Kein Tag der deutschen Einheit

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Vor 70 Jahren: Arbeiteraufstand in der DDR

Der Arbeiteraufstand in der DDR vor 70 Jahren fiel nicht vom Himmel. In ihm entlud sich eine über Jahre angestaute Wut und Unzufriedenheit. Dass die Führung der SED diese ignorierte und sogar noch Öl ins Feuer goss, mag grenzenlose Unfähigkeit, Dummheit, Hochnäsigkeit und Geringschätzung der Arbeiterklasse zum Ausdruck bringen – vor allem aber zeigt dies den bürokratischen und undemokratischen Charakter von SED und DDR.

von Ronald Luther, Berlin

Nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus durch die Alliierten hatte die Rote Armee auf dem Gebiet der späteren DDR ein stalinistisches Regime nach dem Vorbild der UdSSR errichtet. Während die kapitalistische Ökonomie durch Verstaatlichungen und Einführung einer Planwirtschaft abgeschafft wurde, konzentrierte sich die politische Macht in den Händen einer nicht gewählten und privilegierten Elite, der vor allem in der SED organisierten Bürokratie. Viele ArbeiterInnen, die in den 1930er Jahren in der KPD und der SPD organisiert waren, hatten hingegen erwartet, dass im sowjetischen Besatzungsgebiet ein demokratisch-sozialistischer Arbeiterstaat aufgebaut werden würde. Bereits während des Zusammenbruchs des Hitlerfaschismus organisierten sich ArbeiterInnen in Antifa-Komitees und begannen, faschistische Funktionäre zu verhaften, Betriebe unter ihre Kontrolle zu bringen sowie das Leben wieder in Gang zu setzen. Diese Anfänge von Arbeiterdemokratie wurden aber durch die Sowjetarmee sofort im Keime erstickt und von der Sowjetunion gelenkte Funktionäre der stalinistischen KPD in Amt und Würden gehievt. Recht schnell machte sich in der ostdeutschen Arbeiterklasse Ernüchterung über die wachsende Bürokratisierung breit. Aber je stärker die stalinistische Bürokratie Einfluss auf die ostdeutsche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nahm, desto stärker wurde auch der Widerstand der Arbeiterklasse dagegen. So widersetzten sich die ArbeiterInnen von Anfang an den Vorgaben der neuen Machthaber nach einer Anhebung der Arbeitsproduktivität durch eine Intensivierung der Produktion beziehungsweise Erhöhung der Normen. Die SED-Führung versuchte, die Produktivitätssteigerung mit dem Versprechen durch zu setzen, dass diese der Anhebung des Lebensstandards der Arbeiterklasse dienen würde. Stattdessen flossen die bis dahin erzielten Überschüsse zum Großteil in die Schwerindustrie oder kamen der aufsteigenden Bürokratie zugute. Für die ArbeiterInnen hingegen blieb fast nichts übrig und ihr Lebensstandard stieg nur sehr langsam an. Die Stalinisten versuchten diesen Widerstand zu brechen. So wurden die in der Novemberrevolution 1918 erkämpften Betriebsräte aufgelöst und durch sogenannte Betriebsgewerkschaftsleitungen (BGL) ersetzt. Die BGL sollten ab sofort alljährlich Betriebskollektivverträge mit den Betriebsleitungen vereinbaren, in denen die „Pflichten“ und „Rechte“ der ArbeiterInnen festgelegt und dann zur offenen Abstimmung gestellt werden sollten. Beide Organe waren von der SED kontrolliert und setzten deren Politik rücksichtslos um. Die offene Abstimmung erwies sich aber für die Bürokratie als ein Fiasko, denn von 1950 bis 1951 lehnten es die ArbeiterInnen in vielen Betrieben ab, überhaupt über diese Verträge abzustimmen.

Stalin-Note

Nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch kam die SED-Führung stark unter Druck. Am 10. März 1952 sendete der sowjetische Diktator Josef Stalin seine sogenannte „Stalin-Note“ an die westeuropäische und US-amerikanische Bourgeoisie. In dieser bot der Diktator dem Westen an, freie Wahlen im gesamten Deutschland zu akzeptieren und somit die DDR aufzugeben, wenn das zukünftige geeinigte Deutschland entmilitarisiert wird, sich keinem Block anschließt und alle Besatzungstruppen abgezogen werden. Das zukünftige geeinigte Deutschland sollte „unabhängig, demokratisch, friedliebend“ sein. Vom Sozialismus war also keine Rede mehr. Das zeigt, dass der sowjetischen Herrschaftselite mehr an ihrer eigenen Machtposition als an der Ausdehnung der sozialistischen Revolution in andere Länder gelegen war. Sie hätte sich gerne mit dem imperialistischen Westen zur Aufrechterhaltung des status quo arrangiert und auf eine Abschaffung des Kapitalismus in den Staaten Osteuropas verzichtet. Obwohl es ihre eigene Entmachtung bedeutet hätte, unterstützte die SED-Führung den neuen Kurs von Stalin gehorsam. Doch die Kapitalisten des Westens sahen das anders. Bundeskanzler Adenauer sagte: „Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb.“ Stalins Vorschläge wurden abgelehnt. Daraufhin beschloss die 2. SED-Konferenz bereits im Mai 1952 den „Aufbau des Sozialismus“, den Aufbau bewaffneter Streitkräfte der DDR und die Beschleunigung der Kollektivierung der Landwirtschaft sowie der Entwicklung der Schwerindustrie. Die daraufhin folgenden Zwangskollektivierungen, die Drangsalierung der kleinen privaten Gewerbetreibenden und die verstärkte Ausrichtung der Mittel auf die Schwerindustrie führte schnell zu einer zunehmenden Lebensmittelknappheit auf dem Gebiet der DDR. Am 13. Januar 1953 musste die SED-Zeitung „Neues Deutschland“ zugeben, dass „die Versorgung der Bevölkerung mit Textilien und anderen Industriegütern gemäß Plan gefährdet ist.“ Infolgedessen wurden der private Handel und die Privatindustrie attackiert, was die Versorgung des Landes mit

Verbrauchsartikeln weiter verschlechterte. Daraufhin verfügte die DDR-Regierung die Abschaffung der Lebensmittelkarten für über 2 Millionen Menschen und ließ die Preise für die am Meisten konsumierten Produkte wie Wurstwaren und Zucker anheben. Das führte zu einer weiteren Verschärfung der Lebensbedingungen der ostdeutschen Arbeiterklasse. Gleichzeitig verschlang das Wiederaufrüstungsprogramm enorme Mittel, die eigentlich für Investitionen in die Industrie vorgesehen waren. Zum Ausgleich wurden Mittel für die soziale Absicherung in den Investitionsfond für die Industrie umgeleitet. Das führte unter anderem dazu, dass die verbilligten Bahntickets für ArbeiterInnen, die zur Arbeit mit der Bahn fahren mussten, gestrichen wurden. Viele Menschen reagierten auf die Verschlechterung der Lage, indem sie die DDR in Richtung BRD verließen. Waren 1952 über 180.000 Menschen in den Westen übergesiedelt, so verließ die gleiche Anzahl an Menschen bereits in den ersten fünf Monaten des Jahres 1953 die DDR in Richtung Westen. Etwa achtzig Prozent der Übersiedler waren Bauern, HandwerkerInnen, HändlerInnen oder Kleinindustrielle gewesen, die am Meisten unter den Schikanen der stalinistischen Bürokratie leiden mussten. Eine Folge war, dass die von den geflüchteten Bauern liegen gelassenen Ackerflächen nicht bestellt wurden, was die Lebensmittelversorgung weiter verschlechterte.

Hinzu kam der Tod von Stalin am 5. März 1953, der auch zu einer Änderung der politischen Großwetterlage führte. So erneuerte die Sowjetführung das alte Angebot von Stalin an den Westen, die DDR aufzugeben, um die Konfrontation des „Kalten Krieges“ zu beenden. Die Sowjetführung forderte gleichzeitig die SED-Führung auf, nicht mehr vom „Aufbau des Sozialismus“ zu sprechen. Die SED-Führung war also innen- und außenpolitisch stark unter Druck. Sie reagierte darauf am 9. Juni 1953 mit der Proklamation des „Neuen Kurses“, indem der Bourgeoisie und Kleinbourgeoisie Konzessionen gemacht wurden. Privaten Handelsunternehmen und der Privatindustrie wurden kostenlose Kredite gewährt sowie gerade erst enteignete Unternehmen der Leichtindustrie ihren Besitzern zurückgegeben. Bauern durften die Genossenschaften wieder verlassen und ihre Liefermenge an den Staat wurde drastisch gesenkt. Der Kampf gegen die Kirche und bürgerliche Politiker wurde abrupt beendet. Die ArbeiterInnen hingegen gingen leer aus. Ihre Lebensbedingungen verschlechterten sich sogar. Obendrein verfügte die SED-Führung, dass alles zu verschwinden hätte, was das Wort „Sozialismus“ enthält. Nicht mehr der „Aufbau des Sozialismus“, sondern die „Herstellung der Einheit Deutschlands“ sei das große Ziel. Als von heute auf morgen die großen Banner mit den Slogans für den Aufbau des Sozialismus verschwanden, vermuteten nicht wenige ostdeutsche ArbeiterInnen, dass die SED durch die Sowjetunion nicht mehr ausreichend Unterstützung erhält und dass sie gleichzeitig bereit ist, die Interessen der ostdeutschen Arbeiterklasse an die Bourgeoisie zu verkaufen. Am 28. Mai 1953 veröffentlichte die DDR-Regierung ohne vorherige Diskussion und demokratische Abstimmung ein Dekret, das eine Erhöhung der Produktionsnormen um durchschnittlich zehn Prozent bekannt machte. Real umgesetzt bedeutete das eine drastische Lohnkürzung für die ArbeiterInnen, was für entsprechend großen Unmut unter diesen sorgte. In der Baubranche hätte das zu einer Lohnkürzung von bis zu fünfzehn Prozent für unqualifizierte ArbeiterInnen und von mehr als fünfzig Prozent für qualifizierte ArbeiterInnen bedeutet. Diese sollte durch die ArbeiterInnen wie immer „freiwillig“ umgesetzt werden. Am 14. Juni erschien im SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ ein kritischer Artikel. Nur zwei Tage später am 16. Juni brachte ausgerechnet das Gewerkschaftsblatt „Tribüne“ einen Artikel, der die Normerhöhung rechtfertigte. Das brachte das Fass zum Überlaufen. In vielen Betrieben kam es zu regelrechten Aufständen der Arbeiterschaft. So wurde in vielen Betrieben die Normerhöhung durch die ArbeiterInnen abgelehnt. Bereits am 14. Juni 1953 wusste das „Neue Deutschland“ zu berichten, dass die Zimmerleute einer Baustelle an der Stalinallee in einen Teilstreik getreten waren. In der Ostberliner Textilfabrik FORTSCHRITT erklärten die ArbeiterInnen schon am 12. Juni 1953 zur Normerhöhung, „diese Annahme erfolgte nicht freiwillig, sondern wurde mit Gewalt aufgezwungen“. Besonders stark war der Aufruhr aber unter den BauarbeiterInnen. Sie hatten die stärksten Lohnsenkungen zu verkraften, besaßen aber gleichzeitig eine lange revolutionäre und gewerkschaftliche Kampftradition. So waren 1932 etwa achtzig Prozent der gewerkschaftlich organisierten Bauarbeiter Berlins Teil der von oppositionellen KommunistInnen geführten revolutionären Bauarbeitergewerkschaft. Auch 1953 waren viele BauarbeiterInnen insbesondere der Baustellen an der Stalinallee aktive SED-Mitglieder und klassenbewusste KommunistInnen. Sie hatten in den Jahren vor dem Arbeiteraufstand lange gegen die Bürokratisierung und die damit einhergehende desolate Arbeitsorganisation gekämpft. Diese hatte dazu geführt, dass die vorhergehenden Normerhöhungen nicht erfüllt werden konnten. Die neue Normerhöhung sollte aber erfolgen, ohne die unfähigen Bürokraten zu entlassen.

Der Funke springt über

Am 8. Juni 1953 ergriffen die BauarbeiterInnen vom Block 40 der Stalinallee, darunter 75 Prozent SED-Mitglieder, die Initiative zur Abstimmung einer Resolution für die Aufhebung der Normerhöhung mit der Überschrift „an den Präsidenten unserer Regierung, Genosse Otto Grotewohl, und an den Generalsekretär unserer Partei, Genosse Walter Ulbricht“. Auf diese Resolution gab es seitens der Parteiführung keine Antwort. Stattdessen kam die Normerhöhung am 10. Juni erstmals zur Anwendung, ein Affront für die BauarbeiterInnen. Die ArbeiterInnen der Eisenwerke Hennigsdorf reagierten darauf mit dem Beschluss, ab dem 11. Juni in den rotierenden Streik zu treten. Am 15. Juni kam es auf der Baustelle am Friedrichshain zu einen Teilstreik von BauarbeiterInnen. Die DDR-Regierung versuchte darauf hin, die Lunte vom Pulverfass zu bekommen und gab bekannt, dass ihre Annahme des Beschlusses über den „neuen Kurs“ ein „schwerer Fehler“ gewesen sei. Die ostdeutsche Arbeiterklasse fühlte sich in ihrem Eindruck bestätigt, dass die DDR-Regierung schwächelt, da sie von der Sowjetunion fallen gelassen wird. Die Hoffnung keimte auf, dass daher im Falle von Protesten ein Einsatz der Sowjetarmee unwahrscheinlich sei. Statt den Funken am Pulverfass zu löschen entzündeten Regierungsorgane dieses von selbst, indem zwei angebliche „Anführer“ des Teilstreiks am Friedrichshain von der Volkspolizei verhaftet wurden. Die ArbeiterInnen vom Friedrichshain entsendeten daraufhin eine Delegation zu den Baustellen an der Stalinallee, um die dortigen BauarbeiterInnen über die Verhaftungen zu informieren. Die ArbeiterInnen einer Baustelle entschieden daraufhin, sich anderswo Arbeit zu suchen, weshalb sie ihre Baustelle verlassen wollten. Andere ArbeiterInnen legten infolgedessen ebenfalls die Arbeit nieder. Letztlich beschlossen die ArbeiterInnen, gemeinsam und in Massen zum DDR-Regierungsgebäude zu ziehen und eine Antwort auf ihre Resolution vom 8. Juni zu verlangen. Die Demonstration zog los. Anfangs waren es keine einhundert, aber immer mehr BauarbeiterInnen schlossen sich an, bis schließlich bis zu 10.000 von ihnen vor dem Regierungsgebäude demonstrierten. Sie forderten, dass Grotewohl und Ulbricht zu ihnen sprechen sollen. Aber es kamen nur Wirtschaftsminister Rau und Minenminister Selbmann heraus. Als letzterer die Demonstranten mit dem Wort „Kollegen“ anspricht, wird ihm aus der Menge entgegnet: „Wir sind nicht Deine Kollegen“. Selbmann sagt daraufhin, er sei doch auch Arbeiter. Die Antwort der Demonstranten: „Das ist einmal gewesen. Du hast es vergessen.“

Da die Minister nichts Konkretes zu sagen hatten, trat ein Arbeiter hervor und gab die Forderungen seiner KollegInnen bekannt:

1. Sofortige Senkung der Normen um zehn Prozent

2. Sofortige Senkung der Preise für Grundnahrungsmittel und lebensnotwendigen Gegenstände, die in den HO’s verkauft werden, um vierzig Prozent

3. Jene Führer, die schwere Fehler begangen haben, müssen gehen

4. Die Partei und Gewerkschaften müssen demokratisiert werden

5. Die Ergreifung der Initiative zur wirklichen Wiedervereinigung Deutschlands durch geheime, allgemeine und freie Wahlen und die Sicherung des Sieges der Arbeiter bei diesen Wahlen

Weiterhin rief der Redner den Generalstreik für West- und Ostberlin am nächsten Tag aus, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Für die Streikenden war klar, dass sie nur gewinnen konnten, wenn sich die Arbeiterklasse in Westberlin und Westdeutschland dem Generalstreik anschließt.

Ausbreitung in ganzer DDR

Die Nachricht von den Ereignissen in Ostberlin verbreitete sich rasch in der gesamten DDR. In allen Industriezentren kam es bereits am 16. Juni zu Solidaritätsbewegungen, Streiks und Demonstrationen. In Magdeburg wurden die politischen Gefangenen durch die ArbeiterInnen frei gelassen und die Zulassung der SPD gefordert. In Halle und Erfurt herrschte ein umfassender Generalstreik und die Gefängnisse wurden gestürmt. In Magdeburg und Halle übernahmen Streikkomitees der ArbeiterInnen zeitweise sogar die Macht. In Leipzig wurde in fast allen Betrieben gestreikt und Demonstrationen durchzogen die Straßen. In 250 Orten kam es im Verlaufe des Arbeiteraufstands zu Streiks und Demonstrationen. Gestreikt wurde in Großbetrieben wie der Neptun-Werft in Rostock, in den Zeiss-Werken Jenas, bei Lowa in Görlitz, bei Olympia in Erfurt, bei Buna in Halle, bei den Lokomotiv-Werken in Babelsberg und bei den Stahlwerken in Fürstenwalde und Brandenburg. Einen Mittelpunkt stellte der Streik bei den Leuna-Werken in Merseburg dar. Die Leuna-Werke waren vor 1933 eine der Hochburgen der Kommunistischen Partei gewesen und während des Faschismus eines der wichtigsten Widerstandszentren der Arbeiterklasse. Hier dauerte der Streik während des Arbeiteraufstands am Längsten – bis zum 23. Juni 1953.

Am 17.Juni breitete sich der Arbeiteraufstand weiter aus. So schlossen sich die Hennigsdorfer MetallarbeiterInnen und die ArbeiterInnen der Reichsbahn-Bau-Union in Velten dem Generalstreik an. In einem riesigen Demonstrationszug von 30.000 ArbeiterInnen durchzogen sie Westberlin in der Hoffnung, dass sich die MetallarbeiterInnen von Westberlin ihrem Streik anschließen. Diese blieben aber in ihren Betrieben, nicht nur, aber auch weil die Führungen der Westberliner Gewerkschaften und SPD nicht zum Solidaritätsstreik aufriefen. Deren reformistische FührerInnen hatten Angst davor, dass sich der Arbeiteraufstand auf Westberlin und schließlich auch auf Westdeutschland ausbreitet und sich zu einer allgemeinen Revolution gegen Kapitalismus und Stalinismus ausweitet. Auf ihrer Kundgebung im Walter-Ulbricht-Stadion forderten die Hennigsdorfer und Veltener ArbeiterInnen den Sturz der DDR-Regierung und die Einsetzung einer „Metallarbeiter-Regierung“. Die BauarbeiterInnen hingegen demonstrierten allesamt vor dem DDR-Regierungsgebäude, denen sich immer mehr ArbeiterInnen anderer bedeutender DDR-Fabriken wie der Kabelwerke Köpenick, von OSRAM, Bergmann-Borsig, PLANIA-SIEMENS Lichtenberg, dem Transformatorenwerk Treptow, Kraftwerk Klingenberg und der ehemaligen AEG-Fabriken in Treptow anschlossen. Bei Bergmann-Borsig wurde ein Betriebsausschuss zur Leitung des Streiks gewählt. Schließlich kamen auch noch die ArbeiterInnen der U-Bahn, der Hochbahn und der Straßenbahn hinzu, so dass ab 11:00 Uhr der gesamte S-Bahn-Verkehr und ab 12:00 Uhr der gesamte öffentliche Verkehr zum Stillstand kam. Schließlich demonstrierten 150.000 ArbeiterInnen vor dem Regierungsgebäude. Der Korrespondent der Zeitschrift „Observateur“ stellte fest, insbesondere die TransportarbeiterInnen hätten der Massendemonstration den Stempel von Ordnung, Disziplin und sozialistischem Bewusstsein aufgedrückt.

„Wir wollten einen Sozialismus“

„Es ist verlogen, dass wir damals solche Verhältnisse haben wollten, wie unter Adenauer drüben im Westen. Uns Arbeitern lag nichts ferner, als die alten Großgrundbesitzer und die Fabrikanten und die Kriegsverbrecher und die Nazis wieder in den Sattel zu heben, wie im Westen. Was man Euch seitdem jeden 17. Juni erzählt hat, ist nichts als ein großer Volksbetrug gewesen. Euren ‚Tag der nationalen Einheit‘ sehen wir in Wirklichkeit als einen Verrat an der ostdeutschen Arbeiterbewegung an. Der Westen hat sich so schäbig wie nur irgend möglich benommen. (…) Nicht nur dem Osten, auch dem Westen waren wir zu radikal. Die hatten vor nichts größere Furcht als vor einem Übergreifen unseres kaum begonnenen Aufstandes nach Westberlin. (…) Wir wollten schon einen Sozialismus, aber wir selbst wollten den gestalten. Wir wollten unsere Leute selbst wählen. Wir wollten unabhängige Funktionäre in der Gewerkschaft. Wir wollten die Bonzen stürzen, eine wirkliche Demokratie von unten aufbauen: vom Betrieb aus bis nach oben. Wir hatten die Unterdrückung abweichender Meinungen satt.“

Der Bauarbeiter Alfred in einem Gespräch mit Helmut G. Haasis

Im Nachmittag des 17. Juni kamen dann WestberlinerInnen zu den Demonstrationen. Darunter waren auch demoralisierte Arbeitslose und Jugendliche, aber auch organisierte reaktionäre, faschistische Banden. Diese begannen zu randalieren, Läden zu plündern und Hochhäuser am Potsdamer Platz in Brand zu stecken. Das waren jedoch vereinzelte Ereignisse, die nicht den Charakter der Bewegung als einen Aufstand von ArbeiterInnen änderte.

Der sowjetische Kommandant von Berlin verhängte zur Niederwerfung des Aufstands den Belagerungszustand über die Stadt und ließ russische Panzer und Soldaten gegen die DemonstrantInnen vorgehen.

Ausnahmezustand (Wortlaut des von der sowjetischen Kommandantur ausgehängten Plakats)

Befehl des Militärkommandanten des sowjetischen Sektors von Berlin

Betr. Erklärung des Ausnahmezustandes im sowjetischen Sektor von Berlin

Für die Herbeiführung einer festen öffentlichen Ordnung im sowjetischen Sektor von Berlin wird befohlen:

1. Ab 13 Uhr des 17. Juni 1953 wird im sowjetischen Sektor von Berlin der Ausnahmezustand verhängt.

2. Alle Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen und sonstwie Menschenansammlungen über drei Personen werden auf Straßen und Plätzen wie auch in öffentlichen Gebäuden verboten.

3. Jeglicher Verkehr von Fußgängern und der Verkehr von Kraftfahrzeugen und anderen Fahrzeugen wird von 21 Uhr bis 5 Uhr verboten.

4. Diejenigen, die gegen diesen Befehl verstoßen, werden nach den Kriegsgesetzen bestraft.

Militärkommandant des sowjetischen Sektors von Groß-Berlin

Gez. Generalmajor Dibrow

Ähnliches passierte in anderen Orten der DDR, wo Massen auf den Straßen waren. 260 DemonstrantInnen sollen in der DDR bei der Niederschlagung des Arbeiteraufstands ums Leben gekommen sein, aber es gibt keine genauen zuverlässigen Zahlen über die Opfer.

Die DDR-Führung versuchte später, den Arbeiteraufstand beziehungsweise Generalstreik als „Zünder“ für die „faschistischen westlichen Provokationen“ zu diskreditieren. Saboteure und Agenten aus dem Westen wären in die DDR eingeschleust worden, um die Werktätigen aufzuputschen. Dem steht entgegen, dass erstens der Westen selber kein Interesse an einem erfolgreichen Aufstand hatte und keine Maßnahmen ergriff, die ArbeiterInnen zu unterstützen und dass die Bewegung wesentlich sehr diszipliniert handelte. Dass VertreterInnen der herrschenden Elite bzw. des Staatsapparates von demonstrierenden ArbeiterInnen eine Abreibung verpasst bekamen, mag vorgekommen sein (vor allem, wenn sie als Spitzel enttarnt wurden), aber in die Streikleitungen wurden nur bekannte, ältere und besonnene KollegInnen gewählt. Wo die ArbeiterInnen die Führung der Bewegung behielten, verliefen die Ereignisse diszipliniert und besonnen. Wo dies nicht gelang, ereigneten sich einzelne Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten.

Trotz der Repression ging der Streik vielerorts weiter. Noch am 18. Juni erschienen 50 Prozent der Streikenden nicht am Arbeitsplatz. Mancherorts ging der Streik bis zum 21. Juni weiter. Die westdeutsche Bourgeoisie und Politik sowie die westlichen Besatzungsmächte unterstützten den Arbeiteraufstand und Generalstreik nicht. Stattdessen wurde durch die Westberliner Behörden und Besatzungsmächte jede unangemeldete Demonstration oder öffentliche Versammlung verboten. Der Aufruf zum Generalstreik durfte nicht über den Westberliner Radiosender RIAS verlesen werden. Eine Teilnehmerin des Aufstands berichtete, wie DemonstrantInnen am 17. Juni am Potsdamer Platz, der direkt an der Grenze zum britischen Sektor lag, von schwer bewaffneten britischen Polizisten daran gehindert wurden, nach Westberlin zu marschieren. Und sie gab auch die passende Erklärung: „Die halten uns, übrigens ganz zu Recht, für revolutionäre Arbeitermassen, die die Geldherrschaft der Bonzen ins Wanken bringen wollen.“

Den Machthabern im Westen war bewusst, dass sich die Forderungen der Ostberliner Arbeiter auch gegen sie richteten. Deshalb war ihnen die Intervention der sowjetischen Truppen ganz recht. Einerseits wurde damit die Gefahr eines Übergreifens des Aufstands auf Westberlin und Westdeutschland gestoppt, andererseits konnten sie den angeblichen Sozialismus als undemokratisch diskreditieren.

Reaktion der SED

Die SED-Führung reagierte auf den Massenstreik. War die Normerhöhung bereits am 16. Juni verschoben worden, so beschloss das Zentralkomitee der SED am 21. Juni, bedeutende Summen des Investitionsfonds der Schwerindustrie für den verstärkten Wohnungsbau, den Ausbau der Sozialversicherungen und für die Erhöhung der Staatsbeiträge für verbilligte Bahntickets für Arbeiter zur Verfügung zu stellen. Am 26. Juni gab der Ministerrat der DDR bekannt, dass die Hälfte des Investitionsfonds für die Schwerindustrie der Konsumgüterindustrie zur Verfügung gestellt werden soll. So wurden insgesamt zwei Milliarden Mark von der Schwerindustrie in die Leichtindustrie und in den Wohnungsbau umgeleitet. Trotz der Repression nach der Niederschlagung des Generalstreiks kam es in Betriebsversammlungen zu selbstbewusstem Auftreten von ArbeiterInnen, die die Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre heftig kritisierten, den Rücktritt der Regierung und die Freilassung verhafteter Streikender forderten. Immer wieder wurde das Streikrecht eingefordert, dass der Arbeiterklasse in der Verfassung der DDR eigentlich zugestanden worden war. Die SED-Führung und ihre Funktionäre gaben ihre Fehler öffentlich zu, Konsequenzen wurden aber nicht gezogen. Niemand zum Beispiel aus der Regierung oder obersten SED-Führung musste seinen Hut nehmen. Nur mit Mühe gelang es der SED, die Ruhe wieder herzustellen. Dazu trug auch die massive Repression gegen die Arbeiterklasse bei. So wurden tausende Streikende verhaftet und über 8.000 politische Urteile gefällt, die mit langen Gefängnisstrafen endeten. 26 Menschen sollen sofort oder später hingerichtet worden sein, darunter auch ostdeutsche und sowjetische Soldaten, die sich geweigert hatten, auf die DemonstrantInnen zu schießen. Bis 1954 wurden 71 Prozent der örtlichen SED-Funktionäre aufgrund ihrer Unterstützung oder Sympathien mit dem Aufstand gefeuert. Tausende Menschen flohen in den Westen. Diejenigen ostdeutschen ArbeiterInnen, die nicht in den Westen fliehen wollten, begannen sich mit dem Regime abzufinden. Erst 1989 sollte sich die ostdeutsche Arbeiterklasse wieder trauen, für die eigenen Interessen zu kämpfen. Auch 1989 begann die revolutionäre Massenbewegung als Erhebung für eine sozialistische Demokratie, wurde jedoch dann in pro-kapitalistische Bahnen gelenkt und endete mit der Wiedereinführung kapitalistischer Verhältnisse und der Vereinigung von BRD und DDR auf kapitalistischer Basis.

Viele glauben noch heute an das von der DDR-Führung verbreitete Propagandamärchen eines aus dem Westen gesteuerten faschistischen Putschversuches. Auch in den bürgerlichen Medien wurde damals wie heute verbreitet, die ArbeiterInnen hätten die Wiedereinführung des Kapitalismus gefordert. Aber der Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 war weder vom Westen organisiert worden noch waren die ArbeiterInnen für eine Wiedereinführung des Kapitalismus auf die Straße gegangen. Stattdessen fand damals eine spontane Massenbewegung der Arbeiterklasse in der DDR statt, die deutlich machte, dass die DDR kein demokratischer Arbeiterstaat, keine sozialistische Demokratie und die SED keine sozialistische Arbeiterpartei war. Die streikenden ArbeiterInnen forderten die Entmachtung der Bürokratie und die Einsetzung einer Arbeiterregierung für ganz Deutschland. Ein einiges Deutschland ja, aber unter sozialistischen Voraussetzungen. Die ostdeutschen ArbeiterInnen wollten die Kapitalisten und Junker nicht wieder haben, die sie jahrhundertelang ausgebeutet hatten, den Hitlerfaschismus an die Macht brachten und für den verheerenden 2. Weltkrieg verantwortlich waren. Heinz Brandt, damaliger SED-Funktionär in Ost-Berlin meinte zu den damaligen Ereignissen: „Die Arbeiter wollten eines auf keinen Fall: die Wiederinthronisierung des Großkapitals. Ihre Forderungen waren eindeutig auf Selbstverwaltung der Betriebe, Bildung von unabhängigen Gewerkschaften und demokratischen Grundrechten gerichtet. (…) Es war, als würde Lenins Traum wahr, nur richtete sich diese Massenbewegung gegen ein totalitäres Regime, das im Namen von Lenin herrschte und von denen geführt wurde, die sich selbst die Erben Lenins nannten.“

Der Arbeiteraufstand in der DDR 1953 markierte eine Zäsur für das Verhältnis zwischen SED und Arbeiterklasse. Nicht wenige ehrliche SozialistInnen kehrten der SED nach dem 17. Juni den Rücken und wandten sich nie wieder um. Viele werden sich fragen, ob ein Erfolg der ostdeutschen Arbeiterklasse und die Errichtung einer sozialistischen Arbeiterdemokratie 1953 möglich war. Die Voraussetzungen dafür waren zwar denkbar schlecht, ein Erfolg aber nicht völlig unmöglich. So war damals wie auch 1989 die große Frage, wie die in der DDR stationierten sowjetischen Besatzungstruppen auf die Massenbewegung reagieren würden. Die Hoffnung bestand, dass die stalinistische Führung der Sowjetunion diese nicht eingreifen lassen wird. Aber letztlich entscheiden sich Revolutionen nicht auf der militärischen Ebene. Den russischen Soldaten wurde erzählt, sie würden gegen einen faschistischen Aufstand oder gegen einen Einmarsch der US-Armee eingesetzt. Ein Bauarbeiter aus der Stalin-Allee erinnerte sich: „Nach elf Uhr kamen große sowjetische Panzerverbände in Ostberlin an. Mit einem Offizier, der gut Deutsch konnte, bin ich sogar ins Gespräch gekommen. Er fragte mich, wo hier die amerikanischen Panzer seien. Ich bin verdutzt: ‚Amerikaner? Keine gesehen.‘ Er: ‚Aber uns hat man gesagt, hier seien armerikanische Agenten mit starkem Waffenschutz von drüben; obendrein Faschisten und Provokateure. Wo sind die ?‘“ In Halle hatten Sowjetsoldaten in die Luft geschossen, als sie erkannten, dass ArbeiterInnen für gerechte Forderungen und keine Faschisten demonstrierten. In vielen Revolutionen hatten die RevolutionärInnen instinktiv versucht, die gegen sie eingesetzten Soldaten auf ihre Seite zu ziehen. So war es in der Novemberrevolution 1918 in Deutschland, in der Oktoberrevolution 1917 in Russland und in der antistalinistischen Revolution 1956 in Ungarn gewesen. Hätte es aus der Massenbewegung heraus einen bewussten Versuch gegeben, die sowjetischen Soldaten zu erreichen, wären die Truppen möglicherweise gespalten oder neutralisiert worden. Doch dazu hätte es handlungsfähiger politischer Strukturen bedurft. Diese zu bilden, hatte die Arbeiterklasse zu wenig Zeit. So wählten ArbeiterInnen zwar in einigen Betrieben Streikkomitees, aber diese waren noch nicht bewusst als Revolutionsorgane gebildet worden. Außerdem blieben diese Streikkomitees eben nur auf einige Betriebe begrenzt. Eine für den Sieg der Revolution notwendige Verbindung der Streikkomitees untereinander und die Bildung eines DDR-weiten Streikkomitees konnte erst gar nicht angegangen werden. Dies wäre auch nötig gewesen, um aus der Bewegung von Hunderttausenden eine Bewegung von Millionen zu machen. Hier machte sich bemerkbar, dass es in der DDR keine revolutionäre, sozialistische Arbeiterpartei gab, die sich in den Jahren vor der Revolution das Vertrauen der Arbeiterklasse erarbeitet, diese organisiert und sich in den Betrieben verankert hatte. Diese Partei hätte der Arbeiterklasse in Ostdeutschland ein Programm zum revolutionären Sturz des bürokratischen Regimes vorschlagen und aufzeigen können, wie die Revolution vom Osten auf den Westen Deutschlands ausgeweitet werden kann. Denn ein weiteres Problem bestand darin, dass die streikenden ArbeiterInnen zwar erkannt hatten, dass der Generalstreik auf Westberlin und Westdeutschland ausgeweitet werden muss, wenn die Massenbewegung erfolgreich sein soll. Allerdings schlossen sich die ArbeiterInnen aus dem Westen nicht wie erhofft dem Generalstreik an. Hier verhinderten die reformistischen Führungen von SPD und Gewerkschaften ein Übergreifen des Generalstreiks auf Westberlin und die BRD. Sie konnten sich dabei jedoch auch darauf stützen, dass sich die Lebensverhältnisse der westdeutschen Arbeiterklasse seit Gründung der BRD (nicht zuletzt auch durch den Marshall-Plan) ständig und schnell verbessert hatten. So überschritt das Realeinkommen einer durchschnittlichen westdeutschen Arbeiterfamilie bereits 1950 das Vorkriegsniveau. Schon 1949, als die BRD gegründet wurde, hatte sie „das Wohlstandsniveau und den Grad der Modernität“ erreicht wie vor dem Krieg. Die Zahl der Arbeitslosen wurde kontinuierlich kleiner. Das so genannte „Wirtschaftswunder“, der bis Ende der 1960er Jahre existierende Nachkriegsaufschwung in den westlichen Besatzungszonen, nahm immer mehr an Fahrt auf. Hinzu kam, dass Westdeutschland keine großen Reparationsleistungen für die Kriegsfolgen an ihre Besatzungsmächte leisten musste, während die Gebiete der DDR für die riesigen durch das faschistische Deutschland verursachten Kriegsschäden auf dem Gebiet der Sowjetunion aufkamen. Diese Reparationen wurden geleistet, obwohl die Kriegszerstörungen in Ostdeutschland weitaus größer als im Westen waren und die Hauptindustrieanlagen Deutschlands hauptsächlich in den westlichen Besatzungszonen lagen. Diese Reparationszahlungen an die UdSSR*3 wurden erst in Folge des Arbeiteraufstands 1953 beendet. Bis dahin hatte die DDR die höchsten im 20. Jahrhundert bekannt gewordenen Reparationsleistungen erbracht. Während die Reparationen der DDR insgesamt fünfzig Mrd. Euro (zu Preisen von 1953) betrugen, zahlte die BRD nur eine Mrd. Euro (zu Preisen von 1953). Die DDR trug damit 97 bis 98 Prozent der Reparationslast Gesamtdeutschlands bei, pro Person also das 130fache. Die Bevölkerung der DDR musste somit die Hauptlast der Reparationen für den verbrecherischen Krieg Nazideutschlands tragen.

Im Westen gab es also keine vergleichbaren sozialen Ursachen, wie sie zum Arbeiteraufstand in Ostdeutschland führten. Trotzdem schaute nicht nur Westdeutschland sondern ganz Europa auf den Arbeiteraufstand in der DDR. Was wäre passiert, wenn die Arbeiterklasse in der DDR das bürokratische Regime gestürzt und eine sozialistische Arbeiterdemokratie an die Macht gebracht hätte? Es steht außer Frage, dass dies enorme Auswirkungen gehabt hätte, insbesondere auf die Arbeiterbewegung in der BRD und auf die anderen stalinistischen Staaten in Osteuropa. Eine sozialistische Arbeiterdemokratie auf dem Gebiet der DDR hätte die stalinistischen Diktaturen in Osteuropa als nicht sozialistisch entlarven können. Wäre ein Appell an die Arbeiterklasse in ganz Europa ergangen, sich der Revolution anzuschließen, dann hätte dies für eine Ausweitung der sozialistischen Revolution sorgen können. Die Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen.

Glossar:

DDR: Deutsche Demokratische Republik

SED: Sozialistische Einheitspartei Deutschland

Sowjetunion/UdSSR: Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

KPD: Kommunistische Partei Deutschland

SPD: Sozialdemokratische Partei Deutschland

HO: staatliche Einzelhandelsorganisation der DDR

Dieser Artikel erschien erstmals zum 60. Jahrestag des Arbeiter*innenaufstands im Jahr 2003.

Zum Weiterlesen: Was war die DDR?