Generalstreik in Israel

Gewerkschaftsverband reagiert auf Regierungskrise mit Massenmobilisierung

Die Entlassung des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant durch Netanjahu am Sonntagabend löste einen spontanen Ausbruch von Protesten aus. 600.000 Menschen strömten auf die Straßen und blockierten Autobahnen mit brennenden Barrikaden. In Jerusalem durchbrachen die Demonstrant*innen die Absperrungen um Netanjahus Haus.

Von Amnon Cohen

Während Universitäten, Ärzt*innen und Schüler*innen bereits streikten, kündigte Arnon Bar-David, der Generalsekretär der Histadrut, des größten Gewerkschaftsverbands, für Montagmorgen einen Generalstreik an, in Anwesenheit von Bankern und Konzernchefs, die Bar-David mit stehenden Ovationen bedachten. Die öffentlichen Verkehrsmittel wurden vom Generalstreik ausgenommen, damit die Menschen zu den für Montagnachmittag in Jerusalem geplanten Anti-Regierungs-Demonstrationen fahren können.

Es wurde erwartet, dass Netanjahu das Einfrieren seiner umstrittenen Justizreformen ankündigen würde (die es der Regierung ermöglichen würde, den Obersten Gerichtshof mit ihren Anhängern zu besetzen). Diese Ankündigung wurde jedoch verschoben, nachdem seine ultranationalistischen Koalitionsparteien damit gedroht hatten, die Regierung zu stürzen, falls Netanjahu vor den “Anarchisten auf der Straße” kapituliert.

Netanjahu befindet sich im Belagerungszustand, gelähmt durch seine abhängigen ultranationalistischen Koalitionspartner. Er hat versucht, den Protesten zu entkommen, indem er seine Wochenenden mit verschwenderischen und unnötigen Auslandsreisen verbrachte – nach Rom, nach Berlin und letztes Wochenende nach London. Aber an jedem Reiseziel wurde er von Hunderten von Israelis und Mitgliedern der örtlichen jüdischen Gemeinden bei Demonstrationen gejagt.

Die Forderungen des Histadrut-Generalstreiks sind unklar. Bar David forderte, dass die Gesetzesreformen eingefroren und die Entlassung von Gallant rückgängig gemacht werden. Der Aufruhr in der Gesellschaft wird jedoch weder durch das Einfrieren der Justizreform noch durch eine Ministerernennung gelöst werden.

Die Regierung Netanjahu behauptet, sie sei erst vor wenigen Monaten demokratisch gewählt worden. Aber sie hat jede Legitimität verloren. Die Hunderttausenden auf der Straße, die gegen die Regierung protestieren, sind der wahre Ausdruck der Demokratie, während die Anhänger der Regierung nur ein paar hundert Siedler für das Hawrwa-Pogrom mobilisieren konnten.

Es ist notwendig, die kapitalistische Regierung der ultranationalistischen Siedler-Eiferer zu stürzen. Doch die Erfahrungen der nach fünf Wahlen seit 2019 gebildeten Regierungen zeigen, dass die kapitalistischen Politiker*innen nicht in der Lage sind, eine stabile Regierung zu bilden, die die Krise in der Gesellschaft bewältigen kann. Keine der kapitalistischen Parteien, die in der Knesset sitzen, kann die Krise der israelischen Gesellschaft lösen – sie sind alle Teil des Problems. Jetzt besteht die Chance, die in der bevölkerung existierende Unterstützung von Populist*innen wie Netanjahu, der extremen Rechten und den Ultranationalist*innen zu untergraben, indem man ihnen eine echte Alternative bietet.

Reporter*innen, die über die Ankündigung des Histadrut berichten, sagen, dass dies eine Kraft ist, der keine Regierung sich widersetzen kann. Der Generalstreik wird die Regierung dazu zwingen, die Gesetzesreform zu verschieben. Aber solange diese Regierung an der Macht bleibt, wird sie zu Angriffen zurückkehren, sobald die Proteste nachlassen. Die Erfahrung der vorherigen Lapid-Bennett-Regierung zeigt jedoch, dass eine andere Konstellation von kapitalistischen Politikern oder eine Regierung der nationalen Einheit die Krise der Gesellschaft nicht lösen wird. Natürlich wollen viele israelische Kapitalist*innen eine andere Regierung, eine, die ihren Interessen besser dient. Aber Arbeiter*innenorganisationen wie die Histadrut, andere Gewerkschaften und Volksvertretungen sollten eine Arbeiter*innenegierung bilden, die nicht aus faulen MKs (Abgeordneten) besteht, sondern sich auf gewählte Vertreter von jedem Arbeitsplatz, jeder Schule, jeder Gemeinschaft – religiös und säkular, jüdisch und arabisch – stützt. Eine solche Regierung muss die Unterdrückung der Palästinenser*innen und die Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse beenden und die nationalen und demokratischen Rechte von Palästinenser*innen und Israelis verteidigen. Sie muss den gesellschaftlichen Reichtum verstaatlichen und so organisieren, dass er ein menschenwürdiges Leben für alle ermöglicht, und gleichzeitig die Grundlage dafür bilden, dass sich die palästinensischen und israelischen arbeitenden Bevölkerung auf eine sozialistische Lösung des nationalen Konflikts einigen können, der die Region seit Jahrzehnten beherrscht. Dies ist der einzige Weg aus der Krise.

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