Auf Kurs der Regierung

ver.di Bundeskongress soll Sozialpartnerschaft vertiefen

Vom 17. bis 23. September werden etwa 1000 Delegierte beim ver.di-Bundeskongress über die weitere Ausrichtung der Gewerkschaft ver.di beraten. Die vorliegenden Leitanträge sollen die Zusammenarbeit mit der Ampelregierung intensivieren. Doch es gibt auch Protest im Vorfeld.

Von Angelika Teweleit, Berlin

Angesichts der  hohen Inflation haben wir im Frühjahr die seit langem größten Mobilisierungen bei Warnstreiks und 100.000 Neueintritte in ver.di gesehen. In den auf dem Gewerkschaftsrat beschlossenen Anträgen wird darauf  kein Bezug genommen. Dabei wäre es wichtig, genau hier anzusetzen, um die sich entwickelnde Kampfbereitschaft aufzugreifen. Viel wird von Krisen und Herausforderungen gesprochen. Die Ver.di-Führung sieht sich aber vor allem in der Rolle der „Mitgestalterin“ in Zusammenarbeit mit einer Regierung, deren Politik sie grundsätzlich unterstützt und wo lediglich einzelne Verbesserungen vorzuschlagen seien. 

„Mitgestaltung“ statt Gegenwehr

Auch die bevorstehenden Gefahren durch eine Rezession und damit verbundenen Arbeitsplatzverlusten, Angriffen auf Arbeitszeit und Rente sowie das Streikrecht werden höchstens beiläufig erwähnt. Nicht aber, dass dagegen eine breite Mobilisierung nötig wäre, eine Koordinierung von Tarifbewegungen und Zusammenlegung von Streiktagen, um die gemeinsame Kampfkraft zu stärken. An vielen Stellen wird der aktuellen Ampelregierung ein gutes Zeugnis ausgestellt, wie zum Beispiel in Antrag C001 zum „sozial-ökologischen Umbau“: „In Reaktion auf die Pandemie und die Energiekrise hat der Staat seine großen Handlungsmöglichkeiten unter Beweis gestellt – von enormen Ausgabenprogrammen über öffentlich finanzierte Dienstleistungen, rechtliche Vorgaben bis hin zu Verstaatlichungen.“ Eine Kritik an den Maßnahmen, mit der viele Teile der Arbeiter*innenklasse finanziell zur Kasse gebeten werden, wie im Heizungsgesetz, wird hier nicht ausgesprochen.  

Kriegsunterstützung

Ein Antrag des Gewerkschaftsrates soll auch den Schulterschluss mit der Regierung zur Frage von Krieg und Frieden vollziehen. Damit werden bisherige friedenspolitische Beschlüsse über den Haufen geworfen. In diesem Antrag werden alle Maßnahmen der Bundesregierung und der NATO – von Sanktionen bis Waffenlieferungen an die Ukraine – als richtig erachtet. Es ist gut, dass gegen diesen Antrag ein Aufruf unter dem Titel „Sagt Nein“ gestartet wurde und dieser sollte breit unterstützt werden. Ausgehend davon sollte erklärt werden, dass Opposition gegen den russischen Einmarsch nicht gleichbedeutend mit Unterstützung der ukrainischen Oligarchen-Regierung und der sie unterstützenden NATO-Staaten ist, sondern eine unabhängige Klassenposition eingenommen werden sollte.

Kritiker*innen vernetzen

Ausgehend von den Erfahrungen in den Tarifrunden haben eine Reihe von Kolleg*innen in verschiedenen Städten Interesse an einer systematischen Vernetzung in ver.di geäußert, um sich gemeinam für eine kämpferische Ausrichtung und demokratische Strukturen einzusetzen. Das bisherige „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ soll damit neu aufgestellt und erweitert werden. Während des Bundeskongresses wird Material vom Netzwerk verteilt und es soll ein Treffen am Montag, den 18.9. am Rande des Kongresses stattfinden. Mehr dazu auf www.netzwerk-verdi.de

Angelika Teweleit ist im Ko-Kreis des „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“

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