Wir müssen weiterkämpfen!
Mitte Oktober hatte unser Gesundheitsminister Karl Lauterbach mal wieder einen seiner schon fast wöchentlichen Fernsehauftritte. Dieses Mal war er im Morgenmagazin vom ARD/ZDF zu sehen. Lauterbach bewarb dort seine geplante Krankenhausreform.
von Anne Pötzsch, Gesundheits- und Krankenpflegerin für Intensivmedizin und Medizinstudentin, Dresden
Gestaltet wird diese Reform von einer Regierungskommission, die im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart worden war. Die Zusammensetzung dieser Kommission ließ einen schon im Frühjahr die Stirn runzeln – 14 Professor*innen, Führungskräfte des Sana-Konzerns, Chefärzte, Sozialrechtler*innen. Aber niemand aus Gewerkschaft, Pflege oder Berufsverbänden. Dass diese neue Reform keine Systemverbesserung bringen wird, war schon damals klar. Nun erklärte vor einigen Wochen Lauterbach dem morgendlichen Publikum, dass man Pflegekräfte effizienter einsetzen müsse, so als seien sie Werkstücke oder Maschinen. Er erzählte davon, dass mehr operative Eingriffe ambulant vorgenommen werden müssten, damit weniger Pflegekräfte Nachtdienste machen müssten, da es weniger zu betreuende Patient*inne in der Nacht gäbe. Dass die ambulanten Bereiche genauso schlecht personell ausgestattet sind, bleibt schier unerwähnt.
Fallpauschalensystem
In einem anderen Beitrag des ZDF sagte er, dass die Fallpauschalen (DRG’s) mit einer der neuen Reformen überwunden werden. Lauterbach führte Anfang der 2000er als Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen selbst die Fallpauschalen ein, um Gelder zu sparen und die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Leider hätte sich, so Lauterbach, das DRG-System verselbstständigt und zu Zeiten der Einführung wäre das Profitstreben noch nicht so hoch gewesen.
Lauterbach möchte zudem Krankenhäuser schließen. Vor allem in Ballungsgebieten sieht er eine Überversorgung. Auf die Einwände der Moderation, dass sich immer wieder Klinken von den Leitstellen abmelden müssen, weil die Aufnahmekapazitäten ausgeschöpft und die Intensivstationen voll belegt seien, behauptet Lauterbach, dass dies immer nur kurzfristige Ausnahmen sein. Ob Herr Lauterbach bei dieser Aussage nur dreist lügt oder es einfach nicht besser weiß, kann man nicht sagen. Doch muss einmal klargestellt werden, dass dies keine Ausnahmen sind, sondern die tägliche Realität. In Berlin ist es gang und gäbe, dass Rettungswagen durch mehrere Bezirke fahren müssen, bis sie freie Klinken anfahren können. Teils finden die Leitstellen keine freien Plätze und der Rettungsdienst ist dann gezwungen, in überlastete Kliniken zu fahren.
Personalmangel
In Antwort auf die Frage des mangelnden Personals und wie er dies (wieder) ins System holen möchte, geht Karl Lauterbach ausschließlich auf das Studium von Mediziner*innen ein. Jährlich müssten 5000 mehr Studierende in das Studium der Humanmedizin, um künftig die steigende Versorgungsnachfrage, auch durch den demografischen Wandel, abzufangen. Lauterbach verweist dabei auf die Verweigerung der Länder, mehr Studienplätze zu schaffen, da ihnen die Kosten zu hoch seien.
Das Studium der Medizin ist einer der teuersten Studiengänge. Die Kosten für die Bundesländer pro Student*in belaufen sich laut Statistischem Bundesamt auf 170.500 Euro. Die Länder werden damit allein gelassen. Der Bund müsste sich an den Kosten der Universitäten beteiligen, um die Versorgungssicherheit auch in ländlichen Gebieten in Zukunft sichern zu können – anstatt zum Beispiel weitere Milliarden Euro in die Rüstung zu schießen.
Mehr Personal nötig!
Mit PPR 2.0 (Pflegepersonalregelung), einem weiteren Gesetz der Krankenhausreform, soll ein Personalbemessungssystem eingeführt werden, welches den reellen Personalaufwand misst. Mit dieser Messung soll dann der Personalbedarf ermittelt werden. Bei Unterschreitung soll es aber, anders als bei den zuletzt in verschiedenen Kliniken abgeschlossenen Tarifverträgen, keine Entlastungen für das Pflegepersonal geben. Auch ist die PPR 2.0 ausschließlich für bettenführende Stationen/Bereiche vorgesehen. Kreißsäle, Rettungsstellen und ambulante Bereiche in den Klinken werden nicht beachtet, obwohl diese Bereiche ebenfalls Entlastung und gesicherte Personalbesetzungen benötigen. Auch hat die Regierungskommission in ihrem Gesetzesentwurf aufgenommen, dass Tarifverträge für Entlastung oder ähnliche Vereinbarungen die gesetzlichen Vorgaben ersetzen und diese sogar unterlaufen können. Somit steht Arbeitgeber*innen die Möglichkeit offen, mit Pseudogewerkschaften schlechte Tarifverträge abzuschließen und diese Personalvereinbarungen unterhalb der gesetzlichen Vorgabe durchzusetzen.
Die Pflege und viele anderen Berufe in den Kliniken benötigen aber nicht nur gesetzliche Vorgaben der Versorgungsqualität, sondern auch bessere Vergütungen, bessere Arbeitszeitmodelle, bessere Perspektiven fürs Alter, Gesundheitsschutzmaßnahmen, Freiräume für gute praktische Ausbildung und vor allem ein Mitspracherecht an der Gestaltung ihrer Arbeit. Es muss wieder zur Perspektive werden für junge Menschen, in die Pflege zu gehen und dort ihr gesamtes Berufsleben verbringen zu können. Der Beruf in der Pflege muss über Jahrzehnte ausführbar bleiben und den Arbeiter*innen nicht schon nach wenigen Jahren ein Burn-Out oder Bandscheibenvorfall bringen.
Fazit
Mit seinen geplanten Reformen reiht sich ein Karl Lauterbach in zahlreiche Fehlversuche, die Bergabwärtsfahrt im Gesundheitssystem zu stoppen, ein. Er setzt weiterhin auf Sparmaßnahmen und Kosteneffizienz, die zu Lasten der Patient*innen und Arbeiter*innen gehen. Die Regierungskommission für die Krankenhausreformen ist schon in der Zusammensetzung eine reine Katastrophe. Pflegekräfte, Hebammen, Therapeut*innen und praktizierende Ärzt*innen fehlen genauso wie Gesundheitswissenschaftler*innen und Gewerkschaften.
Ein weiteres Mal wird bewiesen, dass es erst im Gesundheitssystem zu signifikanten Änderungen kommen kann, wenn alle Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtung in öffentlichem Eigentum und durch Vertreter*innen aus den Beleg- und Gewerkschaften, Kommunen und Patient*innen demokratisch kontrolliert und verwaltet werden. Jegliches Profitstreben müsste verbannt werden und die Daseinsvorsorge ohne Kostendruckdurch den Staat ermöglicht werden.
Die Gewerkschaft ver.di sollte mit Unterstützung des DGB den Kampf für Tarifverträge für Entlastung mit einer großen gesellschaftlichen Kampagne verbinden – für ein Gesundheitssystem nach Bedarf statt nach Profitinteressen, für ausreichend Personal auf der Grundlage von besserer Bezahlung und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, für Milliarden in das Gesundheitssystem anstatt in Rüstung. Um eine solche Kampagne zu diskutieren und zu planen, sollten Aktive aus den Kämpfen der letzten Jahre auf einer Konferenz zusammengebracht werden.