Sehenswerte Verfilmung von Felix Lobrechts Roman
Der neue Film von Felix Lobrecht und David Wnendt „Sonne und Beton“ schildert auf eindrucksvolle Weise das Leben von vier Jugendlichen im Neuköllner Ortsteil Gropiusstadt. Die Handlungen beruhen auf dem autobiografisch inspirierten Roman von Lobrecht. Für den Film ist das aber von keiner großen Bedeutung. Denn die Handlung steht sinnbildlich für die soziale und physische Brutalität, der in Armut lebende Jugendliche permanent ausgesetzt sind. Etwas, dass wohl auf Millionen von Jugendlichen in Deutschland zutrifft.
Von Caspar Loettgers, Berlin
„Sonne und Beton“ spielt Anfang der 2000er Jahre. Eine drückende Hitze liegt über Berlin. Schröder hat gerade vom SPD-Parteitag Unterstützung für seine Agenda 2010 bekommen. Lukas gerät in Konflikt mit einer Gang von Drogendealern, die ihn verprügeln und erpressen. Zusammen mit seinen Freunden Gino, Sanchez und Julius beschließt er in ihre Schule einzubrechen, um die Schulden zu bezahlen. Der Einbruch bringt jeden von ihnen einen kurzen Geldsegen von zweihundert Euro. Plötzlich ist es ihnen möglich, ins Freibad zu gehen und neue Klamotten zu kaufen. Etwas, was ihre Eltern ihnen, teils trotz harter Arbeit, nie ermöglichen konnten. Der Geldsegen ist aber schnell wieder vorbei und alle vier merken, dass die eigene Freiheit ohne Geld ziemlich eingeschränkt ist. In dem Soundtrack zum Film von Luvre47, der selber in Gropiusstadt groß geworden ist, heißt es passend: „Und die sagen Geld ist nicht alles, doch wem geht’s gut ohne?/ Bezahl Schulden mit Schulden, Shit, ich verfluch Kohle“.
Kein Entkommen
Nach ihrem Diebstahl rechnet Lukas ihre Beute gegen den Lohn von seinen Vater auf. Schnell wird ihm klar, dass sein Vater für die gleiche Summe jahrelang arbeiten muss. Auch die Mutter von Sanchez arbeitet sich kaputt und kann den beiden trotzdem keinen Urlaub leisten, während Ginos Vater ein gewalttätiger Alkoholiker ist und Julius bei seinem verantwortungslosen Bruder lebt. Den vier Jungs ist von Anfang an klar, dass es auf normalem Weg kein Entkommen aus der Armut gibt. Aber auch nach dem Diebstahl stehen alle vier dort, wo sie schon von Anfang an standen. Die restlichen Schulcomputer, die sie erbeutet haben, werden ihnen abgezogen – ausgerechnet von Lukas’ großem Bruder, der dadurch seine Schulden bei einem Kriminellen begleichen kann. Ginos Vater findet zu allem Überfluss das Geld, dass Gino sparte, um seiner Mutter und sich die Flucht von dem brutalen Vater zu ermöglichen, und gibt es für Alkohol aus. Im Kapitalismus gibt es eben auch kein „Happy End“.
Keine Aufstiegsgeschichte
„Sonne und Beton“ erzählt keine neoliberale Aufstiegsgeschichte von vier Jugendlichen, die sich aus der Armut heraus kämpfen. Viel mehr zeigt der Film, dass Armut wie ein Sumpf ist, dem man kaum entkommen kann. „Sonne und Beton“ begeht aber auch nicht den umgekehrten Fehler und romantisiert das Elend. Lukas, Gino, Sanchez und Julius werden als sympathische Charaktere dargestellt, die aber keine Engel sind. Statt eine Taxifahrt zu bezahlen, sprüht Julius dem Fahrer zum Beispiel CS Gas ins Gesicht. Das Geld, um die Fahrt zu bezahlen hätten sie eh nicht. Sie sind eben das Ergebnis der Verhältnisse, in denen sie groß geworden sind. Alle vier geben sich aber auch nicht mit ihren Lebensverhältnissen ab. Gino lehnt sich beispielsweise gegen seinen Vater auf. Dabei merken alle vier, dass eine Solidarisierung und Verbrüderung ihnen am besten hilft, ihr Leben zu durchstehen.
Sozialismus
Ohne es explizit zu formulieren, bringt „Sonne und Beton“ zum Ausdruck, warum eine andere, eine gerechtere Gesellschaft so notwendig ist. Eine Gesellschaft, in der die geschilderten Schicksale ins Reich der Fantasie verschwinden, Jugendliche sorgenlos groß werden können und sich nicht schon früh durch ein Dschungel von Beton, Armut und Gewalt schlagen müssen. Eine sozialistische Gesellschaft könnte das alles ermöglichen. „Sonne und Beton“ ist ein bedrückendes Zeugnis des Horrors, den der Kapitalismus für weite Teile der Gesellschaft bereit hält. Hoffentlich ist er auch schon bald ein Fantasy-Film!