Buchtipp: „Schön ist die Nacht“ …

… aber nicht das Arbeiterleben

Wenn man einen biographischen Roman liest, ist man geneigt zu hinterfragen, was vom Erzählten wahr und was fiktiv ist. Während der Lektüre von Christian Barons neuem Roman “Schön ist die Nacht” fragte ich mich manchmal, ob der Autor nicht etwas dick aufträgt hinsichtlich der Dinge, die den Protagonisten, seinen Großvätern, widerfahren. Doch dann dachte ich an das Leben meiner Mutter, die aus derselben Generation stammt, wie Horst und Willy …. und ich dachte, egal was von der Geschichte wahr und was erfunden ist. Genau so kann es gewesen sein.

von Sascha Staničić

Barons Kindheitserinnerung “Ein Mann seiner Klasse” sind zurecht viel beachtet worden. “Schön ist die Nacht” verdient nicht weniger Aufmerksamkeit und scheint sie seit seiner Veröffentlichung auch zu bekommen. Das ist dem Autor zu gönnen. Nicht nur weil es ein großartiges Buch ist, sondern auch weil Christian Baron trotz des persönlichen Charakters seiner Bücher nicht sich oder seine Familie in den eigentlichen Mittelpunkt stellt, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Klassengesellschaft, die die Leben seiner Held*innen mehr prägen als irgend etwas sonst.

Horst und Willy sind dabei so etwas wie Anti-Helden. Zwei permanent Scheiternde, die in ihrem Kampf um etwas Stolz und Würde immer wieder letztere verlieren. Baron gelingt es diese Widersprüchlichkeit menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns so darzustellen, dass sie gar nicht als solche auffällt.

Dieses Buch muss ungeheuer viel Arbeit gewesen sein. Da schreibt jemand, der Jahrgang 198x ist, über die 1970er Jahre als ob er dabei gewesen wäre. Es gelingt ihm die Sprache der Zeit geradezu neu zu erfinden. Ich musste nicht selten Lächeln, als ich so manche in Vergessenheit geratene Redewendung oder Begrifflichkeit las. Doch nicht nur das. Er schreibt auch über die Maloche am Bau, als ob er selbst eine Zimmermannslehre absolviert hätte.

Es ist ein politisches Buch ohne erhobenen Zeigefinger. Ein Buch über den alltäglichen Klassenkampf in Form des Kampfes derjenigen, die ganz unten sind, gegen die alltäglichen Widrigkeiten des Kapitalismus.

Es gibt wunderbare Dialoge und herrliche Reminiszenzen an die Roten Teufel vom Betzenberg. Man kann lächeln, manchmal lachen und oft möchte man weinen. “Der Teufel scheißt auf einen großen Haufen” dachte ich mehrmals, als Horst und Willy immer wieder ein neues Unglück widerfuhr.

Gibt es etwas auszusetzen? Vielleicht, dass es ein sehr männliches Buch ist. Zwei Männer als Hauptprotagonisten und die Erzählung immer aus der gedanklichen Perspektive eines der Beiden. Die Frauen kommen auf den ersten Blick nicht gut weg. Sie saufen, lassen ihre Kinder im Stich, drehen Pornos. Doch wenn man einen Moment darüber nachdenkt, sind die Frauen die stärkeren Charaktere dieser Geschichte. Nicht nur weil Christian Barons Urgoßmutter Hulda eine kluge und sympathische Kommunistin ist…..

Christian Baron unterstützt den Manifest-Verlag:
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