Forderungen der EVG mit Streiks durchsetzen!
Beim großen Warnstreiktag am 27.März legten etwa 38.000 Mitglieder der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) an 1147 Standorten in 69 Verkehrsbetrieben die Arbeit nieder. Durch die große Beteiligung wurde gemeinsam mit ver.di der öffentliche Nah- und Fernverkehr wie auch Teile des Luftverkehrs weitgehend lahm gelegt.
von Ronald Luther, EVG-Mitglied Berlin
Angesichts der drastisch steigenden Inflation und der Gehaltsverluste infolge der letzten Tarifrunde hatte die EVG die von den Gewerkschaftsmitgliedern breit unterstützte Forderung nach 12 Prozent mehr Gehalt, aber mindestens 650 Euro (Nachwuchskräfte mindestens 325 Euro) und eine Laufzeit von 12 Monaten aufgestellt. Die Vorstände aller Verkehrsbetriebe weigerten sich aber, verhandelbare Angebote vorzulegen. Stattdessen wurden Gegenforderungen aufgestellt. So sollen DB Cargo und die Busgesellschaften aus der gemeinsamen Tarifrunde herausgelöst werden. Das Ziel ist klar: die Beschäftigten sollen gespalten und niedrigere Abschlüsse erreicht werden.
Provokation
In der zweiten Verhandlungsrunde bot die DB dann eine lächerliche Lohnerhöhung von fünf Prozent in zwei Stufen, zwei Einmalzahlungen in Höhe von 1500 Euro (Nachwuchskräfte 750 Euro) und 1000 Euro (Nachwuchskräfte 500 Euro) bei einer Laufzeit von 27 Monaten an. Der Mindestlohn soll von 12 Euro inklusive Zulagen auf 13 Euro angehoben werden. Skandalös ist hier nicht nur die geringe Anhebung, sondern dass es überhaupt DB-Beschäftigte gibt, die ein so geringes Gehalt bekommen. Die anderen Verkehrsunternehmen machten es der DB nach und legten ähnliche Angebote auf den Tisch. Darauf konnte nur mit Streik reagiert werden, denn angesichts der drastisch steigenden Preise und der Gehaltsverluste der letzten Jahre sind die Forderungen der EVG mehr als berechtigt.
Kampfbereitschaft
Die große Beteiligung am Warnstreik zeigt, dass die Wut und Kampfbereitschaft unter den Beschäftigten der Verkehrsbranche groß ist. Diese wurde noch gesteigert, als herauskam, dass den Beschäftigten Wasser gepredigt wird und die Führungskräfte selber Wein saufen! Seit 1.Januar 2023 erhalten 3000 obere Führungskräfte (OFK) der DB bis zu 14 Prozent mehr Gehalt! Für einen Top-Manager der Stufe OFK 1 steigt dadurch das Grundgehalt von 190.000 Euro im Jahr auf rund 216.000 Euro. Davon können die Beschäftigten nur träumen! Außerdem wurde den Führungskräften eine Boni-Garantie selbst in schlechten Geschäftsjahren ausgesprochen. Eigentlich wollte die EVG erst Ende April zu ersten Warnstreiks aufrufen. Der Druck im Kessel war aber zu groß geworden, so dass die Gewerkschaftsführung handeln musste.
Schippe drauf legen
Seit dem ersten Warnstreik war leider wenig an Aktionen gefolgt. Die EVG beschränkte sich auf das Anstrahlen von Bahnhofsgebäuden mit den Tarifforderungen und rief ihre Mitglieder dazu auf, in Warnwesten mit dem Slogan „Gemeinsam geht mehr!“ herum zu laufen. Durch diese Schwächen in der Mobilisierung nahmen am zweiten Warnstreik am 21.März, dieses Mal ohne ver.di, nur etwa 25.000 Kolleg*innen teil. Dabei müsste jetzt eine Schippe drauf gelegt werden, wenn die Forderungen voll durchgesetzt werden sollen. Es wird immer deutlicher, dass eine harte Auseinandersetzung zur Durchsetzung der Gehaltsforderungen ansteht. Zurecht hatte die EVG die Ankündigung der DB, in der Verhandlungsrunde am 25. April einen bahnspezifischen Abschluss auf der Basis des Schlichterspruchs für den Öffentlichen Dienst vereinbaren zu wollen, als Provokation bezeichnet. Die EVG-Tarifkomission darf bei den Verhandlungen mit den Verkehrsbetrieben keine faulen Kompromisse, wie längere Laufzeiten und weniger Geld, eingehen.
Streikdemokratie
Stattdessen muss die Gewerkschaft jetzt eine ernsthafte innerbetriebliche Kampagne führen, um alle Beschäftigten hinter den Tarifforderungen zu sammeln und für einen geeinten Kampf zur vollen Durchsetzung der Forderungen zu gewinnen. Zusätzlich müssen umgehend Betriebsgruppentreffen in allen Verkehrsbetrieben stattfinden, um die nötigen Arbeitskampfmaßnahmen vorzubereiten. Auf den Versammlungen sollten demokratische Streikleitungen gewählt werden. Gewählte Streikdelegierte sollten auf lokaler und bundesweiter Ebene zusammenkommen und über alle Schritte im Arbeitskampf diskutieren und abstimmen. So können Urabstimmung und Erzwingungsstreik zur Durchsetzung der Tarifforderungen vorbereitet werden. Dafür wird es auch nötig sein, alle Kolleginnen und Kollegen zum Streik aufzurufen, selbst wenn sie (noch) nicht in der EVG oder in anderen Gewerkschaften wie der GDL organisiert sind. Denn nur gemeinsam sind wir stark!