Rechtsruck in Europa?

Photo: Jose Antonio/CC

Linke Antworten auf Wahlerfolge rechter Populist*innen nötig

Bei einigen Wahlen in den letzten Monaten konnten rechtsnationalistische Kräfte bedeutende Wahlerfolge verzeichnen. In Italien stellen die „postfaschistischen“ „Brüder Italiens“ (FDI) die Premierministerin. In Schweden wurde die rechtspopulistische Partei „Schwedendemokraten“ mit 20,5 Prozent zweitstärkste Kraft und auch in Deutschland steigt die AfD in den Umfragen. Bedeutet das, dass wir einen neuen Rechtsruck in Europa erleben?

von Caspar Loettgers, Mainz

Der europäische und weltweite Kapitalismus befindet sich in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Die Lebensgrundlage von Millionen Menschen schmilzt förmlich dahin und für viele scheint ein Ausweg aus der Krise nicht in Sicht. Unzufriedenheit und auch Unsicherheit breitet sich in Europa aus, mit unterschiedlichen nationalen Prägungen. Eins haben die meisten europäischen Länder jedoch gemeinsam: Die Krise erschüttert das politische System vieler Länder bis zum Kern. Wenn man blind mit seinem Finger auf eine europäische Karte zeigen würde, wäre es unmöglich ein Land zu treffen, dessen politisches System nicht in einer Krise steckt. Es genügt nur ein Blick auf das britische Premierminister*innen-Chaos, um zu merken, in welch einer Unordnung die politischen Vertreter*innen des Kapitalismus stecken. 

Krise der etablierten Parteien

Dabei hat die pro-kapitalistische Politik dieser „etablierten“ Parteien dem Aufstieg rechtspopulistischer Kräfte den Weg geebnet. Nicht nur ist diese selbst oft rassistisch oder nationalistisch. Ihr Umgang mit den zahlreichen Krisen der letzten Jahrzehnte zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass man die Profitinteressen der Reichen und Mächtigen vor alles andere setzte. Sie haben keine Lösung für die sozialen Probleme und viele Menschen haben die Schnauze voll. In Italien führte die Sparpolitik der Regierung zu katastrophalen Situationen in den ärmeren Regionen und Stadtteilen. 

Versagen von “Linken”

Die Wahlerfolge markieren aber keinen allgemeinen Rechtsruck in Europa, sondern sind ein Ausdruck wachsender Polarisierung. Dass diese gerade selten einen linken organisierten Ausdruck findet, hat auch etwas mit dem Versagen der „linken“ Parteien und Formationen zu tun, die im Zuge der letzten Finanzkrise entstanden sind. Im Falle der griechischen Syriza vollzog sich dieser Prozess sogar in einem offenen Verrat, als sie sich, nachdem sie die Regierung stellte, dem Spardruck der EU beugte. In vielen Ländern ist in der Frage, wer eine politische Alternative zum bestehenden System und seinen Parteien darstellt, ein Vakuum entstanden. Dieses Vakuum wird zum Teil von rechtspopulistischen Parteien genutzt. Dabei muss man jedoch vorsichtig sein, ihre Wahlerfolge nicht automatisch als Wachstum ihrer Unterstützung zu bewerten. In Italien stimmten lediglich 17 Prozent für die „Brüder Italiens“ (FdI), wenn man die 16 Millionen Nichtwähler*innen einbezieht. Andere rechte Parteien wie die Lega verloren sogar Stimmen. In Italien kam es daher eher zu einer Verschiebung der Kräfte innerhalb der politischen Rechten, nicht aber zu einem quantitativen Wachstum. 

Auch wenn sich diese Kräfte gerne als Anti-Establishment inszenieren, bieten sie keine wirkliche Alternative an. Im Grunde verschleiern sie die Probleme mit ihrer Hetze, um politische Unterstützung zu erlangen (ebenso wie es andere pro-kapitalistische Politiker*innen von Zeit zu Zeit tun). Sobald sie an der Macht sind, setzen sie jedoch knallharte Politik im Interesse der Reichen durch. Dadurch geraten sie früher oder später aber in Widerspruch mit den sozialen Interessen vieler ihrer Wähler*innen. Linke und Gewerkschaften müssen deshalb den Kampf gegen Rechts mit dem Kampf gegen die unsoziale Politik der Rechtspopulist*innen und der Etablierten verbinden – und das am besten, bevor erstere an die Regierung kommen. 

Droht jetzt der Faschismus?

Wenn wie in Italien Kräfte wie die FdI an die Regierung kommen, bedeutet das aber trotz deren historischer Tradition nicht, dass damit der Faschismus gesiegt hat. Faschismus ist ein besondere Form reaktionärer Herrschaft. So entstanden in Italien oder Deutschland in den 1920er Jahren Parteien, die Schlägertrupps organisierten, die gezielt gegen die Organisationen der Arbeiter*innenbewegung vorgingen und versuchten diese auszulöschen. Der russische Revolutionär Leo Trotzki schrieb damals über den Faschismus: 

“Faschismus ist nicht nur ein System der Unterdrückung, der Gewalttaten, des Polizeiterrors. Der Faschismus ist eine besondere Form des Staatssystems, das auf der Ausrottung der Elemente der Arbeiterdemokratie innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft beruht. Die Aufgabe des Faschismus besteht nicht nur darin, die Führung der Arbeiterbewegung zu zerschlagen, sondern die gesamte Arbeiterklasse zu atomisieren und sie in diesem atomisierten Zustand zu halten.“

In einer solchen Situation befinden wir uns noch nicht. Doch wenn es keine linke Alternative gibt, können rechtspopulistische Kräfte die aufgestaute Wut aus bestimmten Schichten der Arbeiter*innenklasse und Mittelschichten aufgreifen und in die falsche Richtung lenken.

Nährboden bekämpfen

Das soll nicht bedeuten, dass die Gefahr, die von rechts zur Zeit ausgeht, zu unterschätzen ist. In Italien prügelten Faschist*innen vor Wochen einen Mann aus Nigeria auf offener Straße zu Tode. Durch rechte Wahlerfolge fühlen sich faschistische Kräfte ermutigt, offener und brutaler aufzutreten. Zur Not werden sie auch noch von der Staatsmacht geschützt. An der Regierung können FdI und Co. ihre Hetze in Gesetze gießen und demokratische Rechte einschränken. Für viele Menschen ist die Gefahr sehr real, die von diesen Kräften ausgeht. Der Kampf gegen diese Gefahr muss geführt werden, sich aber auch gegen ihren sozialen Nährboden richten. Umso wichtiger ist es, eine klar sozialistische Alternative aufzubauen, die sowohl den Rechten den Kampf ansagt, aber auch einen Ausweg aus dem kapitalistischen Chaos zeigt.