Aktuelle Stellungnahme von Gauche Révolutionnaire
Die Bewegung in Frankreich ist an einem entscheidenden Punkt angelangt. Zwei Monate sind seit dem ersten Streiktag gegen den fortgesetzten Versuch der Regierung, die Renten anzugreifen, vergangen. Die Bewegung auf der Straße ist immer noch sehr stark, und die Unterstützung in der Bevölkerung ist massiv. Nationale Streiktage, sowohl sektions- als auch gewerkschaftsübergreifend, Samstagsdemonstrationen, Besetzungen und Blockaden untermalen den Kampf von Millionen von Teilnehmer*innen. Und vor allem mehrere strategische Sektoren – Energiearbeiter*innen, Gasarbeiter*innen, Eisenbahner*innen, Hafen- und Werftarbeiter*innen – streiken seit zwei Monaten jede Woche. In jüngster Zeit sind auch die Raffinerien in den Streik getreten. Ihre Streiks betreffen einen ganzen Teil der Produktion. Der Rückgriff von Präsident Emmanuel Macron auf Artikel 49.3 der Verfassung – um gegen den Widerstand des Parlaments und der Öffentlichkeit Fortschritte bei seinem Rentengesetz zu erzwingen – hat Frankreich einen elektrischen Schlag versetzt, der eine neue Mobilisierung und Entschlossenheit ausgelöst und bestätigt hat, dass wir die Mehrheit im Land sind. Ein Wendepunkt ist erreicht. Die Idee, dass Macron nachgeben und zurücktreten muss, gewinnt an Boden. Unsere Streiks und Mobilisierungen müssen ihn zum Rücktritt zwingen!
Macron hat bereits verloren…
Wir müssen den Kampf verstärken, um das Gleichgewicht der Kräfte zu unseren Gunsten zu verschieben. Aber wie wir wissen, hat die Bewegung rund um den Streiktag am 7. März nicht die Form einer totalen Schließung des Landes angenommen: Sie hat sich nicht in einen Generalstreik verwandelt.
Wir müssen den Kampf verstärken und in unseren Betrieben breit diskutieren, um Massenstreiks zu planen, bis das Gesetz zurückgezogen wird. Gleichzeitig müssen wir die Bewegung weiter verbreitern. Eine ganze Reihe von Arbeiter*innen und jungen Menschen, die die Bewegung unterstützen, haben noch nicht ihren Platz in ihr eingenommen. Die Rentenfrage kann zu weit entfernt oder bereits entschieden erscheinen. Andere Themen können diese Schichten mobilisieren. Nach den Jahren von Covid und dem Ausbleiben kollektiver Kämpfe angesichts der sich verschlechternden Lebens- und Arbeitsbedingungen spürt unser Lager wieder seine Kraft. Durch den Kontakt mit der Bewegung und dank der Massendemonstrationen erwägen immer mehr Arbeiter*innen und junge Menschen, sich dem Kampf und den Streiks anzuschließen. Die Streiks und Demonstrationen am 23. März und danach müssen alle, die kämpfen wollen, mitnehmen. Ein weiterer Streiktag mit einer landesweiten Demonstration in Paris könnte der nächste Schritt sein, wenn Macron und seine Premierministerin Elisabeth Borne noch nicht eingelenkt haben.
Es ist jetzt klar: Eine massive Bewegung von Arbeiter*innen und jungen Menschen kann die Rentenreform besiegen. Aber eine so starke Bewegung würde nicht dabei stehen bleiben. Sie sollte sich alles zurückholen!!
… aber von alleine wird er nicht verschwinden!
Um das zu erreichen, müssen die von den Gewerkschaften und den Streikaktivist*innen organisierten Aktionen kämpferischer werden und diese Themen außerhalb der Betriebe, auf den Blockaden, im Dialog mit der Öffentlichkeit auf der Straße, bei den Protesten und Kundgebungen ansprechen. Die Arbeiter*innen und die jungen Menschen haben wieder ihren Kopf erhoben. Das muss auf der Straße und in den Betrieben sichtbar werden. Alle unsere dringenden Forderungen liegen jetzt auf dem Tisch: Rücknahme der Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre und Rückkehr zum Höchstalter von 60 Jahren, Erhöhung der Löhne, Einfrieren und Senkung der Preise, aber auch das Ende der akademischen Auslese in den Gymnasien, Aufhebung der Gesetze, die die Arbeitslosen angreifen, der rassistischen Gesetze… All diese Maßnahmen sind das Ergebnis der gleichen Politik – die von Macron verfolgt wird, aber zuvor von Sarkozy und Hollande durchgeführt wurde!
Weg mit Macron, für eine Politik im Interesse der Arbeitenden!
Viele sind jetzt in der Bewegung aktiv. Wir müssen die Bewegung zu den Renten als Sammelpunkt entwickeln, um Macron und seine Politik loszuwerden. Die Bewegung hat jetzt mehr Gewicht – noch mehr, wenn wir uns organisieren. Die Macht ist in Frage gestellt. Es ist an der Zeit, dieser Regierung und den Kapitalist*innen das Recht zu entziehen, über unser Leben zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund ist es nur logisch, dass viele Arbeiter*innen und Jugendliche die parlamentarischen Aktivitäten des linken Bündnisses NUPES mit Sympathie betrachten. Sogar einige, die dem Kampf fernstehen, sehen, dass die extreme Rechte- RN – unter dem Deckmantel, gegen die Rentenreform zu sein, die Bewegung überhaupt nicht unterstützt, sondern im Gegenteil gegen die Streiks ist, in der Hoffnung, später aus der Wut Kapital zu schlagen, während sie die Bewegung heute frustriert. Aber wir müssen die Bewegung vorantreiben. Eine Regierung, die wirklich im Dienste der Arbeiter*innen steht, müsste aus dem Kampf und den gewerkschaftlichen und politischen Organisationen hervorgehen. Und es wäre notwendig, auf breiter Ebene darüber zu diskutieren, welches Programm geeignet ist, mit den Kapitalist*innen zu konkurrieren und sie aus dem Weg zu räumen. Es ginge also darum, sich nicht mit einem Programm zu begnügen, das den Kapitalismus akzeptiert, oder eine Koalition mit der PS (Ex-Sozialdemokraten) und der EELV (Grüne) zu bilden, die in den Kommunalverwaltungen mitschuldig sind an der Durchführung einer Politik wie der von Macron.
Stattdessen brauchen wir eine Regierung, die unsere Interessen ebenso unnachgiebig verteidigt wie Macrons die der Kapitalist*innen. Eine Regierung, die ein festes Programm gegen die Kapitalist*innen hat.
Demokratische Macht der Arbeiter*innen
Wir brauchen neue Wahlen. Aber die derzeitigen Institutionen begünstigen die Reichsten und geben uns keine Kontrolle über diejenigen, die wir wählen. Wir brauchen eine Regierung, die die Interessen der Arbeiter*innen verteidigt und eine Politik verfolgt, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird, mit einer demokratischen und ökologischen Planung der Wirtschaft.
Gewählte Beamt*innen sollten abwählbar sein und nach dem Durchschnittslohn der Arbeiter*innen bezahlt werden. Diejenigen, die den gegenwärtigen Kampf anführen, sollten mit der Unterstützung der Parteien, die den Kapitalismus ablehnen, sowie von Gewerkschaftern und Jugendaktivist*innen die Grundlage für eine neue Regierung bilden.
Eine solche Regierung müsste die privatisierten öffentlichen Dienste rückverstaatlichen und die wichtigsten Wirtschaftssektoren in öffentliches Eigentum überführen, unter die demokratische Kontrolle und Verwaltung der Arbeiter*innen und der Bevölkerung, insbesondere die Bereiche Finanzen, Energie, Verkehr und Vertrieb. Die Hunderte von Milliarden Euro aus dem Reichtum der Superreichen, den Gewinnen der multinationalen Unternehmen und der Steuerhinterziehung sollten stattdessen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohnraum für alle verwendet werden. Dies würde einen echten Übergang zu einer sozialistischen Wirtschaft einleiten, die frei von Privateigentum an Produktionsmitteln und Ausbeutung ist.
Aber heute haben die Arbeiter*innen und Jugendlichen keine Massenpartei, die für ein solches Klassenprogramm kämpft. All dies muss also im Laufe des Kampfes auch zwischen Streikenden, Aktivist*innenen, Gewerkschafter*innen … diskutiert werden. Von nun an ist eine breite und öffentliche Diskussion zwischen den Kräften, die den Kapitalismus ablehnen, notwendig, um eine politische Einheitsfront gegen Macron und die Kapitalist*innen zu bilden.
Das Ziel von Gauche Révolutionnaire ist es, den Kampf und die Organisation der Arbeiter*innen und Jugendlichen zu stärken und ein Programm für den Sozialismus vorzuschlagen. Schließt euch uns an!
Der Autoritarismus: Verleugne deine wahre Natur und sie wird mit aller Macht zurückkehren!
Macron hatte versucht, uns zu verkaufen, dass es sich um eine neue Regierungsmethode handelt, die auf Beschwichtigung und Dialog beruht, mit Borne als Premierministerin. Dann: zehn Anwendungen des Artikels 49.3 im Oktober und November und erneute Angriffe auf die Renten ab 2023.
Ihre Methode spricht Bände. Die Anwendung von Artikel 47.1, um die Debatte über das Rentengesetz auf maximal fünfzig Tage zu begrenzen. Dann die Anwendung von Artikel 44.3 im Senat, um das Verfahren zu beschleunigen. Der rechte Flügel der traditionellen konservativen Partei LR stimmt wieder einmal mit Macrons Formation LREM. Schließlich nutzten Macron und seine Regierung mangels ausreichender Mehrheit 49.3 und brachten das Gesetz durch! All dies zeigt, dass Macron noch nie so schwach war.
Jeder sieht, dass Macron nur eines will: seine soziale Konterrevolution gegen die Arbeiter*innen und die Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen. Koste es, was es wolle! Er macht seinen Job, um den Kapitalist*innen und den Ultrareichen maximale Profite zu garantieren. Organisieren wir uns, um sie zu stoppen!
Referendum zur Volksinitiative: ein falscher Vorschlag
Einige Parteien, wie die PCF (Kommunistische Partei), setzen sich aktiv für ein “Volksinitiativ-Referendum” ein – eine Befragung der Bevölkerung zur Beratung des Parlaments. Auch die Gewerkschaftsführungen und der linke Politiker Jean-Luc Mélenchon haben sich dafür ausgesprochen. Aber dieser Vorschlag stärkt uns nicht im Geringsten. Wir müssen nicht zeigen, dass wir in der Mehrheit sind, um uns diesem Angriff auf die Renten und Macrons anderer Politik zu widersetzen. Warum also die Entscheidungsbefugnis wieder in die Hände der Regierung legen? Wir sehen es bei jeder Anwendung von 49.3: die staatlichen Institutionen sind auf der Seite von Macron und der Regierung. Alles, was sie tun, dient dazu, unseren Sieg zu verhindern. Selbst wenn es uns gelingt, die erforderlichen fast fünf Millionen Unterschriften zu sammeln, gibt es nichts, was die Abgeordneten zwingen könnte, unsere Stellungnahme in ein Gesetz zu gießen. Wir müssen ihnen eine ebenso große Niederlage zufügen, wie Macron sie uns zufügen will. Und das können wir nur durch Massenkampf, Diskussion und politische Selbstorganisation erreichen.