„Together we fight“

Ein Rider von Lieferando spricht auf der Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bochum

Lieferando Beschäftigte im Kampf für einen Tarifvertrag

Es war ein kämpferischer Tag in brütender Hitze: Am 25. Mai legten 80 Prozent der Dresdner Beschäftigten bei Lieferando für mehrere Stunden die Arbeit nieder. Infolgedessen musste McDonald’s die Essensauslieferung einstellen.

von Steve Hollasky, Dresden

Dieser Streikerfolg war nicht der einzige. Wo immer die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) zu Arbeitskampfmaßnahmen aufruft, folgen die Riders, wie die Fahrer*innen genannt werden.

Schreckliche Arbeitsverhältnisse

Es sei „ein knallharter Job“, stellt Julius Hoffeins klar. Zusammen mit anderen hat er vor Kurzem einen Betriebsrat in Dresden ins Leben gerufen. Zu spät leider, um die neue Schichtregelung bei Lieferando noch zu verhindern. „Immer am Mittwoch ab 10 Uhr“, so Hoffeins, stelle der Arbeitgeber die Schichten in die App. Dann müsse man am Handy sitzen und sich seine Dienste selbst zusammenstellen. Gerade für Kolleg*innen, die den Job hauptberuflich und in Vollzeit machen, sei das äußerst schwierig. Diese Regelung existiere nur in den Städten, in denen es bei Einführung derselben keinen Betriebsrat gab.

Die Arbeitszeit beginne um 11.30 Uhr. Nach fünf Stunden habe man etwa eine Stunde Pause, die man kaum nutzen könne, weil vorher unklar sei, wo in der Stadt man sich gerade befinde. Danach gehe es weiter, so Hoffeins, mitunter bis 22.30 Uhr. 

Die Bezahlung erfolge nach Mindestlohn. Zusätzlich gebe es ein Bonussystem, das eine permanente Quelle für Gefahren sei. Lebe man von dem Job, rege die Aussicht auf eine etwas bessere Vergütung zu riskanten Fahrmanövern an.

Eine Woche Urlaub erhalten die Kolleg*innen bei Lieferando nur, wenn sie sieben Urlaubstage opfern, obwohl es laut Arbeitszeitgesetz lediglich sechs Arbeitstage pro Woche gibt.

Das ganze System Lieferando bringt Hoffeins auf die Formel: „Maximale Flexibilität für den Arbeitgeber und dadurch maximale Unsicherheit für die Kolleg*innen!“

Im laufenden Kampf um einen Tarifvertrag bei Lieferando stellt die NGG daher Forderungen nach mindestens 15 Euro Stundenlohn, 30 Tagen Urlaub, der Abschaffung des Bonussystems und nach Zuschlägen für Sonn- und Feiertagen auf.

Kampfbereitschaft nutzen!

Die Kampfbereitschaft der Kolleg*innen ist enorm: „Riders unite – together we fight!“ ist eine der häufig gerufenen Parolen. In Frankfurt/Main versuchte Lieferando den Streik zu unterlaufen, indem „Streikbrecher eingestellt wurden“, wie NGG-Sekretär Veit Groß auf der Dresdner Demonstration erklärte. Doch diese seien bei NGG eingetreten und hätten mit gestreikt.

Diese Kampfbereitschaft muss nun unbedingt schnell genutzt werden: Die Idee eines zentralen „Riders Day“ vor der Berliner Konzernzentrale ist richtig. Ein solcher müsste in den Betrieben vorbereitet werden.

Dadurch könnten die Strukturen in den Betrieben verbessert und ein unbefristeter Erzwingungsstreik, den die NGG nicht ausschließt, vorbereitet werden.

Es ist nicht leicht, alle Riders zu erreichen und zu informieren. Es gilt beispielsweise die Studierenden mit Aktionen an Unis und vor studentischen Arbeitsvermittlungen über die Situation und geplante Kampfmaßnahmen aufzuklären. Zudem muss eine umfassende Social-Media-Kampagne entworfen und umgesetzt werden, die auch die Beschäftigten mit migrantischem Hintergrund erreicht. 

Für die Zeit des Erzwingungsstreiks müsste der DGB zusammen mit weiteren Akteur*innen eine Solidaritätskampagne organisieren. Teil dieser könnte auch eine Boykott-Kampagne sein, die erst dann endet, wenn Lieferando einen Tarifvertrag zu den Bedingungen der Beschäftigten unterzeichnet.