort demokratisch entscheiden können, nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht nach den Bedürfnissen der Kapitalgesellschaften.
Ein gutes Leben wird es für uns alle nur geben, wenn wir den Kapitalismus abschaffen und eine sozialistische Demokratie erkämpfen, in der wir alle demokratisch über die Verwendung des gesellschaftlich erwirtschafteten Reichtums entscheiden.