„Die fetten Jahre sind vorbei“

Kapitalist*innen und ihre feuchten Träume 

Die Kapitalist*innen hoffen auf ein Roll-Back bei vielen Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung. Noch sind sie vorsichtig, doch ihre alten Forderungen nach Arbeitszeitverlängerung und Einschränkung des Streikrechts bringen sie verstärkt in die öffentliche Debatte.

Von Marén Wiese, ver.di-Personalrätin in Rostock*

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger stimmte Ende Juni auf heftige Einschnitte ein: Mit der „Wohlstands – und Wohffühloase“ Deutschland sei jetzt erst mal Schluss. Allerdings durften die deutschen Unternehmen ein weiteres Jahr Rekordprofite einstreichen. Im Mai diesen Jahres wurde der größte jemals erreichte Quartalsgewinn für Unternehmen in Deutschland verzeichnet. Deutschlands Dollarmillionäre konnten 2021 ebenfalls ihr Gesamtvermögen um 7,4 Prozent auf 6,3 Billionen Dollar steigern. Für einige wenige gab es  – Corona und Krieg zum Trotz – ein  fettes Jahr nach dem anderen.

All das steht nun auf der Kippe, da die kapitalistische Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert. In dieser Situation wollen die Unternehmerverbände natürlich dafür sorgen, dass mögliche Kosten und Verluste nicht die Großaktionär*innen tragen, sondern die Masse der derjenigen, die den Reichtum durch ihre tägliche Arbeit überhaupt erst produziert haben – die Arbeiter*innenklasse. Dafür haben sie einige Forderungen in ihren Schubladen, die sie immer wieder anbringen und ihre Durchsetzung erwirken wollen. 

Länger arbeiten

Mit Verweis auf den Personalmangel in vielen Bereichen einerseits und der wachsenden Anzahl von Rentner*innen wird die Forderung nach einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit aufgebrüht: „Schaut man sich die demografische Entwicklung und die Belastungen der Sozial- und Rentenkassen an, dann sind die Reserven aufgebraucht…wir werden länger und mehr arbeiten müssen“, so der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall Stefan Wolf (spiegel online 1.8.22). Gleichzeitig wird bei jeder Gelegenheit darauf gepocht, dass die Sozial- und Rentenbeiträge bei vierzig Prozent gedeckelt werden müssten. Derselbe Stefan Wolf fordert in der Metalltarifauseinandersetzung eine Nullrunde, weil Arbeitsplätze in Gefahr seien. Zudem fordert er die rechtliche Möglichkeit, die Temperaturen in Büros auf 18 Grad oder noch weniger herunter zu drehen – er selbst muss ja nicht frieren. Auch die Wochenarbeitszeit wird ins Visier genommen. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, spricht davon, dass die 42-Stunden-Woche angeblich notwendig sei.

Welche Antwort nötig wäre

Das alles muss vehement zurück gewiesen werden. Das Renteneinstiegsalter gehört herab gesetzt anstatt erhöht. Viele Beschäftigte können die Belastung nicht mehr aushalten, da ihnen in ihren Jobs immer mehr abverlangt wird. Während sich die einen kaputt schuften und Personal fehlt, gibt es immer noch mehr als zwei Millionen Erwerbslose. Hier müsste eine nach Bedarf ausgerichtete gesellschaftliche Personalplanung mit gut bezahlten und sicheren Arbeitsplätzen anstatt kapitalistischem Chaos stattfinden. Die Besteuerung von Konzerngewinnen und vom obszönen Reichtum der oberen ein Prozent würden mehr als ausreichend Geld in die öffentlichen Haushalte spülen, um Investitionen und gezielten Personalaufbau, besonders in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Bildung, ÖPNV und Schienenverkehr zu finanzieren. Statt längeren Arbeitszeiten sollte in den Gewerkschaften diskutiert werden, wie das Ziel einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich erreicht werden kann. 

Den Kapitalist*innen ist klar, dass ihre Pläne Widerstand hervorrufen würden. Deshalb warf Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger im Zusammenhang mit dem Streik an den Seehäfen die Forderung nach Streikverboten in die Debatte, mit der Begründung, dass die Energiekrise und der Krieg in der Ukraine einen „nationalen Notstand“ rechtfertigen würden. Die DGB-Gewerkschaften müssen sich auf mögliche Angriffe  vorbereiten. Ein wichtiger Hebel wäre, jetzt einen „heißen Herbst“ gegen die aktuellen Preissteigerungen und das Abwälzen der Krisenlasten auf die Arbeiter*innenklasse zu organisieren, anstatt sich mit der Teilnahme an einer konzertierten Aktion mit Regierung und Bossen in einen schrittweisen, aber heftigen Abbau des Lebensstandards einbinden zu lassen. 

*= Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person

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