Nordirland: Wahlen zeigen Polarisierung

Der bisherige Stadtrat der CCLA Donal O’Cofaigh konnte seinen Sitz nicht verteidigen

Der Kampf für eine sozialistische Klassenpolitik geht weiter

Aus den jüngsten Kommunalwahlen in Nordirland gingen Sinn Féin, die Democratic Unionist Party (DUP) und die Alliance Party als Gewinner*innen hervor.

von Niall Mulholland, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale

Dies zeigt, dass sich die politische Polarisierung zwischen Nationalist*innen und Unionist*innen in einer Gesellschaft, die bereits von konfessioneller Politik geprägt ist, weiter verstärkt. Die sogenannten „gemäßigten” Parteien der Unionist*innen und Nationalist*innen, die Ulster Unionist Party (UUP) und die Social Democratic and Labour Party (SDLP), mussten einen weiteren Rückgang hinnehmen und landeten auf den Plätzen vier und fünf. Gleichzeitig erreichte die Alliance Party, die von vielen als gemäßigt und weder nationalistisch noch unionistisch angesehen wird, den dritten Platz.

Sinn Féin konnte größere Unterstützung mobilisieren, indem sie den weit verbreiteten Unmut der Nationalist*innen über den anhaltenden Boykott der nordirischen Regierung durch die DUP ausnutzte. Diese hat Sinn Féins stellvertretende Parteivorsitzende, Michelle O’Neill, daran gehindert, erste Ministerin (Regierungschefin) zu werden.

Sinn Féin ist jetzt die größte Partei in den Kommunen und hat die DUP überholt; sie ist die erste nationalistische Partei, die die meisten kommunalen Sitze hat. Die Partei sicherte sich die Kontrolle über sechs der elf Räte. Insgesamt gewann sie 39 Sitze mehr als bei der letzten Wahl 2019. Als Zeichen dafür, dass Sinn Féin mehr Wähler*innen aus der Mittelschicht für sich gewinnen konnte, verdoppelte sich ihr Stimmenanteil in Balmoral, einem relativ wohlhabenden Viertel von Belfast, fast.

Während die Haltung der DUP zur Stormont-Versammlung (dem nordirischen Parlament) viele Nationalist*innen dazu brachte, für Sinn Féin zu stimmen, festigte sie auch die Unterstützung der DUP unter den Unionist*innen. Obwohl die DUP wie bei den Wahlen zur Stormont-Versammlung im letzten Jahr an zweiter Stelle hinter Sinn Féin lag, konnte sie alle ihre 122 Sitze halten. Anders als bei den Parlamentswahlen erlitt die DUP keine großen Verluste an die radikalere Partei Traditional Unionist Voice (TUV).

Vor den Kommunalwahlen hielt die DUP-Führung an ihrer Ablehnung der Zollgrenze in der Irischen See und des Windsor-Rahmenabkommens fest und weigerte sich, ins nordirische Parlament zurückzukehren. Dies bedeutete, dass die DUP in der Lage war, sich gegen die TUV durchzusetzen.

Die DUP lehnte die nach dem Brexit entstandene Zollgrenze in der Irischen See ab, da sie der Ansicht ist, dass sie die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreichs verringert.  Nach Ansicht der Partei geht der Windsor-Rahmen, der die Handelsregeln aufweicht, nicht weit genug.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs verfolgt gegenüber der DUP einen Ansatz von „Zuckerbrot und Peitsche”. Einerseits wurden harte Haushaltssanktionen gegen die Arbeiter*innenklasse eingeführt, die die DUP zur Rückkehr nach Stormont zwingen sollen. Andererseits versucht die Regierung, die DUP zur Rückkehr nach Stormont zu bewegen, indem sie verspricht, „den Platz Nordirlands im Vereinigten Königreich verbindlich zu machen”. Die DUP befindet sich in einem komplizierten Balanceakt zwischen den Hardliner*innen und den arbeitenden Menschen, die die Auswirkungen der Sanktionen wirklich zu spüren bekommen. Ein Teil der DUP könnte versuchen, den Boykott der Partei von Stormont bis nach der „Saison” der protestantischen Märsche im Sommer hinauszuzögern, die immer zu konfessionell-sektiererischen Spannungen führt. Ein anderer Teil der DUP scheint bereit zu sein, eher früher als später an die Macht zurückzukehren.

Bei dieser stark polarisierten Wahl war es für kleinere Parteien und Unabhängige, einschließlich der Linken, von vornherein sehr schwierig. Alle diese Kräfte wurden zerrieben, und viele verloren ihre Stadtratssitze.

Community-übergreifende Labour-Alternative

Militant Left (Kämpferische Linke, CWI in Irland) ist Teil der Community-übergreifenden Labour Alternative (CCLA), die zwei Kandidaten aufgestellt hat: Donal O’Cofaigh in Enniskillen und Gerry Cullen in Dungannon. Beide Kandidaten können auf eine lange Geschichte linker Aktivitäten zurückblicken und genießen ein hohes Maß an öffentlicher Anerkennung in ihren Regionen. Gerry Cullen, der zum ersten Mal seit 22 Jahren wieder antrat, erzielte mit 268 Erststimmen einen Anerkennungserfolg  (in Nordirland gibt es bei Kommunalwahlen ein System der übertragbaren Einzelstimmen).

Donal war ein amtierendes CCLA-Ratsmitglied, das in den letzten vier Jahren als sozialistischer Kämpfer für Klassen-, Sozial- und Umweltfragen eine beeindruckende Bilanz vorzuweisen hatte. An den Haustüren fanden die CCLA-Wahlhelfer*innen viel Anerkennung für Donals harte Arbeit für die Arbeiter*innenklasse und insbesondere für seine führende Rolle in der Massenkampagne gegen die Kürzungen beim South West Acute Hospital. Der große Druck der großen konfessionellen Parteien bedeutete jedoch, dass Donals beeindruckende 504 Erststimmen nicht ausreichten, um ihn durch die notwendigen Stimmauszählungen zu tragen und die erforderlichen übertragbaren Stimmen zu erhalten, um seinen Sitz zu behalten.

Donal und Gerrys Stimmen wurden auch durch die falschen Propheten der Alliance Party geschmälert. In den letzten Jahren hat die Alliance vor allem bei jungen Leuten eindrucksvoll an Stimmen gewonnen, indem sie sich als nichtkonfessionelle und „fortschrittliche” Alternative zu den „orangen und grünen Dinosauriern” darstellte. Doch diese weitgehend aus der Mittelschicht stammende Partei, die in Wirtschaftsfragen einen neoliberalen Standpunkt vertritt, wird keines der Hauptprobleme lösen, mit denen die Menschen aus der Arbeiter*innenklasse und die Jugend konfrontiert sind.

Aussichten

Viele Menschen in der Region Enniskillen werden sehr enttäuscht sein, dass Donal trotz seiner herausragenden Rolle als Sprachrohr der Arbeiter*innenklasse nicht wieder in den Bezirksrat von Fermanagh und Omagh gewählt wurde. Donals Stimmen, wie auch die von Gerry, sind zwar relativ bescheiden, zeigen aber die Basis für ein Wachstum von klassenbasierter Politik im gesamten Norden. Das breite Bündnis aus linken und kommunalen Aktivist*innen mit katholischem und protestantischem Hintergrund, das die CCLA bildet, kann zuversichtlich sein, dass es die Grundlage hat, um in Zukunft Gewinne zu erzielen, indem es sich mit einer kühnen Klassenpolitik an den sozialen, wirtschaftlichen und kommunalen Kämpfen der Arbeiter*innenklasse beteiligt.

Und bei künftigen Wahlen werden die Aussichten für die Linke auch günstiger sein, wenn die Arbeiter*innen aus beiden Communities die Folgen der marktfreundlichen Politik von Sinn Féin, der DUP und der Alliance Party in den Kommunalverwaltungen und einer künftigen wiederhergestellten nordirischen Regierung zu spüren bekommen. Sinn Féin zum Beispiel wird es nach den verheerenden Kürzungen der Tory-Regierung im Gesundheitswesen (Nordirland hat die längsten Wartelisten im Vereinigten Königreich) und im Bildungswesen sowie bei anderen öffentlichen Dienstleistungen sehr schwer haben, auch nur ihre sehr begrenzten sozial- und wirtschaftspolitischen Wahlversprechen zu erfüllen. Sowohl Sinn Féin als auch die DUP haben in der Praxis gezeigt, dass sie das System lediglich im Rahmen der begrenzten Haushaltsmittel verwalten.

Militant Left wird sich in vollem Umfang an der Entwicklung der Politik der Arbeiter*innenklasse beteiligen und gleichzeitig die Kräfte des Marxismus im Norden und Süden Irlands aufbauen.

Erläuterung:

Die Politik in Nordirland wird seit Jahrzehnten durch den religiös-nationalen Gegensatz beherrscht. Unionst*innen sind für den Verbleib im Vereinigten Königreich mit Großbritannien, Republikaner*innen für die Vereinigung mit der Republik Irland. Erstere gehören überwiegend zur protestantischen Community, letztere zur katholischen. In den letzten Jahren ist die Alliance Party erstarkt, die anders als diese religiös-sektierischen Parteien Unterstützung in beiden Communities hat, aber ebenfalls eine neoliberale Politik vertritt. Die CCLA hat Unterstützung in beiden Communitites und kämpft für die Interessen der Arbeiter*innen unabhängig von ihrer Konfessionszugehörigkeit.

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