Bericht von der ver.di Landesbezirkskonferenz Berlin-Brandenburg 24.-25. Februar 2023
„Alle erkämpften, sozialen Rechte der Arbeitnehmer*innen sind unvereinbar mit den Anforderungen des Kapitalismus (…)“ steht in dem Leitantrag der Landesbezirksfachbereichskonferenz A Berlin-Brandenburg, den die Landesbezirkskonferenz bestätigte.
Von Alexandra Arnsburg, Berlin
Angesichts der Zeitenwende und multipler Krisen stehen die Gewerkschaften vor neuen Herausforderungen: Reallöhne verteidigen – auch mit Nachverhandlungen bei steigender Inflation, Rückkehr in die Flächen- und Branchentarifverträge, der Kampf gegen Privatisierungen und für eine öffentliche und für alle kostenlose Daseinsvorsorge in Gesundheit, Bildung, Nahverkehr, Wohnung, Wasser und Energie; tarifliche und gesetzliche Personalbemessung, Preisobergrenzen für Lebensmittel und Energie, die Angriffe auf die Rente und das Streikrecht stoppen. Die einhundert Delegierten beschlossen, sich diesen Herausforderungen mit allen gewerkschaftlichen Mitteln und der Organisierung von Solidarität zu stellen und forderten außerdem ein uneingeschränktes Streikrecht.
Kritik an Yasmin Fahimi
Der Landesbezirk hat fast 250.000 Mitglieder, das Potenzial ist also recht groß und dessen Mobilisierung mehr als nötig. Dass es entgegen den Äußerungen der DGB Vorsitzenden Fahimi jetzt an der Zeit ist, den Kapitalismus in Frage zu stellen, verdeutlichte Marie Schulpig, medizinische Fachangestellte und Mitglied im Bezirksfachbereichsvorstand C* in einem Beitrag, der mit großem Applaus aufgenommen wurde. Mehr als die Hälfte der Anwesenden unterzeichneten die Unterschriftenliste der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG), die Fahimi dazu auffordert, ihre Äußerungen zurückzunehmen.
Kritik gab es auch von Alexandra Arnsburg, Call-Center-Beschäftigte bei der Telekom und aktiv im Landesfrauenrat* an der Beteiligung von Gewerkschaftsvertreter*innen an der sogenannten konzertierten Aktion, die es nicht nur ermöglicht, dass steuerfreie Einmalzahlungen gegen Tarifergebnisse aufgerechnet und Druck auf die Tarifrunden durch die Unternehmen gemacht werden; sondern großen Konzernen mit großen Gewinnen ebenfalls Zuschüsse gewährt, die diese dann zum Teil direkt als Boni und Dividenden an Ihre Vorstände und Aktionär*innen ausschütten anstatt den Beschäftigten höhere Löhne zu zahlen.
Tarifkämpfe
Die laufenden Tarifrunden im Öffentlichen Dienst und bei der Post werden hart. Unternehmer machen Nicht-Angebote weit unterhalb der Inflation mit Nullmonaten und testen, ob die Gewerkschaft durchsetzungsfähig ist. Doch die Stimmung in den Betrieben steht auf Streik. Die vollen Forderungen von mindestens 500 Euro im Öffentlichen Dienst und 15% bei der Post müssen bei 12 Monaten Laufzeit konsequent durchgekämpft werden. Dafür beschloss die Konferenz mit einem Initiativantrag Streiktage zu koordinieren und die Beschäftigten gemeinsam auf die Straße zu holen. Der Antragsteller und neugewähltes Mitglied im Landesbezirksvorstand* René Arnsburg, der in der VKG Berlin aktiv ist, begründete diesen damit, dass die Angriffe der Unternehmen auf allen Ebenen und das Abwälzen der Krisen- und Kriegskosten auf Beschäftigte, Rentner*innen und die Jugend beantwortet werden müssen.
Angriffe auf Streikrecht
Gemeinsame Streiktrage während der Tarifrunden sollten auch als Vorbereitung dienen und die Richtung aufzeigen, dass die Gewerkschaften sich vorbereiten sollten und in die Position kommen, dass sie auch einen wirklichen Generalstreik organisieren können. Dieses Schreckgespenst für die Unternehmer wurde in den letzten Tagen von Unternehmensverbänden angesichts der Flughafenstreiks heraufbeschworen. Diese würden am liebsten schon wirkungsvolle Warnstreiks verbieten lassen und schauen nach Großbritannien, wo weitere Einschränkungen des Streikrechts von der Regierung geplant sind. Der anwesende ver.di-Bundesvorsitzende Frank Werneke sagte, dass sich die Gewerkschaft mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mittel dagegen wehren werde, blieb dann aber vage, als die Frage des politischen Streiks und die konkrete Vorbereitung auf solche Situationen aufkam. Eine konkrete Vobrereitung dafür ist aber nötig, nicht nur um Gesetzesverschärfungen abzuwehren, sondern ebenso Verschlechterungen in Renten- und Steuersystem, die sich zu einem Angriff auf die gesamte Arbeiter*innenklasse ausweiten könnten.
Die Tarifrunden im Öffentlichen Dienst und bei der Post werden die „Leitwährung“ für die kommenden Tarifrunden wie im im Einzelhandel und TV-L sein. Ein kämpferischer, demokratisch organisierter und erfolgreicher Streik, bei dem nicht auf halber Strecke stehen geblieben wird um einen faulen Kompromiss mit langer Laufzeit anzunehmen, würde eine enorme Ermutigung für Millionen Beschäftigter sein und für die Stärkung der Gewerkschaften insgesamt. Für eine solche kämpferische und konsequente Ausrichtung ist es nötig, sich von unten zu vernetzen, wofür die VKG ein Angebot darstellt und als Teil dieser auch das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“.
*Angaben dienen nur zur Kenntlichmachung der Person