Wo geht’s hier zur Revolution?

Eine Auseinandersetzung mit den Ideen des „Revolutionären Bruchs“ und von RIO / Klasse gegen Klasse

Im Januar fand in Berlin eine Konferenz des sogenannten „Revolutionären Bruchs“1 statt. Eine kleine Gruppe von (ehemaligen) Mitgliedern der LINKEN und/oder ihres Jugendverbandes hatten – eine Fraktion im Jugendverband organisiert, welche den kollektiven Austritt aus der LINKEN bzw. der Linksjugend vorbereiten sollte und vollzog. Angestoßen wurde diese von RIO bzw. „Klasse gegen Klasse“ (wie genau das Verhältnis von RIO und KgK ist, erschließt sich uns nicht), welche einige der Unzufriedenen zuvor gewinnen konnte. Zusammen mit anderen Organisationen diskutierten sie auf der Konferenz über den Zustand und die Krise der LINKEN und die aus ihrer Sicht zu ziehenden Schlussfolgerungen. Sol-Mitglieder haben sich an dieser Fraktion nicht beteiligt.

von Tom Hoffmann, Sol-Bundesleitung

Seit der Konferenz hört man nichts mehr vom „Revolutionären Bruch“, was den vielen Vorhaben aus der beschlossenen Abschlusserklärung entgegensteht. Die Mehrheit scheint sich dem (mehr oder weniger) neuen RIO-Projekt „Waffen der Kritik“ anzugliedern, was unsere Vermutung bestätigt, dass es bei dieser Initiative nie ernsthaft um den Aufbau einer breiteren Jugendorganisation ging, sondern um einen Durchlauferhitzer für die eigene Organisation.2 Warum also jetzt noch einmal diese Initiative kommentieren? Zugegeben, wir sind spät dran. Junge Sol-Mitglieder hatten in den letzten Monaten alle Hände voll zu tun, um zusammen mit anderen Mitgliedern der Linksjugend eine neue sozialistische Jugendorganisation zu bilden, Jugend für Sozialismus, welche über Pfingsten ein erstes Camp organisiert. Diese Initiative unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der des „Revolutionären Bruchs“, was wir in diesem Artikel auch darlegen wollen.

Wichtige Fragen

Auch wenn wir nicht wissen, ob und wie viel nochmal vom „Revolutionären Bruch“ zu hören sein wird: Die Debatte darüber ist von politischem Nutzen, um die Unterschiede in Programm, Strategie,Taktik,Perspektiven und insbesondere der Anwendung der marxistischen Methode zwischen den verschiedenen involvierten Gruppen (oft mit trotzkistischem Selbstverständnis) zu beleuchten.

Denn die Debatten berühren wichtige Fragen: Was ist eigentlich DIE LINKE und welche Rolle spielte und spielt sie heute für den Klassenkampf? Was sind die Gründe für ihre Krise? Wie entwickeln sich das Bewusstsein der Arbeiter*innenklasse und ihre Organisationen? Was ist Reformismus und wie gehen Revolutionär*innen mit diesem Phänomen um? Und wie kommen wir zu einer großen revolutionären Organisation, die in der Lage ist, eine sozialistische Umwälzung zum Erfolg zu führen? Klare Antworten auf diese Fragen suchen viele junge linke Aktivist*innen und sehr viele mehr werden sie in den nächsten Jahren suchen. Wir sind überzeugt, dass der „Revolutionäre Bruch“, aber auch die dahinterstehenden Organisationen wie RIO,sie bei ihrer Suche in die falsche Richtung weisen.

Zunächst: Vieles an der Kritik der LINKEN und Linksjugend, welche die Unterstützer*innen des „RB“ äußern ist berechtigt – wenn wir auch manches anders formulieren würden. Die Abschlusserklärung und andere Dokumente rund um die Konferenz enthalten aber auch viele Formulierungen und Thesen, die wir nicht teilen. Es gab nicht wenige Debattenbeiträge auf der Website, sowie eine Mehrheits- und Minderheitserklärung auf der Konferenz, die sich an einigen Fragen unterscheiden. So spricht sich zum Beispiel die Minderheitserklärung, welche die Gruppe Arbeiter*innenmacht (GAM) eingebracht hatte, für die weitere Unterstützung bestimmter LINKE-Kandidat*innen, die sich gegen eine weitere Regierungsbeteiligung positionieren aus und formulieren etwas andere Thesen zur sogenannten „Einheitsfront“.3 Auch wenn wir an dieser Minderheitserklärung einiges zu kritisieren hätten, wollen wir uns auf die wichtigsten Differenzen zur Mehrheitserklärung4 konzentrieren, welche auf einen Entwurf von RIO5 zurückgeht.

Grundlegende Standpunkte der Sol

Bevor wir unsere Kritik am RB aber entwickeln, wollen wir einen Schritt zurück machen und etwas ausholen, um grundlegende Standpunkte der Sol deutlich machen. Wir halten das für nötig, um jenen Interessierten, die unsere grundlegenden Ideen noch nicht kennen, unsere Kritik verständlicher zu machen. Diese Ideen begründen nämlich insbesondere das, was wir die „doppelte Aufgabe“ nennen – eine taktischeSchlussfolgerung der Sol bzw. des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI; internationale marxistische Organisation, deren Sektion in Deutschland die Sol bildet), welche von anderen Organisationen mit trotzkistischem Selbstverständnis regelmäßig kritisiert (aber leiderin der Regel nicht richtig verstanden) wird.

Die Sol ist eine revolutionär-marxistische Organisation. Wir glauben nicht, dass der Kapitalismus sozial gerecht umgestaltet oder aber langsam – Schritt für Schritt und allein durch parlamentarische Mehrheiten – abgeschafft werden kann. Nur eine revolutionäre Massenbewegung der Arbeiter*innenklasse und der sozial Benachteiligtenkannden Kapitalismus überwinden und damit beginnen, eine sozialistische Demokratie aufzubauen. Die Arbeiter*innenklasse und solch eine Bewegung brauchen letztlich ein revolutionäres Programm und eine revolutionäre Massenorganisation mit einer weitsichtigen marxistischen Führung, um erfolgreich zu sein. Solch eine Organisation aufzubauen, ist das Ziel der Sol bzw. des CWI.

Die erste Voraussetzung, um eine solche Organisation aufzubauen, ist unserer Meinung nach ein richtiges Verständnis des Marxismus (nicht als Sammlung dogmatischer Lehrsätze, sondern als Methode zur Erkenntnis und Veränderung der Welt) sowie eine korrekte Verarbeitung der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung und vergangener Revolutionen. Auf dieser Basis haben wir unser Programm entwickelt. Aber korrekte Ideen und ein revolutionäres Programmallein reichen nicht für eine Revolution. Umgekehrt braucht eine marxistische Organisation die Unterstützung von der Mehrheit der Arbeiter*innenklasse, um überhaupt in die führende Position einer einmal ausgebrochenen revolutionären Bewegung zu kommen.

Mit dieser Erkenntnis sind wir in guter Gesellschaft: Selbst in den Stürmen der Revolution von 1918/1919 hielt der von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gegründete Spartakusbund diesen Gedanken in seinem Programm fest: „Der Spartakusbund wird nie anders die Regierungsgewalt übernehmen als durch den klaren, unzweideutigen Willen der großen Mehrheit der proletarischen Masse in Deutschland, nie anders als kraft ihrer bewußten Zustimmung zu den Ansichten, Zielen und Kampfmethoden des Spartakusbundes.“6Die dritten und vierten Kongresse der kommunistischen Dritten Internationale, die vor ihrer Stalinisierung noch das Zentrum der revolutionären sozialistischen Bewegung war, stellen ebenfalls fest, dass man erst die Massen erobern muss, bevor man an die Machteroberung denken könne.7 Alles andere führe zu ultra-linkem Abenteurertum.

Aber wie gewinnt man die Mehrheit der Klasse? Welche Faktoren beeinflussen diesen Kampf? Schon Marx wusste: „Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein.“ Die besten Ideen können noch so richtig sein, ob bzw. in welchem Zeitraum und auf welchem Weg sie sich durchsetzen, hängt von vielen Faktoren außerhalb unseres Einflusses ab. Eine richtige Analyse der objektiven Situation (das heißt u.a. der Entwicklung des Kapitalismus und des Klassenkampfes, des Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, der Ökonomie, des Bewusstseins usw.) ist für Revolutionär*innen unerlässlich, um nicht die Orientierung zu verlieren und zu falschen Schlussfolgerungen zu gelangen.

Korrekte Analyse der objektiven Lage nötig

Die Sol und das Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI) gründen ihre Arbeit deshalb immer auf eine genaue und die verschiedenen Faktoren und Entwicklungen umfassende Untersuchung der objektiven Lage und stellen auf dieser Basis Perspektiven auf. Wirhaben nie davor zurückgeschreckt, auch die objektiven Komplikationen unserer Zeit zu analysieren statt die Augen davor zu verschließen. Zweifellos ist der Kapitalismus aktuell in seiner tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Sie hat bereits in den vergangenen Jahren zu enormer politischer Polarisierung, einer massiven Infragestellung bürgerlicher Institutionen und Parteien und auch zur beeindruckenden Massenbewegungen bis hin zu revolutionären Erhebungen geführt. Die nächsten Jahre werden in einem noch viel größerem Maß von jener Instabilität geprägt sein. Die grundlegenden Ursachen dieser Krise sind struktureller Natur und damit auf Basis des Kapitalismus nicht zu überwinden. Das zeigt, wie nötig der Sozialismus geworden ist.

Aber die Überwindung des Kapitalismus muss ein bewusster Akt der Arbeiter*innenklasse sein. Das Bewusstsein der Arbeiter*innenklasse, der Grad ihrer Organisierung und der Zustand sowie die politische Ausrichtung ihrer Organisationen (Parteien, Gewerkschaften, etc.) sind daher wichtige Faktoren, die es zu analysieren gilt. Dazu benutzen wir die marxistische Methode; das heißt, wir betrachten diese Phänomene in ihrer Entwicklung, ihrer Widersprüchlichkeit und Abhängigkeit zueinander und den Veränderungen in der Gesellschaft; suchen Ursache und Wirkung, um daraus Schlussfolgerungen für die Praxis abzuleiten.

Auswirkungen des Zusammenbruchs des Stalinismus

Eine Aspekt dieser Analyse sind die angesprochenen enormen Krisenentwicklungen der letzten Jahre. Diese werden dazu führen, dass ein Teil der Arbeiter*innenklasse und vor allem der Jugend revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen und für den Marxismus zu gewinnen sein wird. Aber jede historische Phase wird beeinflusst von der vorherigen. Deshalb sind ein weiterer Teil der Analyse auch die bis heute anhaltenden Auswirkungen vergangener Zeiten, insbesondere des Zusammenbruchs des Stalinismus, sowie der Verbürgerlichungen der Arbeiter*innenparteien in den 1980er und 1990er Jahren. Die Restauration des Kapitalismus in den ehemaligen Ostblock-Staaten bedeutete für das Kapital einen ideologischen Triumphzug über die Idee einer sozialistischen Alternative zu ihrem System.

Der Stalinismus war ein diktatorisches Regime über die Arbeiter*innenklasse, eine Karikatur auf die Idee der sozialistischen Demokratie, die Ziele der Russischen Revolution sowie des Bolschewismus. Aber er war auch eine nicht-kapitalistische Gesellschaft ohne Privateigentum an großen Produktionsmitteln und bewahrte so während seiner Existenz auf extrem verzerrte Weise zahlreiche positive Errungenschaften dieser Revolution. Die Tatsache, dass die Wirtschaft staatlich geplant statt durch die Anarchie des Marktes beherrscht wurde, führte zum Beispiel dazu, dass es anders als heute so gut wie keine Arbeits- oder Wohnungslosigkeit gab.

Die über Jahrzehnte beeindruckende ökonomische Entwicklung Russlands und anderer stalinistischer Staaten, aber auch das Prestige der russischen Revolution hatte in vielen kapitalistischen und neokolonialen Ländern eine große Wirkung auf den Klassenkampf. Es gab eben eine (wenn auch extrem verzerrte) Systemalternative zum Kapitalismus, die sich (fälschlicherweise) Sozialismus nannte. Es gibt das Gedankenbild, dass die Sowjetunion an jeder Lohnverhandlung als unsichtbare dritte Partei am Verhandlungstisch dabeisaß – als (unausgesprochene) Quasi-Drohung an die Kapitalist*innen im Schatten der Arbeiter*innen. Da diese Planwirtschaft nicht demokratisch durch die Arbeiter*innenklasse sondern bürokratisch durch eine Kaste von Parteibürokrat*innen organisiert wurde, musste sie scheitern – es sei denn eine politische Revolution hätte eine wirkliche Arbeiter*innendemokratie hergestellt. Doch dazu kam es nicht, weil der Prozess der politischen Revolution, der mit den Massenprotesten 1989 einsetzte in die Bahnen einer kapitalistischen Konterrevolution umgelenkt wurde.

Zustand der Arbeiter*innenbewegung

So kann man erklären, dass der Zusammenbruch des Stalinismus verheerende Folgen für die Arbeiter*innenbewegung hatte. Das Kapital konnte die Idee des Sozialismus diskreditieren. Der Zusammenbruch führte zu einem weitgehenden Rückgang von sozialistischem Bewusstsein in der breiteren Arbeiter*innenklasse und auch in seinen organisierten Schichten, dessen Auswirkungen wir bis heute spüren. Zusammen mit der neoliberalen Offensive des Kapitals gab es darüber hinaus eine Schwächung der Organisationen der Arbeiter*innenklasse: Gewerkschaften entleerten sich und wurden noch bürokratischer. Arbeiter*innenparteien, wie die SPD, hatten seit Jahrzehnten bereits eine pro-kapitalistische Führung, die im System verankert war. Aber sie waren bis dato Arbeiter*innenparteien geblieben; an der Basis gab es hunderttausende sozialistisch gesinnte Beschäftigte und große Teile der Arbeiter*innenklasse sahen in der SPD „ihre“ Partei. Das änderte sich und diese sozialdemokratischen oder auch manche der (ex-)kommunistischen Parteien verbürgerlichten in vielen Ländern vollends oder verschwanden in die Bedeutungslosigkeit. Es verschwand eine ganze politisch fortgeschrittene Schicht von zehntausenden Beschäftigten, die grundsätzlich sozialistisch eingestellt und in politischen Parteien, Gewerkschaften, Bewegungen aktiv waren. Bis heute verkomplizieren diese „Altlasten“ nicht nur die Arbeit von Revolutionär*innen, sondern erschweren im Allgemeinen den Kampf der Arbeiter*innenklasse gegen Angriffe des Kapitals.

Es sind diese Komplikationen, vor denen einige Gruppen mit revolutionärem Anspruchdie Augen verschließen oder nicht die nötigen Schlussfolgerungen ziehen. Sie zitieren dabei oft Leo Trotzki, der in den 1930er Jahren die Krise der Arbeiter*innenbewegung (d.h. ihre politische Unfähigkeit, den Kapitalismus zu dieser Zeit zu stürzen) auf die Krise der Führung der Arbeiter*innenbewegung (Stalinismus, Reformismus) zurückgeführt hat. Es ist keine Frage, dass auch heute eine solche „Krise der Führung“ besteht und dass sie noch tiefer ausfällt als in den 1930ern. Teil dessen ist auch das Versagen und in einigen Fällen der offene Verrat jener linken Formationen und Führer*innen, die in den Jahren seit der Finanzkrise 2007/08 aufgestiegen sind. Aber wir haben es heute auch mit einer Krise im Bewusstsein und der Organisation der Klasse zu tun – eben als Folge des Zusammenbruchs des Stalinismus. Damit geben wir nicht der Arbeiter*innenklasse „die Schuld“ an der ausbleibenden Revolution, aber wir machen uns die Herausforderungen unserer Zeit bewusst. Selbstverständlich sind diese Hürden nur relativ; erstens in dem Sinne, dass sie Kämpfe bis hin zu Revolutionen nicht ausschließen, welche sich aus den Krisen des Kapitalismus zwangsläufig entwickeln; zweitens in dem Sinne, dass durch solche neuen Kämpfe und Erfahrungen die Arbeiter*innenbewegung wiederaufgebaut werden kann und sozialistische und revolutionäre Ideen wieder mehr Verbreitung finden werden. Die Anfänge von diesem Prozess haben wir in den letzten Jahren in vielen Ländern erleben können,vom sogenannten Arabischen Frühling, den Protesten gegen die Eurokrise und Kürzungspolitik in Südeuropa bis hin zu den Massenbewegungen der letzten Jahre in Chile, Sudan, Sri Lanka uvm. Marxist*innen können diesen Prozess zudem beschleunigen, wenn sie in ihn intervenieren, doch dazu müssen sie dies als ihre Aufgabe verstehen.

Die „doppelte Aufgabe“

Daraus hat das CWI bzw. die Sol die „doppelte Aufgabe“ abgeleitet. Während wir am Aufbau einer organisatorisch unabhängigen, revolutionär-marxistischen Organisation festhalten, verstehen wir auch die Notwendigkeit einen Beitrag zum Wiederaufbau der breiteren Arbeiter*innenbewegung auf sozialistischer Grundlage zu leisten.Das beinhaltet die Aufgabe, die grundlegenden Ideen des Sozialismus wieder zu verbreiten und das bedeutet, dass wir u.a. für den Aufbau einer breiten sozialistischen Arbeiter*innenpartei eintreten.

Angesichts des zurückgeworfenen Bewusstseins und der Krise der Arbeiter*innenbewegung stellen wir die Perspektive auf, dass wichtige Teile der Arbeiter*innenklasse nicht direkt, sprunghaft zu revolutionär-marxistischen Schlussfolgerungen gelangen werden. Das gilt sicher nicht für die gesamte Arbeiter*innenklasse. Aber gerade in den entwickelten kapitalistischen Ländern werden Marxist*innen auch beim Ausbruch von Massenbewegungen mit weit verbreiteten Illusionen in reformistische Ideen und Führer*innen zu tun haben. Propaganda wird allein nicht ausreichen, um diese zu zerstreuen, sondern die Massen werden wie in der Vergangenheit auch ihre eigenen Erfahrungen machen müssen.

Die Existenz einer neuen Arbeiter*innenpartei wäre aber selbst dann ein Fortschritt, wenn sie nicht direkt ein revolutionäres Programm annehmen würde, weil sie der Arbeiter*innenklasse ein wichtiges Werkzeug im Klassenkampf (zurück-)geben würde. Was für ein Fortschritt wäre heute die Existenz einer kämpferischen Partei, die streikende und gewerkschaftlich aktive Arbeiter*innen, Sozialist*innen, Mietenaktivist*innen und andere Vertreter*innen sozialer Bewegungen zusammenführen und der Macht der Banken und Konzerne den Kampf ansagen würde. Sie würde nicht nur das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen zu unseren Gunsten verschieben, sondern wäre gleichzeitig ein Forum für Debatten (und damit auch für Revolutionär*innen) darüber, wie die Interessen der Arbeiter*innenklasse durchgesetzt und der Kapitalismus abgeschafft werden könnte.

Entscheidend ist für die Sol, dass es ein Fortschritt ist, wenn ein relevanter Teil der Arbeiter*innenklasse sich politisch unabhängig vom Kapital organisiert, um seine Klasseninteressen durchzusetzen; wenn es einen Bezugspunkt für die Hoffnung breiterer Schichten gibt und wenn deren Erfolg nicht nur zu materiellen Verbesserungen sondern auch zu mehr Selbstbewusstsein, -organisation und -aktivität führen würde.

Die Bildung neuer Arbeiter*innenparteien vorzuschlagen bzw. solche zu unterstützen bedeutet nicht politische Unterstützung für möglicherweise reformistische Positionen solcher Parteien. Marxist*innen müssen immer vor den Grenzen und Folgen einer reformistischen Politik warnen. Es gilt aber auch zu verstehen, dass es einen Unterschied macht, ob reformistische Illusionen Teil des Weges der Arbeiter*innenklasse auf dem Weg von einer „Klasse an sich“ zu einer „Klasse für sich“ sind oder ob diese Illusionen als Waffe in der Hand einer bürgerlichen Bürokratie gegen den Kampf für Sozialismus genutzt und damit gefestigt werden. Ersteres müssen Marxist*innen als notwendiges Zwischenstadium der Bewusstseinsentwicklung mindestens von Teilen der Massen anerkennen und dabei helfen, dass die Massen dieses Stadium schnell hinter sich lassen und zu revolutionären Schlussfolgerungen kommen. Letzteres gilt es als systemerhaltend zu erkennen und politisch zu bekämpfen.

Das ist vergleichbar mit der Aufgabe, an die sich Karl Marx und Friedrich Engels mit dem Aufbau der Ersten Internationale gemacht haben. Nachdem sie zuvor die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus begründet hatten, machten sie deren volle Akzeptanz nicht zur Voraussetzung für die gemeinsame Organisation. Die Erste Internationale war beileibe keine homogen-marxistische Einheit, Marx und Engels führten dort scharfe Debatten mit Anarchist*innen und Reformist*innen. Ihr Ziel war es, zunächst eine führende Schicht von Arbeiter*innen international auf der gemeinsamen Grundlage der politischen Unabhängigkeit vom Kapital und einer sozialistischen Zielsetzung zu organisieren, auf deren Basis sie für ihre weitergehenden Ideen streiten konnten. Ein anderes Beispiel ist Leo Trotzkis Unterstützung für die Parole einer Arbeiter*innenpartei (Labor Party) in den USA der 1930er Jahre.

Die Vergangenheit wiederholen?

Wenn Organisationen wie RIO unsere Ideen kritisieren, verstehen sie sie entweder nicht oder geben sie falsch wieder oder tun im schlimmsten Falle beides. RIO wirft uns zum Beispiel in einem Artikel vor zu behaupten, dass die „Arbeiter*innenbewegung […] dieselben Entwicklungen machen müsse, die sie in ihrer Entstehung gemacht hat.“; dass sie zuerst eine lange Zeit der gemeinsamen Organisierung der Revolutionär:innen und Reformist:innen wie vor dem 1. Weltkrieg durchlaufen“ müsse und Nur nach einer langen Periode des Kampfes und opportunistischer Fehler gäbe es die Möglichkeit einer revolutionären Organisierung“8. Es ist kein Zufall, dass RIO für diese Behauptungen keine Zitate oder Belege anführt bzw. anführen kann – denn es ist eine falsche Wiedergabe unserer Ideen, die einzig ihrer eigenen Interpretation entspringt. An anderer Stelle reißen sie in dem Artikel ein Zitat eines Sol-Artikels aus dem Zusammenhang und konstruieren daraus Positionen der Sol, die wir nicht haben – was man leicht erkennt, wenn man den entsprechenden Artikel komplett liest. Wir fordern RIO deshalb auf, grundlegende methodische Standards wie korrektes Wiedergeben von Inhalten anzuwenden.

Nirgends sagen wir, es ginge heute darum, wie vor dem 1. Weltkrieg über Jahrzehnte Arbeiter*innenparteien aufzubauen, die dann dieselbe Entwicklung nehmen müssen, bis sich eine revolutionäre Partei gründen kann. Erstens weil die historisch-ökonomischen Bedingungen des Kapitalismus, der in ein imperialistisches Stadium eingetreten ist, solch eine Entwicklung ausschließen. Die Basis für die langsame Entwicklung des Reformismus in der SPD war der gewisse ökonomische Aufschwung zum Ende des 19. Jahrhunderts – diese Perspektive besteht heute nicht. Zweitens weil wir ja die Möglichkeit einer „revolutionären Organisisierung“ heute nicht ausschließen, sondern (sowohl innerhalb wie außerhalb breiterer Parteien) vorantreiben. Es geht bei der doppelten Aufgabe auch nicht darum, den Wiederaufbau der Arbeiter*innenbewegung in ein dogmatisches Perspektivschema zu pressen: Erst breite Arbeiter*innenpartei, danach revolutionäre Organisation. Gerade mit Blick auf die Massenbewegungen der letzten Jahre ist nicht auszuschließen, dass revolutionäre Organisationen sprunghaft wachsen und in bestimmten Ländern zu einem Bezugspunkt werden können. Aber auch dann haben sie weiter die Aufgabe, eine Mehrheit für ihr Programm zu gewinnen. Es geht darum, aus der Vergangenheit zu lernen und zu prüfen, ob bestimmte Methoden oder Elemente davon den Bedingungen der heutigen Zeit entsprechen oder nicht.

Darum orientieren wir (von Land zu Land in verschiedener Form) auf Prozesse, die in die Richtung einer neuen Arbeiter*innenpartei weisen, und unterstützt die Sol jeden Ansatz, der potenziell einen Schritt auf dem Weg zu einer solchen politischen Interessenvertretung macht. Überall treten wir aber mit unseren marxistischen Ideen auf und für eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus ein, aber wir machen die Zustimmung zu revolutionären Schlussfolgerungen nicht zur Voraussetzung für eine Mitarbeit in solchen Formationen. Die Sol bzw. ihre Vorgängerorganisation SAV ist aus diesen Gründen zunächst in der damaligen WASG und nach der Fusion in der Partei DIE LINKE aktiv geworden – nicht weil wir der Meinung waren, dass das schon Arbeiter*innenparteien gewesen wären, sondern weil sie solche Bezugspunkte darstellten und wir die Möglichkeit sahen, dass sich aus diesen Formationen unter dem Eindruck von Klassenkämpfen Prozesse entwickeln, die einen Schritt auf dem Weg hin zu einer wirklichen Arbeiter*innenpartei darstellen. Gleichzeitig haben wir zu keinem Zeitpunkt darauf verzichtet, mit der SAV bzw. später der Sol eine revolutionär-marxistische Organisation aufzubauen.

Wir hoffen, dass die Leser*innen nun eine Vorstellung von der grundsätzlichen Herangehensweise der Sol bekommen haben. Auf dieser Grundlage wird es leichter fallen, unsere Kritik am Revolutionären Bruch (RB)bzw. RIO nachzuvollziehen.

Krise der LINKEN

Also was sagt der RB? Der RB erklärt,was schon immer die Haltung von RIO war.DIE LINKE und die Linksjugend angesichts der pro-kapitalistischen Politik, welche die Partei in Regierungen mitgetragen hat, ist in keinster Weise, auch nicht kritisch, zu unterstützen: „Seit 15 Jahren vertiefen sie stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends.“9 und „Das Scheitern der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie“. Daran ändere auch nichts, „dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen „kritisch“ sieht, ebenso wenig einzelne „linkere“ Ortsgruppen ihres Jugendverbandes“. Ihren Austritt und ihre „Abrechnung“ mit der LINKEN setzt die Konferenz einem Bruch mit dem „Reformismus“ gleich.

Die Krise der LINKEN ist offensichtlich. Wir glauben auch, dass die zentrale Ursache in der politischen Ausrichtung der Partei und ihrer Anpassung an SPD und Grüne insbesondere in pro-kapitalistischen Regierungsbeteiligungen liegt. In Zeiten von Pandemie, Krieg und Inflation hat DIE LINKE weitgehend versagt, sozialistische Positionen vorzutragen und eine kämpferische Opposition zur Regierung aufzubauen. Eine Spaltung der Partei wird immer wahrscheinlicher, was dazu führen kann, dass DIE LINKE in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Dennoch glauben wir, dass die Genoss*innen es sich zu einfach machen, wenn sie sagen, dass dies nichts mit der objektiven Lage zu tun hat bzw. sie den Eindruck erwecken, diese Entwicklung verliefe seit 15 Jahren geradlinig (wobei man im Falle von RIO davon sprechen müsste, dass sie gar keine Entwicklung sehen und schon immer diese Einschätzung der LINKEN hatten).

Letzteres ist einfach nicht der Fall. 2009, nach der Finanzkrise, erreichte die Partei fast 12 Prozent und über fünf Millionen Stimmen bei den Bundestagswahlen. Sie war für viele ein wichtiger Bezugspunkt mit einem sozialistischen Anspruch, an dem Marxist*innen ansetzen konnten – mit positiven Vorschlägen und entsprechender Kritik. In der Partei gab es über viele Jahre lebendige Debatten und gerade an der Regierungsfrage Auseinandersetzungen zwischen dem Reformer-Lager und einem linken Flügel von verschiedenen (links-)reformistischen bis hin zu revolutionären Kräften. Die Situation in der Partei hat sich durch die Etablierung verschiedener prinzipienloser Machtblöcke in den letzten Jahren verkompliziert. Trotz der Beschränktheit ihrer reformistischen Führung war die Existenz der Partei im Bundestag aber unter’m Strich ein Pluspunkt im Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, weil es eine Partei gab, die sich u.a. gegen die Macht der Banken und Konzerne ausspricht, teils die Eigentumsfrage stellte und die Regierenden von links unter Druck setzte.

Dabei geht es nicht darum DIE LINKE schöner zu reden als sie war oder aktuell ist. Die Sol bzw. bis zur Spaltung ihre Vorgängerorganisation die SAV hat das nie gemacht, sondern immer für einen kämpferischen und sozialistischen Kurswechsel gekämpft. Das beinhaltete im Übrigen auch einen Kampf gegen die sozialen Wurzeln der reformistischen Beschränktheit mit konkreten Forderungen, wie nach durchschnittlichem Facharbeiter*innenlohn, sowie jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit und Rechenschaftspflicht für Amts- und Mandatsträger*innen (was man in der RB-Erklärung vergeblich sucht). Aber es gilt, bei aller korrekten Kritik an der Parteiführung und vor allem den Fraktionen und Minister*innen in Landesregierungsverantwortung, wo DIE LINKE immer mehr als Teil des Establishments wahrgenommen wird, die Proportionen zu wahren. Es ist zum Beispiel richtig, das Fast-Scheitern der LINKEN bei der letzten Bundestagswahl auf die weitgehende Anpassung der Partei zurückzuführen. Gleichzeitig sollte man sich bewusst machen, dass ein Scheiternder LINKEN bei den Bundestagswahlen ein Erfolg für das Kapital gewesen wäre und viele hunderttausende Menschen demoralisiert und nicht radikalisiert hätte. Nicht zuletzt wurden einige wichtige gewerkschaftliche Kämpfe, wie die Krankenhausbewegungen, durch die Partei unterstützt. All das fällt in der Betrachtung des RB bzw. bei RIO unter den Tisch.

Aber auch die objektive Lage setzt Revolutionär*innen (ob innerhalb oder außerhalb der LINKEN) gewisse Grenzen. Es ist einfach zu schreiben, die Krise der LINKEN hat nichts mit widrigen Umständen zu tun oder wie es ein Genosse von RIO in einem Artikel10 gegen die Sol macht, heute auf die Krise der LINKEN hinzuweisen und zu postulieren, dass es nicht funktioniert „einerseits eine revolutionäre Organisation aufbauen zu wollen und andererseits gleichzeitig im Gleichschritt einer reformistischen Massenpartei zu gehen“ (wobei wir nie „im Gleichschritt“ gegangen sind) und dass damit zu begründen, dass „es keinen merklichen Effekt dieser Strategie gegeben“ hat, „DIE LINKE immer weiter nach rechts driftet“ und „kaum Menschen für revolutionäre Politik gewonnen werden“ konnten. Die „Strategie“ der Sol ist aber leider nicht der entscheidende Faktor für die Entwicklung der LINKEN gewesen. Auch RIO hat in den letzten Jahren keine größere revolutionäre Organisation mit Verankerung in der Arbeiter*innenklasse aufgebaut – wir könnten es uns also auch leicht machen und keinen „merklichen Effekt dieser Strategie“ postulieren. Dass das aber so ist, dass es in der LINKEN nicht zu einem Differenzierungsprozess zwischen einem linken und rechten Parteiflügel gekommen ist, hat auch viel mit dem relativ geringen Niveau von Klassenkämpfen der letzten Jahre und den Komplikationen im Bewusstsein der Arbeiter*innenklasse zu tun.

Neue linke Formationen

Der RB zieht die Parallele zu anderen linken bzw. linkspopulistischen Formationen, die in den letzten Jahren in anderen Ländern entstanden sind und zum Teil auf der Basis von großen Massenbewegungen die Unterstützung von Millionen Menschen bekommen hatten, zum Beispiel „Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich“11. Dazu schreibt der RB aber: „Sie sind keine Ausdrücke des Klassenkampfes. Im Gegenteil: Sie lenken den Klassenkampf in staatstragende Bahnen um.“

Die Formulierung ist im besten Fall ungenau, im schlechtesten Fall eine Abkehr vom Marxismus – sie zeigt in jedem Fall, auf was für einen Holzweg der RB gerät. Alle politischen Formationen sind Ausdruck des Klassenkampfes, ob Syriza und Podemos oder CDU oder die US-Demokraten. Entscheidend ist es, ihre Funktion im Klassenkampf zu erkennen. Es ist fernab jeder Realität zu behaupten, die Wahlerfolge von Syriza und Podemos wären nicht Folge von jenen Klassenkämpfen und Massenmobilisierungen gewesen, welche in diesen Ländern zuvor stattfanden. Selbstverständlich wäre der Wahlerfolg dieser Formationen undenkbar ohne diese Bewegungen, Streiks und Kämpfe und die Millionen Menschen, die dadurch mobilisiert wurden und ihre Hoffnungen in diese Kräfte setzten. In diesem Sinne waren sie politischer Ausdruck dieser Proteste, auch wenn die Politik ihrer Führungen in der Regel rechts vom Bewusstsein der Massen bzw. zumindest der aktiv an den Protesten Beteiligten war.

Die Führungen von Syriza und Podemos haben die in sie gesetzten Hoffnungen der Massen auf krasseste Weise verraten, als es darum ging deren Interessen gegen das Kapital durchzusetzen. Die Sol und das CWI haben diesen Verrat stets scharf angegriffen. In dessen Folge haben diese Kräfte auch die Unterstützung breiter Schichten wieder verloren und hat sich ihr Ansehen massiv geändert. War das angesichts des reformistischen Charakters der Führung unausweichlich? In gewisser Hinsicht ja. Sofern man nicht bereit ist, über die Grenzen des Kapitalismus hinauszugehen, was nur durch sozialistische Maßnahmen und eine Mobilisierung der Massen möglich ist, kommt früher oder später der Punkt des Verrats an den Interessen der Arbeiter*innenklasse. Deshalb ist es nötig, im Rahmen solcher Bewegungen für ein sozialistisches Übergangsprogramm einzutreten und für die Selbstorganisation der Massen sowie ihre demokratische Kontrolle über die Führungen zu kämpfen, damit es im Falle von Fehlern oder Verrat die Möglichkeit gibt, die politischen und personellen Lehren zu ziehen.

Es wird gerade in den entwickelten kapitalistischen Ländern eher die Regel als die Ausnahme sein, dass große Teile der Arbeiter*innenklassen nicht direkt zu revolutionären Schlussfolgerungen gelangen, sondern zuerst vermeintlich „einfachere“ Wege für eine Veränderung in ihrem Sinne ausprobieren wollen. Die Frage ist, wie man in solchen Fällen damit umgeht. War es falsch, als die Massen diese Hoffnungen hatten, positiv an diesen anzusetzen und einen Weg aufzuzeigen, wie man ihre Interessen durchsetzen kann? Die Bewegung zu nutzen, um in ihr praktisch die Überlegenheit marxistischer Ideen zu beweisen? Während man gleichzeitig vor dem faulen Kompromiss und Verrat der Führungen warnt, mit den organisierten Schichten dagegen kämpft und die eigene revolutionäre Organisation aufbaut? Wir glauben nicht, dass das falsch ist, sondern dass das viel mehr in der Tradition der Ideen der Einheitsfrontpolitik steht.

Wir glauben eher, dass es falsch ist, an den Hoffnungen und den praktischen Erfahrungen der Massen vorbei, die Revolution von der Seitenlinie zu propagieren. Das war die Methode von RIO, die in Griechenland zum Beispiel als Alternative zu Syriza für das „linksradikalere“ Antarsya-Projekt geworben hat. Die Mehrheit von Antarsya hat aber nicht verstanden, dass die größten Teile der Bevölkerung und Bewegung Hoffnungen in Syriza gesetzt haben und es darum ging, an dieser Stimmung anzusetzen und sich nicht davon zu isolieren, sondern Vorschläge für den Aufbau einer neuen linken Massenkraft und vor allem der Bildung einer linken Regierung mit sozialistischem Programm zu machen bzw. sich an so einem Prozess zu beteiligen – ohne dabei auf Kritik an der Syriza-Führung oder den eigenen sozialistischen Vorstellungen zu verzichten. Das hat Antarsya nicht gemacht und ist (auch deshalb) nach dem Verrat von Syriza von den Massen nie als nächste Anlaufstelle verstanden worden.

Kein Schematismus

Es kann natürlich auch falsch werden, solche Parteien zu unterstützen, wenn sie ihren Verrat vollzogen haben und die Massen sich von ihnen zurecht abwenden. Wir teilen deshalb auch nicht die schematische Position einer anderen, sich der revolutionären Linken zuordnenden Organisation, nämlich des „Funken“, die in ihrem Artikel Podemos oder Syriza als „Arbeiter*innenparteien“ bezeichnen und schreiben, dass diese „die erste Anlaufstelle der Massen in den Klassenkämpfen bleiben, solange die Hoffnungen auf eine parlamentarische Lösung der Probleme der Arbeiterklasse nicht aufgegeben sind“12. Nicht jede reformistische Kraft mit Unterstützung auf der Wahlebene ist gleich eine Arbeiter*innenpartei. Die neuen linken Formationen haben zum Beispiel keine ausreichende soziale Basis in der Arbeiter*innenklasse gehabt, als dass man sie als solche hätte bezeichnen können – und deshalb haben sich große Teile der Massen auch schnell wieder abgewandt.

Es gilt eben zu unterscheiden, in welchen Situationen man welche Politik anwendet. Aber eine Aufteilung in Schwarz und Weiß, die einer nicht-revolutionären politischen Kraft prinzipiell die kritische Unterstützung versagt, führt im schlimmsten Fall zu einer Schwächung der Arbeiter*innenklasse. Wir haben oben zum Beispiel die französische France Insoumise (FI) bzw. Jean-Luc Mélenchon nicht in einen Topf mit Syriza und Podemos geworfen. Diese Kraft – trotz ihrer politischen Beschränktheit und ihres undemokratischen Organisationsprinzip – drückte in der letzten Phase weiter die Interessen und Hoffnungen eines großen Teils der französischen Arbeiter*innenklasse aus. Die Schwesterorganisation der Sol in Frankreich fordert seit Jahren, dass die FI sich demokratisieren und Schritte zum Aufbau einer Arbeiter*innenpartei ergreifen soll und äußern viel Kritik an der Führung um Mélenchon. Trotzdem haben wir die Partei kritisch unterstützt, weil ihr Erfolg die Bedingungen für den Klassenkampf verbessert hätte.

Es war extrem schädlich, dass sich bei den Präsidentschaftswahlen im letzten Jahr Gruppen mit revolutionärem Selbstverständnis, darunter die Schwesterorganisation von RIO, dazu entschieden haben, gegen eine Stimmabgabe für Mélenchon zu argumentieren, statt ihn wie das CWI kritisch zu unterstützen. Die Stimmen der „revolutionären“ Linken, die auf einer eigenen Kandidatur beharrten, hätten dafür ausgereicht, dass Mélenchon und nicht die rechtspopulistische Le Pen in die Stichwahl gegen Macron gekommen wäre! Es ist völlig klar, dass ein Duell Mélenchon vs. Macron hundertmal besser für Revolutionär*innen und die Arbeiter*innenbewegung gewesen wäre, sowohl was die politischen Debatten als auch was die Möglichkeit eines weiteren Aufbaus einer wirklich sozialistischen Partei bzw. Bewegung anginge. Umgekehrt hatte so Le Pen die Möglichkeit, den Unmut gegen die Macron-Regierung von rechts aufzugreifen.

Umgang mit Reformismus

In Wahrheit schreckt der RB davor zurück, die komplizierten Situationen im Klassenkampf anzuerkennen und mit ihnen umzugehen, weil man dabei opportunistische Fehler machen kann. Aber revolutionäre Politik heißt in der Praxis nicht, einfach zu jeder Zeit reformistische Führer*innen als (potenzielle) Verräter zu brandmarken. Reformismus läuft früher oder später immer auf Verrat an den Interessen der Arbeiter*innenklasse hinaus. Aber das ist der Masse der Arbeiter*innenklasse nicht bewusst. Man muss den Unterschied erkennen, wann diese Führer*innen die Hoffnungen (von Teilen) der Arbeiter*innenklasse ausdrücken und in gewissen Grenzen den Klassenkampf vorantreiben (oder von diesem getrieben werden) und wann sie diese verraten. Man muss wissen, wann man kritisch-unterstützend Forderungen an diese Führer*innen stellt (ohne Illusionen zu schüren),um den Druck auf die Führer*innen zu erhöhen und die Arbeiter*innenklasse so politisch auf die wesentlichen nächsten Schritte oder Gefahren hinzuweisen. Und wann man aus dem Verrat oder den negativen Erfahrungen mit diesen Führer*innen vor der Klasse die entsprechenden Lehren zieht.Und man sollte nicht ausschließen, dass in Zukunft selbst linksreformistische oder zwischen Reformismus und revolutionärer Politik schwankende Führer*innen durch den Druck von Massenkämpfen nach links getrieben werden können.Das bedeutet flexibel in der taktischen Herangehensweise zu bleiben entsprechend der jeweiligen Situation ohne revolutionäre Prinzipien in Frage zu stellen.

Der RB bzw. RIO ziehen sich stattdessen auf die Position zurück, einfach eine wirklich revolutionäre Organisation aufzubauen, „die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter*innenklasse, der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant*innen im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann.“13 Dazu schreibt der RB sich an verschiedenen Stellen viele richtige (aber auch einige falsche) programmatische Leitsätze in seine Abschlusserklärung. Die Umsetzung des Programms mache eine „Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital“ nötig. „Dazu ist es notwendig, die bremsende Rolle der Bürokratien der SPD, der Gewerkschaften und NGOs zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen“.

Einheitsfront

Leider herrscht auch hier Verwirrung über den Charakterder Einheitsfrontpolitik. Im historischen Sinne war die Einheitsfront in den 1920er Jahren die Politik der Kommunistischen Internationale gegenüber der opportunistischen Sozialdemokratie, welche noch in vielen Ländern von einem großen Teil der Arbeiter*innenklasse unterstützt wurde. Das Prinzip ist nicht kompliziert – grob zusammengefasst: Die Kommunist*innen, die bereits eine große Partei darstellen, bestehen auf der Notwendigkeit revolutionärer Politik zum Sturz des Kapitalismus. Gleichzeitig erkennen sie an, dass das keine Hürde für den gemeinsamen Kampf mit den nicht-revolutionären Teilen der Klasse sein darf und man die sozialdemokratischen Arbeiter*innen nicht allein durch Propaganda überzeugen wird. Sie schlagen also den reformistischen Führer*innen, wie den ihnen folgenden Arbeiter*innen vor, gemeinsam für die unmittelbaren Forderungen der Arbeiter*innenklasse oder gegen die unmittelbaren Angriffe des Kapitals (bzw. später auch der Faschist*innen) zu kämpfen. Dabei geht man keine politische Partnerschaft ein, welche die grundlegenden Unterschiede verwischt, sondern bewahrt sich die Freiheit der Kritik. Durch die Erfahrung im gemeinsamen Kampf können die Kommunist*innen ihre Überlegenheit demonstrieren und die Notwendigkeit revolutionärer Politik gegenüber den Angriffen des Kapitals, des Zögerns der reformistischen Führer*innen etc. deutlich machen.

Heute haben wir eine andere historische Situation und keine revolutionären Massenparteien. Die Methode der Einheitsfront bleibt aber ein wichtiges Werkzeug, wenn man versteht, unter welchen Bedingungen und auf welche Art sie anzuwenden ist. Das heißt als erstes zu verstehen, dass die Einheitsfront nicht zur Voraussetzung hat, die „bremsende Rolle der Bürokratien zu überwinden“ (dann wäre sie ja überflüssig), sondern dass sie das Mittel ist, trotz dieser bremsenden Rolle Kämpfe und Selbstorganisation voranzutreiben und es Revolutionär*innen ermöglicht, Unterstützung für ihr Programm zu gewinnen. Aber wie sieht das konkret-praktisch aus? Beim Lesen der Abschlusserklärung bekommt man den Eindruck, es ginge dem RB darum, einfach alle möglichen verschiedenen Forderungen aufzustellen, den Kampf für diese Forderungen zu propagieren und die Führungen der Gewerkschaften zu entlarven, dass sie letztlich sozialpartnerschaftliche statt klassenkämpferische Politik machen (ohne dass im Dokument mal benannt wird, dass es nötig ist auch Forderungen an die Führer*innen dieser Gewerkschaften zu richten).

Das weist auf ein falsches Verständnis der Einheitsfrontmethode hin. Es geht dabei in praktischer Hinsicht nicht darum, einfach den Kampf und die Mobilisierung für ein sozialistisches Übergangsprogramm zu fordern (und schon gar nicht, Forderungen ohne Adressaten in der Luft hängen zu lassen).Es geht darum, Kämpfe der Arbeiter*innenklasse für ihre (Teil-)Interessen voranzutreiben, die sich aus der heutigen Krise/Tagessituation usw. ergeben, diese so weit wie möglich zum Erfolg zu führen und dadurch die Selbstorganisation und das politische Verständnis (von Teilen) der Klasse zu stärken. Diese Kämpfe müssen Marxist*innen nutzen, um die Überlegenheit sozialistischer Ideen praktisch (und oft in konkreter Auseinandersetzung nicht nur mit reformistischen Führer*innen sondern auch Teilen der Klasse) zu demonstrieren und die besten Teile für ein revolutionäres Programm zu gewinnen.

Und wie immer gilt: Die Wahrheit ist konkret. Die genaue Praxis ist abhängig von den konkreten und oft komplizierten Bedingungen.Das kann zum Beispiel auch bedeuten, anzuerkennen,dass bestimmte Positionen, die Marxist*innen vertreten, eine Hürde für die unmittelbare Einbeziehung breiterer Teile der Lohnabhängigen usw. in Kämpfe/eine Einheitsfront darstellen und die Aktionseinheit an anderen wichtigen Fragen, wo man sich einig ist, gefährden können. Deshalb haben sich im letzten Herbst zum Beispiel Sol-Mitglieder dafür ausgesprochen, politisch richtige aber in der Klasse sehr umstrittene Positionen zum Ukraine-Krieg (Ablehnung von Waffenlieferungen, Nein zur Unterstützung der NATO und der Selenskyj-Regierung) nicht zur Grundlage für gemeinsame Mobilisierungen gegen die Preissteigerungen in einem möglichen „heißen Herbst“ zu machen. Gleichzeitig haben wir dafür gekämpft, dass jede Gruppe zu jeder Zeit dazu ihre Position vertreten darf und diese z.T. in der Klasse umstrittenen Positionen selbst vertreten und erklärt. Denn es wäre tatsächlich Opportunismus, das eigene Programm zu verheimlichen und nicht „die Wahrheit zu sagen“.

Deshalb ist es nötig, die Einheitsfrontmethode entsprechend der objektiven und subjektiven Bedingungen flexibel anzuwenden, damit sie wirklich auf eine Mobilisierung größerer Teile der Arbeiter*innenklasse für ihre gemeinsamen Interessen hinausläuft, entsprechend Forderungen an die Gewerkschafts- und andere Führungen, relevante Organisationen oder Bewegungen der Arbeiter*innenklasse und Linken zu stellen, selbst Kampfvorschläge zu machen und gleichzeitig nie das eigene sozialistische Programm unter den Tisch fallen zu lassen.

Voluntarismus in Politik und Praxis

Die Methode des RBbzw. von RIOist politischer wie praktischer Voluntarismus. Das eigene Programm bzw. der eigene revolutionäre Wille werden so zur wichtigsten Grundlage für die politischen und praktischen Vorschläge, die man macht – das Bewusstsein von Aktivist*innen oder der breiteren Arbeiter*innenklasse, der Zustand der Arbeiter*innenbewegung usw. werden ausgeklammert.

Die Abschlusserklärung des RB läuft als Alternative zur Beteiligung am Aufbau breiterer linker bzw. Arbeiter*innenparteien darauf hinaus, dass man das eigene Programm einfach an so vielen Orten und in so vielen Kämpfen wie möglich postulieren muss, um neue Mitstreiter*innen zu überzeugen. Dazu folgt eine lange Liste mit Vorhaben und Zielen für die Zukunft (von denen man, wie gesagt, seitdem nicht mehr viel gehört hat).

Darin enthalten ist auch die „Notwendigkeit der revolutionär-sozialistischen Kandidaturen abseits der reformistischen Parteien“ sowie die Organisation einer „Kampagne gegen die erneute Regierungsbeteiligung der LINKEN an RRG“.14 Letztlich ruft der RB dazu auf „Schritte für den Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Front zu gehen. Diese Front muss basieren auf gemeinsamen Erfahrungen im Klassenkampf und der politischen Intervention in Streiks, sozialen Kämpfen sowie perspektivisch Wahlen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene.“ Kandidaturen einer „revolutionären Front“ aus verschiedenen kleinen linken Gruppen ohne Verankerung in Teilen der Arbeiter*innenklasse oder sozialen Bewegungen (deren Involvierung in solch ein Projekt in den aufgestellten Bedingungen nicht mal auftaucht) halten wir aktuell nicht für eine adäquate Alternative, wo es mit der LINKEN noch eine größere reformistische Wahlalternative und einen Bezugspunkt für Schichten von Lohnabhängigen, Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen gibt, deren parlamentarische Vertretung das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiter*innenklasse beeinflusst.

Eine Kampagne gegen die erneute Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin (im Sinne einer öffentlichen Kampagne, nicht eines innerparteilichen Kampfes, wie wir ihn seit Jahren führen) die das in den Mittelpunkt stellt, ist fernab des Bewusstseinsstandes und versteht nicht, dass man diese Position zwar öffentlich im Wahlkampf vorbringen, aber eben vielen auch erklären und damit gerade unter linken und gewerkschaftlichen Aktivist*innen mit Sorge vor einer „rechteren“ Regierung gegen den Strom schwimmen muss. Der ursprüngliche Entwurf von RIO ging sogar noch weiter, eine Kampagne gegen die Wahlunterstützung für DIE LINKEvorzuschlagen, was nur dazu geführt hätte eine unnötige Hürde zu wichtigen Teilen der Arbeiter*innenbewegung aufzubauen.

Schlussfolgerungen der Sol

Welche Schlussfolgerungen sollten denn dann aus der Krise der LINKEN und ihres Jugendverbandes gezogen werden? Auch wir denken, dass die Krise der LINKEN eine neue Qualität erreicht hat und sie nicht mehr, wie in der Vergangenheit, als der wichtigste Ansatzpunkt für die Entwicklung einer neuen Arbeiter*innenpartei gelten kann. Es ist nicht zu sagen, ob sie sich von ihrer derzeitigen Krise noch einmal erholt. Uns ist bewusst, dass es in der Partei auch keine Kraft gibt, die den nötigen Kurswechsel hin zu wirklich konsequent sozialistischer und kämpferischer Politik aktuell durchsetzen könnte. Was wir Ende letzten Jahres bereits geschrieben haben, bleibt aber aktuell:

Mangels einer starken linken Alternative zu ihr, bleibt sie auch ein Betätigungsfeld für Sozialist*innen und werden wir zu ihrer Wahl aufrufen. Aber wir gehen davon aus, dass sich eine massenbasierte politische Interessenvertretung der Arbeiter*innenklasse in der Zukunft neu bilden und aus verschiedenen Quellen (Gewerkschaften, soziale Bewegungen, kommunalpolitische linke Initiativen etc) speisen wird. DIE LINKE und eine mögliche Wagenknecht-Partei können zu diesen verschiedenen Quellen gehören, sicher ist das jedoch nicht. Es ist aber sicher, dass ein solch neuer Anlauf erfolgversprechender sein wird, je stärker marxistische Kräfte sein werden. Deshalb gilt es umso mehr, die Sol als eine solche marxistische Kraft aufzubauen.“15

Jugend für Sozialismus

Eine andere Schlussfolgerung haben wir aus der Krise der Linksjugend gezogen und deshalb mit anderen die Gründung von Jugend für Sozialismus (JfS) initiiert. Die Kritik an der Linksjugend fällt in der Abschlusserklärung des RB unter den Tisch. Die Linksjugend hat nicht nur eine im Vergleich zur LINKEN viel geringere gesellschaftliche Relevanz, sie ist auch immer weniger Anziehungspunkt für sich radikalisierende Jugendliche. Sie ist auch kein Verband, in dem man für einen linken Kurswechsel kämpfen kann ohne regelmäßig mit bürokratischen Ausschlüssen konfrontiert zu werden. Identitätspolitische und andere falsche Ideen sind im Verband immer dominanter bzw. akzeptierter geworden, wie es unter anderem in der Gründungserklärung von Jugend für Sozialismus erklärt wird.

Der BAK Revolutionäre Linke, ein Zusammenschluss marxistischer Genoss*innen innerhalb der Linksjugend, hat deshalb mit Jugend für Sozialismus eine neue Jugendorganisation gegründet. Wir glauben, dass die Linksjugend nicht mehr zu retten ist. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass es in einigen Orten und Landesverbänden Genoss*innen gibt, die unsere Kritik und unsere Positionen teilen, aber aus verschiedenen Gründen weiterhin auch in der Linksjugend weiterarbeiten wollen. Für die gemeinsame Zusammenarbeit wollten wir keine unnötige Hürde aufbauen. Entscheidend war für uns deshalb die gemeinsame politische Grundlage für den Aufbau eines sozialistischen Jugendverbandes und nicht, dass alle unsere Einschätzung teilen müssen, dass man seine Kraft lieber nicht weiter in die Linksjugend steckt. JfS hat – anders als der RB – nicht zum Bruch mit der LINKEN aufgerufen, noch einen Austritt aus der Linksjugend zur Bedingung zur Zusammenarbeit bei JfS gemacht. Das wurde von einigen wohlwollend zur Kenntnis genommen, die sich am sektiererischen Auftreten des RB gestoßen haben.

Stattdessen schreibt JfS richtigerweise:

Wir halten an dem Ziel fest, eine sozialistische Arbeiter*innenmassenpartei aufzubauen. In der LINKEN sind tausende Aktivist*innen organisiert, von denen viele eine Rolle beim Aufbau einer solchen Partei in Zukunft spielen könnten. Deshalb werden wir weiter die LINKE kritisch unterstützen. Aber es ist offen, wie sich die Krise in der Partei weiter entwickeln wird. Uns ist bewusst, dass die Partei am Abgrund steht und eine Spaltung immer wahrscheinlicher scheint. Da es bisher noch keine andere große linke Alternative gibt, werden wir uns weiter in der Partei sowohl für den so dringend nötigen sozialistischen und oppositionellen Kurswechsel einsetzen und den Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien und der Anpassung an SPD und Grüne als auch den ‚linkskonservativen‘ Ideen von Sahra Wagenknecht entgegentreten, die zum aktuellen Kurs keine linke Alternative darstellen.“16

Fazit

Wir glauben nicht, dass RIO bzw. Waffen der Kritik mit ihrer Herangehensweise in der Lage sein werden, eine große revolutionäre Organisation mit einer Verankerung in der Arbeiter*innenklasse aufzubauen. Sie stellen sich in ihrer Analyse nicht den Komplikationen unserer heutigen Zeit, sie agieren auch deshalb politisch und praktisch voluntaristisch. Ihr Radikalismus mag einige junge Aktivist*innen, vor allem an Universitäten, anziehen und für eine Zeit lang gewinnen. Es ist eine ganz andere Sache, Wurzeln in der Arbeiter*innenklasse zu schlagen und einen Weg aufzuzeigen, wie man eine Mehrheit der Arbeiter*innenklasse für den Marxismus gewinnen kann.Das CWI kann in dieser Hinsicht auf die Erfolge der Militant-Tendenz bauen, welche in den 1980er Jahren in Britannien Massenbewegungen in Liverpool und landesweit von Millionen gegen die Thatcher-Regierung anführte.

Wir hoffen, mit diesem Artikel für interessierte Leser*innen deutlich gemacht zu haben, wie die Sol bzw. das Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale sich diesen Aufgaben stellen und wir hoffen, sie von dieser Herangehensweise überzeugen zu können. Auch die Sol blickt gemessen an unserem Ziel noch auf zahlenmäßig bescheidene Kräfte, aber hat viele Genoss*innen, die in Betrieben und Gewerkschaften oder bei Jugend für Sozialismus oder in anderen Bereichen aktiv sind. Wenn du Interesse hast, mit zu machen oder in Diskussionen treten willst, melde dich bei uns!

1https://revolutionaererbruch.wordpress.com/ – Alle Dokumente der Konferenz finden sich hier.

2https://www.klassegegenklasse.org/waffen-der-kritik-wir-haben-eine-welt-zu-gewinnen/

3https://revolutionaererbruch.wordpress.com/minderheitserklarung-fur-einen-revolutionaren-bruch-der-lohnabhangigen-mit-dem-reformismus/

4https://revolutionaererbruch.wordpress.com/

5https://revolutionaererbruch.wordpress.com/2023/01/03/entwurf-abschlusserklarung-der-konferenz-fur-einen-revolutionaren-bruch-mit-der-linkspartei-und-solid/

6https://www.marxists.org/deutsch/geschichte/deutsch/kpd/1918/programm.htm

7Vgl. Leo Trotzki: Die Hauptlehren des dritten Kongresses – https://www.sites.google.com/site/sozialistischeklassiker2punkt0/trotzki/trotzki-kommunistische-taktik/die-hauptlehren-des-dritten-kongresses – „Die wirtschaftlichen Vorbedingungen des Sieges der Arbeiterklasse sind augenscheinlich. Ohne diesen Sieg droht in naher oder ferner Zukunft der Verfall und das Verderben der ganzen Zivilisation. Dieser Sieg kann aber nur errungen werden durch eine vernünftige Führung der Kämpfe und in erster Linie durch die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse. Das ist die Hauptlehre des 3. Kongresses.“

8https://www.klassegegenklasse.org/welche-partei-fuer-welche-strategie-revolutionaere-organisierung-statt-linkspartei-2-0/ (Unterstreichungen durch uns)

9Alle folgenden Zitate: https://revolutionaererbruch.wordpress.com/

10https://www.klassegegenklasse.org/ist-eine-revolutionaer-sozialistische-partei-links-der-linken-moeglich/

11https://revolutionaererbruch.wordpress.com/ Hervorhebung durch uns

12https://www.derfunke.de/rubriken/deutschland/3163-revolutionaerer-bruch-keine-brauchbare-antwort-im-kampf-gegen-den-reformismus

13https://revolutionaererbruch.wordpress.com/

14https://revolutionaererbruch.wordpress.com/

15https://solidaritaet.info/2022/12/arbeiterinnenklasse-und-politische-partei/

16https://jugend-fuer-sozialismus.de/gruendungserklaerung/

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