ver.di leitet in der Tarifrunde der Post Urabstimmung ein

Für einen Erzwingungsstreik für die volle Durchsetzung der Forderungen!

Die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Post und ver.di sind in der dritten Verhandlungsrunde am 10. Februar gescheitert. Nun wird eine Urabstimmung zur Aufnahme von unbefristeten Streiks eingeleitet.

Von einem Beschäftigten bei der Post

Die Deutsche Post fährt in der Öffentlichkeit eine widersprüchliche Argumentation auf. Die Lohnforderung von ver.di nach 15 Prozent mehr Lohn wird einerseits trotz Milliardengewinnen als „realitätsfern“ zurückgewiesen. Andererseits soll nun suggeriert werden, das Angebot der Post toppe die Forderungen von Ver.di mit Lohnerhöhungen von „in der Spitze bis zu 20,3 Prozent“. Bei den Lohnerhöhungen für Azubis und Dual Studierende trifft es tatsächlich zu, dass die DP AG formal über die Forderungen von ver.di hinausgegangen ist. Ver.di forderte für diese Beschäftigtengruppen rund 200 Euro mehr im Monat, während die Deutsche Post nun eine Festgelderhöhung von insgesamt 340 Euro für alle Beschäftigten inklusive den Azubis und Dual Studierenden anbietet.

Dreistes Angebot

Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das Angebot der Post als Mogelpackung und Reallohnverlust für alle Beschäftigten. Denn für 2023 soll es für alle nur eine monatliche „Inflationsausgleichsprämie“ geben, die als eine Lohnerhöhung von umgerechnet 8,7 Prozent verkauft wird. Die von der Bundesregierung eingeführten steuerfreien Einmalzahlungen in Höhe von 3000 Euro sollen über 24 Monate aufgesplittet in Höhe von monatlich 150 Euro netto im Jahr 2023 und 100 Euro netto im Jahr 2024 ausgezahlt werden. Das ist viel zu wenig, um die aktuellen Preissteigerungen auch nur annähernd abzudecken. Denn für die Masse der Beschäftigten wirken sich die viel stärker gestiegenen Preise bei Lebensmitteln und Energie enorm aus und sind die Lebenshaltungskosten wesentlich stärker als die rechnerische Inflationsrate angestieben. Die 150 Euro wären nicht tabellenwirksam. Damit hätten sie auch keine positive Auswirkung auf Berechnungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Betriebsrente, Krankengeld.

Erst ab dem Jahr 2024 werden überhaupt Tabellenerhöhungen für die Beschäftigten mit 150 Euro brutto mehr ab Januar 2024 und einer zweiten Erhöhung ab Dezember 2024 in Höhe von 190 Euro brutto auf die jetzigen Tabellenwerte angeboten – nach mehr als zwei Jahren hoher Inflation, in der die Löhne der Kolleg*innen bei der Deutschen Post nicht anstiegen.
Von diesen Bruttoerhöhungen bleibt für viele gerade mal die Hälfte netto übrig.

Zusätzlich beträgt die angebotene Laufzeit 24 Monate und ist angesichts der aktuellen Lage viel zu lang. In Zeiten von Inflation bedeutet es, dass die Kolleg*innen bei der Deutschen Post trotz weiterhin hoher Inflation sich erst ab 2025 wieder gegen Angriffe auf ihr Lohnniveau wehren könnten. Angesichts der weiterhin hohen Inflationsrate und der Unsicherheiten über die weitere Entwicklung ist es deshalb wichtiger denn je, die Laufzeit von zwölf Monaten durchzusetzen und keine längere Laufzeit zu akzeptieren.

Unbefristeter Vollstreik

Die ver.di-Tarifkommission hat dieses enorm schlechte Angebot abgelehnt und nun die Urabstimmung zur Durchführung eines unbefristeten Erzwingungsstreiks eingeleitet. Das ist nur folgerichtig, denn die kämpferische Stimmung und hohe Streikbeteiligung bei den Warnstreiks mit über 100.000 Teilnehmer*innen zeigt, dass die Kolleg*innen nicht bereit sind, Reallohnverluste bei Milliardengewinnen und -dividenden für Aktionäre zu akzeptieren.

Es ist ein Fortschritt (gegenüber dem Arbeitskampf bei der Post 2015), dass mit der Urabstimmung die Gewerkschaftsbasis demokratisch über das Ergebnis und die Einleitung des Streiks abstimmt wird. Doch um die kommenden harten Auseinandersetzungen zu gewinnen, sind weitere Schritte hin zu einer demokratischen Organisation des Streiks unter Einbeziehung aller Kolleg*innen notwendig. Dazu gehört die Durchführung regelmäßiger Streikversammlungen zur Information und Diskussion unter den Kolleg*innen. Auf diesen Streikversammlungen sollten Streikdelegierte gewählt werden, die lokal zusammen kommen und die nächsten Kampfschritte diskutieren.

Am effektivsten ist ein unbefristeter Vollstreik, bei dem die streikenden Beschäftigten jeden Tag zusammen kommen und nicht in Streikpausen von den Vorgesetzten unter Druck gesetzt werden. Außerdem sollte ein Streikprogramm erarbeitet werden, um während des Streiks viele gute öffentlichkeitswirksame Aktionen zu haben. Dazu haben sich bei anderen Streiks wie in den Krankenhäusern auch Workshops bewährt. Hier könnte über die Geschichte von Streiks referiert und diskutiert werden und vieles mehr. Außerdem sollten verschiedene Formen von Protesten und gegenseitigen Streikbesuchen – auch mit den Kolleg*innen im öffentlichen Dienst oder anderen Bereichen, die sich in Tarifauseinandersetzungen befinden – geplant werden.

Als weiterer Schritt sollten bundesweite Streikdelegiertenkonferenzen durchgeführt werden, so wie ver.di sie beim bundesweiten vierwöchigen Erzwingungsstreik 2015 im Sozial- und Erziehungsdienst eingerichtet hat. Jedes Angebot sollte zunächst auf den lokalen Streikversammlungen und bei solch einer bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz ausführlich dargestellt, diskutiert und abgestimmt werden. Erst auf dieser Grundlage sollte die Bundestarifkommission darüber entscheiden. Ohne Zustimmung der Streikenden für ein Ergebnis sollte es keinen Streikabbruch geben.

Streiks verbinden

In den kommenden Wochen und Monaten werden ebenfalls Streik- und Protestaktionen bei der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst – wie an den Flughäfen, in den Kitas, Krankenhäusern, Teilen des Nahverkehrs, Stadtreinigung und vielen mehr – stattfinden. Dazu kommen die Kolleg*innen der EVG bei der Bahn, die eine starke Forderung von zwölf Prozent und mindestens 650 Euro aufgestellt haben. Außerdem beginnen die Tarifverhandlungen im Einzelhandel.

Wie in Großbritannien und Frankreich gesehen können auch hierzulande hunderttausende Kolleg*innen auf die Straße gebracht werden. Das wäre ein Signal der Stärke von Gewerkschaften! Damit kann auch klar gemacht werden: die Beschäftigten sind nicht bereit, für die Kosten dieser Krise zu zahlen und fähig, sich kollektiv zu wehren. Es bietet sich die Chance, die Tarifrunden miteinander zu verbinden und dass alle auf die Straße gehen, um gemeinsam für höhere Löhne zu kämpfen. Möglichkeiten sind die Organisation von gemeinsamen Streiks und Protestaktionen.

Mit der Einleitung eines unbefristeten Erzwingungsstreiks bei der Post kann eine Dynamik bei den weiteren Tarifrunden hin zu einer echten Streikbewegung entstehen. Schon wird in den Medien massive Propaganda gegen die Streikziele gemacht. Als Reaktion auf die Streiks im öffentlichen Dienst hat nun die Mittelstands-Union in der CDU – ähnlich wie die Tory-Regierung in Großbritannien – eine Einschränkung des Streikrechts für „kritische Infrastruktur“ ins Spiel gebracht. Die Abwehr solcher Angriffe wird eine gute Vorbereitung und Solidarität aller DGB-Gewerkschaften erfordern.

Einschüchterungsmaßnahmen kontern

Erste Einschüchterungsversuche der DP AG haben bereits begonnen. So wurde schon in den Wochen vor der dritten Verhandlungsrunde medial das Gerücht platziert, dass die Deutsche Post das Briefgeschäft in Deutschland aufgeben könnte und bis zu 220.000 Arbeitsplätze in Gefahr stünden. Bereits 2015 wurde in der damaligen Tarifrunde ebenfalls mit einer Aufgabe des Geschäftsbereichs gedroht, um Kolleg*innen einzuschüchtern. Ausgliederungen sind immer möglich, weil auch die Post ein profitorientiertes Unternehmen ist. Sich dagegen zu wehren ist aber vor allem mit einer kampfstarken und kampferfahrenen Belegschaft möglich. Gerade, wenn es gelingt, in dieser Tarifrunde einen Erfolg durchzusetzen, sind die Voraussetzungen umso besser, sich auch gegen drohende Ausgliederungen, Tarifflucht oder Arbeitsplatzabbau zu wehren. Zudem würde ein Erfolg in diesem Tarifkampf die Deutsche Post AG am ehesten abschrecken, eine Ausgliederung vorzunehmen.

Gegen die Profitlogik muss die Position der Gewerkschaft sein, dass die Post als flächendeckender Anbieter von Brief- und Paketzustellung nicht dauerhaft profitabel sein kann, ohne auf Kosten der Qualität und Preisen sowie mittels Arbeitsintensivierung beim Personal einzusparen. Sollte die Deutsche Post AG in Zukunft ernst machen und das Briefgeschäft abstoßen wollen, so muss die Antwort von Ver.di sein, einen konsequenten Kampf gegen die Ausgliederung zu organisieren.

Die belastenden Verhältnisse in der gesamten Branche der Post-, Kurier- und Expressdienste sind Folge der Privatisierung der Post und der Aufhebung des staatlichen Postmonopols in den 90er Jahren. Die Postbetriebe und andere Zustellbetriebe wie UPS, DPD, Hermes usw. sollten rückverstaatlicht werden und alle in der Branche Beschäftigten, einschließlich der bei Sub-Unternehmen, einen festen Platz in einem staatlichen Postbetrieb erhalten. Ein solches sollte durch gewählte VertreterInnen aus Belegschaft, Gewerkschaft und Postkunden demokratisch kontrolliert und verwaltet werden.

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