NRW: Schwarz-grüne Landesregierung plant Räumung von Lützerath

Foto: Von AlanyaSeeburg - Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117405257

Ein klimapolitisches Massaker

Die Grünen (und andere) wollen das von Klima-Aktivist*innen besetzte Dorf Lützerath zerstören, um den Braunkohle-Tagebau Garzweiler II zu vergrößern. Damit zementieren sie vor allem, wie unwichtig ihnen die Einhaltung des 1,5°C-Ziels ist, wenn es darum geht die „Industriestandorte“ Deutschland und speziell NRW mit billiger Energie zu versorgen – und die Profite von RWE hoch zu halten. Jetzt machen sie ernst: Seit dem zweiten Tag des neuen Jahres werden Polizei-Hundertschaften um das Dorf zusammengezogen. Sie schikanieren Aktivist*innen, greifen deren Infrastruktur an und bereiten die völlige Zerstörung dieses Symbols im Kampf gegen den Klimawandel vor. Die Aktivist*innen ihrerseits haben Alarm geschlagen, den „Tag X“ ausgerufen und bereiten sich auf harte Auseinandersetzungen vor.

Von Christian Walter, Aachen

Die herrschende Politik lässt sehenden Auges zu, dass weiter unverantwortlich viel Treibhausgas emittiert wird, womit der Klimawandel weiter befeuert wird. Deutschland trägt dazu munter bei: Die deutschen Treibhausgas-Emissionen sind auf einem Niveau, das jede ernsthafte Diskussion über das Erreichen von Klima-Zielen wie einen schlechten Scherz aussehen lässt. Manche freut’s: Entsprechend hoch sind die Gewinne der Mineralölkonzerne, der Energiekonzerne und vieler Konzerne aus der Schwerindustrie, die große Mengen Energie verbrauchen. RWE beispielsweise – der Energiekonzern, der scharf auf die Kohle unter Lützerath ist – rechnet aus 2022 mit einem Brutto-Gewinn von bis zu 5,5 Milliarden Euro. Auch bei anderen Konzernen gehen die Gewinne in die Milliarden – und das in Zeiten allgemeiner Preissteigerungen.

Kohle schafft Profit

Anteil an den fetten Gewinnen von RWE hat die Entscheidung der Bundesregierung, eigentlich längst abgeschaltete Kraftwerksblöcke wieder hochzufahren. Begründet wurde das – wie so vieles – mit dem Ukraine-Krieg und den Problemen, an Gas als Energieträger zu kommen. Unter den wieder hochgefahrenen Kraftwerksblöcken sind auch mehrere, die Geld auf die Konten von RWE spülen, so geschehen in Neurath und Niederaußem. Diese wiederum liefern billige Energie für die nordrhein-westfälische Schwerindustrie – zu Konditionen, von denen Privat-Verbraucher*innen nur träumen können. Zwar bescheinigt eine Studie, dass selbst bei jahrelanger ungewöhnlich starker Auslastung der Kohle-Kraftwerke auf die Kohle unter Lützerath verzichtet werden kann. Trotzdem soll geräumt und zerstört werden. Verantwortliche Minister*innen der Düsseldorfer Landesregierung verteidigen das. Nicht verwunderlich beim Innenminister Herbert Reul, der bereits für die Räumung des Hambacher Forsts 2018 verantwortlich war. Der damalige Polizeieinsatz war der Größte in der Geschichte Nordrhein-Westfalens: Über Wochen wurden die Besetzer*innen im Wald belagert und angegriffen. Unzählige Menschen wurden verletzt, einer starb. Die Räumung erfolgte unter dem vorgeschobenen Grund des Brandschutzes – später wurde sie für illegal erklärt. Folgen für Reul oder andere Verantwortliche hatte das nicht. Neben diesem Hardliner des Grundrechtes auf Profit hat beispielsweise auch die Grüne Mona Neubaur, Wirtschafts- und Klimaministerin in NRW und Spitzenkandidatin bei der letzten Landtagswahl, die Räumung wiederholt als „alternativlos“ verteidigt. Durchgeführt werden soll die Räumung unter dem Befehl von Aachens Polizeipräsidenten Dirk Weinspach – einem Grünen.

Die Grünen: Zuverlässige Partner des Kapitals

Bei der Bundestagswahl 2021 konnten die Grünen mit 14,8 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl erringen. In Nordrhein-Westfalen konnten sie bei der Landtagswahl 2022 mit 18,2 Prozent der Stimmen ihren Anteil im Vergleich zur Landtagswahl 2017 fast verdreifachen. Viele Akteur*innen aus der Klima-Bewegung haben mal offener, mal subtiler Wahlkampf für die vermeintliche Klima-Partei gemacht und damit maßgeblich zu ihren Wahlergebnissen beigetragen. Die Grünen sind seitdem Teil der Regierung – im Bund regieren sie mit SPD und FDP, in NRW mit der CDU. Doch die Hoffnungen, mit grünen Minister*innen im Kampf um das Klima wirklich voranzukommen, haben sich als trügerisch herausgestellt – leider müssen wir feststellen dass unsere Warnungen vor Illusionen in die Grünen korrekt waren. Mittlerweile sind die Grünen so offen verkommen, dass sie die Räumung von Lützerath – dem Symbol-Ort für den Widerstand gegen den Klima-Killer Braunkohle – vehement fordern und verteidigen. Sie begehen ein klimapolitisches Massaker.

Klimaschutz wird erkämpft

Die guten Wahlergebnisse konnten die Grünen auch einfahren, weil sie sich offensiv als Klima-Partei dargestellt haben. Viele ihrer Mitglieder und Aktivist*innen glauben daran, manche gehen gegen die Politik „ihrer“ Minister*innen auf die Straße. Natürlich ist es ein offener Verrat an Wahlversprechen und Wähler*innen, was Grüne in Regierungsverantwortung tun. Das ist leider im aktuellen System nichts all zu ungewöhnliches. Doch das liegt nicht nur an fehlender Integrität der handelnden Personen. Vielmehr setzen die grünen Minister*innen konsequent das um, was im Kapitalismus nötig ist – vielleicht sogar ein klein wenig weniger klimaschädlich, als es bei Minister*innen von SPD, CDU oder FDP der Fall wäre (wobei der Unterschied gering ausfallen dürfte, sind diese Parteien doch in Bund und NRW Koalitionspartnerinnen).

Denn im Kapitalismus regierten die Profitinteressen der Konzerne. Und Großkonzerne machen viel Profit. Sie nehmen vielfältig Einfluss, beispielsweise stammen Gesetzestexte nicht selten aus der Feder von Lobbyist*innen. Und wenn die herrschende Politik sich trotzdem in den Kopf setzen sollte, Konzerne einzuschränken, gehen die schnell zu offenen Drohungen über: Dass Hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet würden, dass ganze Standorte geschlossen würden, dass der „Standort Deutschland“ geschwächt würde. In dieser sehr eingeschränkten Logik bewegt sich der Handlungsspielraum bürgerlicher Politik. Wir meinen stattdessen: Wenn uns der Kapitalismus keine lebenswerte Zukunft bieten kann ist der Kapitalismus nicht mehr zu gebrauchen. Wir brauchen keine Großkonzerne, die für ihren (sehr kurzfristigen) Profit bereit sind, unsere Zukunft zu opfern. Wir brauchen keinen chaotischen Markt, der nichts regelt, aber für viel Verschwendung sorgt. Stattdessen brauchen wir schleunigst die Umstellung der Wirtschaft auf die Bedürfnisse von Mensch und Natur – die unvorstellbar großen wirtschaftlichen Potenziale, die Gelder, das Wissen, all das, was heute von einigen Wenigen gehortet wird, könnte genutzt werden um die Wirtschaft schnell und konsequent klimaneutral umzubauen – ganz ohne dass Millionen arbeitslos werden oder Massen in Armut gestürzt werden.

Aber dafür ist es nötig, zu kämpfen und jedes Vertrauen in Grüne oder andere Vertreter*innen des Kapitalismus abzuwerfen und stattdessen an der Überwindung des Kapitalismus zu arbeiten!

Klimakampf ist Klassenkampf

Beschäftigte von RWE und anderen klimaschädlichen Konzernen fürchten zurecht um ihren Job, hat er doch keine Zukunft. Der Kohle-Ausstieg ist besiegelt – wenn er auch viel zu spät kommt. Für ganze Regionen stellen sich existenzielle Fragen. Die Antworten von Kapital und Regierung sind simpel und verachtenswert: Frührente, „Strukturwandel“ – kurz: Es soll Erleichterungen geben, damit sich andere Unternehmen (also potenzielle Arbeitgeber) ansiedeln, damit sich Kolleg*innen, die ihren Job verlieren, dort bewerben können. Man soll also in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, um auf dem „Arbeitsmarkt“ sein Glück zu versuchen. Nachdem man oft Jahrzehnte zu Milliardenprofiten beigetragen hat, ist man plötzlich auf sich gestellt. Und oft wird diese Suche nicht glücken, Arbeitslosigkeit und perspektivisch Hartz IV drohen. Kein Wunder, warum Teile der Beschäftigten aus klima-schädlichen Branchen sich gegen Klimaschutz-Maßnahmen stemmen und „ihre“ Branchen verteidigen – droht doch ein massiver sozialer Abstieg.

Leider erzählt die Gewerkschaft IGBCE im Wesentlichen das Gleiche. Doch eine linke Antwort muss anders aussehen! Wir brauchen eine Zukunft – dazu gehört ein Planet mit einem Klima, das uns nicht alle paar Wochen ein potenziell tödliches Extremwetter beschert. Aber dazu gehört auch ein Job mit einem Einkommen, mit dem man sich und seine Familie gut durchbringen kann. Und dafür ist auch genug Geld da – dieses landet nur Jahr für Jahr in den Taschen der Superreichen! Deswegen fordern wir radikalen Klimaschutz und entsprechend den schnellstmöglichen Ausstieg aus Kohle, Gas und anderen fossilen Energieträgern – aber auf Kosten der Profiteure, nicht der Beschäftigten! Sie sollten, finanziert aus den Gewinnen der Konzerne, gleichwertige Ersatz-Arbeitsplätze in ihrer Region garantiert bekommen, wenn nötig sollten bei gleichen Gehältern Umschulungen angeboten werden. Mit solchen Forderungen könnten Feindschaften zwischen Beschäftigten und Klima-Bewegung abgebaut werden und eine gemeinsame, klassenkämpferische Bewegung geschaffen werden, die sich mit den wirklichen Klima-Killern anlegt: Den Kapitalist*innen und ihrem zerstörerischen System!

Die Krise sozialistisch lösen!

Unsere Alternative ist eine sozialistische Demokratie. Das heißt, dass die Konzerne nicht mehr irgendwelchen Leuten gehören, die reich geboren wurden oder besonders gut ausbeuten können. Stattdessen ist die Wirtschaft Gemeineigentum und wird von den Arbeiter*innen und Verbraucher*innen demokratisch kontrolliert und verwaltet. Ebenso sollte die ganze Gesellschaft demokratisiert werden – wir meinen, dass statt abgehobenen Parlamenten lokale Räte auf allen Ebenen geschaffen werden sollten, wo diejenigen, die es betrifft, selbst über ihr Leben bestimmen können. Das ist entscheidend, um Maßnahmen einzuleiten die im Interesse der Mehrheit sind – wie beispielsweise radikaler Klimaschutz. Viele „kleinere“ Entscheidungen können sehr dezentral gefällt werden – dabei kommen oft die besten Entscheidungen heraus, denn niemand kennt die eigenen Lebens- und Arbeitsumstände besser als man selbst. Andere Entscheidungen, wie die nach der richtigen Klima-Politik, sollten bestenfalls auf der ganzen Welt zumindest in groben Zügen einheitlich sein – was nur möglich sein wird wenn es übergeordnete Strukturen gibt. In einer sozialistischen Welt wäre das – anders als unter kapitalistischen Vorzeichen – überhaupt erst möglich, denn der Wettbewerb zwischen verschiedenen Ländern um vermeintlich ideale „Standortvorteile“ – sprich billige Bedingungen für das Kapital – macht jeder ernsthaften Klimaschutz-Anstrengung einen Strich durch die Rechnung.

Diese skizzierte Gesellschaftsordnung hat wenig mit den stalinistischen Gesellschaften im ehemaligen Ostblock zu tun, die zu Unrecht sozialistisch genannt wurden. Da gab es zwar keine Konzerne und keine Kapitalist*innen, aber eine bürokratische Kaste, die die politische Macht auf sich konzentrierte – und viele Privilegien genießen konnten. Wir sind stattdessen dafür, dass alle Vertreter*innen der Menschen in Stadtteilen oder Betrieben jederzeit wähl- und abwählbar sowie rechenschaftspflichtig sein müssen und aus ihrem Amt keine materiellen Privilegien ziehen dürfen.

Klar ist, dass uns eine solche Gesellschaft nicht geschenkt wird. Klar ist auch, dass der Kapitalismus uns geradewegs in die Klima-Katastrophe führt. Es braucht eine radikale Wende. Die müssen wir erkämpfen. Alle, die mit uns das Grundübel – den Kapitalismus – beseitigen wollen, rufen wir auf: Organisiert euch mit uns, lasst uns das zusammen tun! Sprecht oder schreibt uns bei Interesse an.

Lützerath verteidigen!

Der kleine Ort Lützerath ist jetzt akut räumungsbedroht. Er ist ein Symbol für den Widerstand gegen die Nutzung von Braunkohle und anderen fossilen Energieträgern, aber auch ein faktisches Bollwerk, das RWE daran hindert an riesige Mengen Braunkohle zu kommen. Kommt RWE nicht daran, kann die Kohle auch nicht in Kraftwerken verfeuert werden. Stattdessen bleibt sie dort, wo sie am besten aufgehoben ist: Im Boden. Damit ist der Kampf um Lützerath – wie der Kampf um den Hambacher Forst vor einigen Jahren – auch der Kampf gegen das rheinische Braunkohlerevier, die größte CO2-Schleuder Europas.

Aktivist*innen halten das Dorf besetzt. Gegen tausende von Polizist*innen mit klarem Zerstörungsauftrag können sie natürlich nicht bestehen. Aber mit Massenprotesten kann die Situation schon ganz anders aussehen. Am 14.1. gibt es vor Ort eine Großdemo, zu der bundesweit aufgerufen wird. Wir rufen ebenfalls zur Teilnahme auf, werden dort gegen die herrschende Klima-Politik protestieren und für unser sozialistisches Programm werben. In den Tagen davor und den Wochen danach wird es weitere Aktionen geben. Einen Überblick gibt es auf der Webseite vom lokalen Bündnis.

Um ein lebenswertes Klima zu erhalten fordern wir:

– Hände weg von Lützerath! Alle Dörfer bleiben!

– Sofortige Einstellung des Braunkohleabbaus! Schnellstmögliche Abschaltung der Kohle-Kraftwerke! Dafür:

— Energie einsparen: Abbau von vermeidbarer Überproduktion! Kriegsindustrie abschalten!

— Schnellstmöglicher Ausbau erneuerbarer Energien, Intensivierung der Forschung zu ihrer Verbesserung!

– Garantierte Beschäftigungssicherung zu mindestens gleichwertigen Konditionen für alle, deren Jobs dadurch gefährdet sind!

– Wege aus dem Individualverkehr schaffen: 9-Euro-Ticket im Regionalverkehr wieder einführen! Kostenloser Öffentlicher Nahverkehr; drastische Preisreduzierungen beim Fernverkehr der Bahn – finanziert durch die Profite der Banken und Konzerne! Massive Investitionen in den Ausbau der Schieneninfrastruktur, in moderne komfortable Züge, in Wartung und Personalaufbau!

– Überführung der Energie-, Auto- und Industriekonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch gewählte Vertreter*innen aus den Reihen der Beschäftigten, Gewerkschaften, Verbraucher- und Umweltschutz-Organisationen und des Staats! Umstellung auf eine ökologisch sinnvolle Produktion!

– Für eine antikapitalistische Klimabewegung und eine klassenkämpferische Gewerkschaftsbewegung, die gemeinsam gegen den Kapitalismus statt gegeneinander kämpfen!

– Das Übel an der Wurzel ziehen: Überwindung des Kapitalismus und Ersetzung durch eine sozialistische Demokratie, in der sich die Wirtschaft an den Bedürfnissen von Mensch und Natur orientiert.

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