Kindergrundsicherung – arm bleibt arm 

Was wäre nötig, um Kinderarmut wirklich zu bekämpfen

Die Einführung der Kindergrundsicherung galt als das wichtigste sozialpolitische Projekt der Ampelkoalition. Gemessen daran sind die Ergebnisse winzig. 

von Dorit Hollasky, Dresden

Anfangs wollte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) noch zwölf Milliarden Euro einsetzen, um Kinderarmut abzuschaffen, wobei der Kinderschutzbund diesen Betrag damals schon als viel zu gering kritisierte. Nun sind noch 2,4 Milliarden Euro vorgesehen. Davon werden mindestens 500 Millionen in die Verwaltungsreform fließen. In Deutschland gelten aktuell 3,4 Millionen Kinder und Jugendliche als armutsgefährdet. Selbst bei einer maximalen Auszahlung an alle würde das eine Verbesserung von lediglich 45 Euro pro Kind und Monat bedeuten.

Was ist konkret geplant? 

Im Grunde sollen lediglich die bisherigen Leistungen zusammengefasst werden. Es soll einen Kindergarantiebetrag geben, der das heutige Kindergeld ablöst – außer dem Namen ändert sich nichts.  Dazu soll ein einkommensabhängiger Kinderzusatzbetrag kommen, der sich aus den bisherigen Leistungen des Bürgergeldes, dem Kinderzuschlag und dem Bildungs- und Teilhabepaket zusammensetzt. Als großer Erfolg wird gefeiert, dass für  zwei Millionen Kinder dann nicht mehr das Jobcenter zuständig ist, sondern der neu geschaffene „Familienservice“. Einige Zuverdienstregeln werden geringfügig verbessert.

Und das soll Kinderarmut bekämpfen?

Das Ergebnis ist ein Armutszeugnis und wird an der Kinderarmut nichts verändern. Zwar ist der vereinfachte Zugang zu den Leistungen eine geringe Verbesserung, andererseits wird diese Änderung sehr viel Aufwand erfordern und möglicherweise eher zum Kollaps der Ämter führen. Vor allem ist die Höhe der Leistungen viel zu gering. Armutsforscher Christoph Butterwegge bezeichnet die Reform als einen „Tropfen auf den heißen Stein“. Die Präsidentin des Kinderschutzbundes Sabine Andresen kritisiert, dass die angekündigte Überprüfung des kindlichen Existenzminimums nicht stattgefunden hat. 

Was wäre stattdessen notwendig?

Es würde viele schnell umzusetzende Maßnahmen geben, um die Situation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern: dass beispielsweise das Kindergeld nicht mehr als Einkommen bei Bürgergeldbeziehenden angerechnet wird und dass das Bürgergeld und das Kindergeld überhaupt drastisch erhöht werden. Unsere Forderung ist hier eine Mindestsicherung von 700 Euro ohne Einkommensprüfung der Eltern. Der Mindestlohn muss auf 15 Euro steigen, damit Eltern keine Sozialleistungen beantragen müssen, um für ihre Familien sorgen zu können. 

Für wirkliche Chancengerechtigkeit ist es nötig, dass der Besuch von Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten kostenlos ist, ebenso Sportvereine, Musikschulen und andere Freizeiteinrichtungen. Es muss kostenlose Mahlzeiten für alle in den Bildungseinrichtungen geben und ebenso kostenlosen öffentlichen Nahverkehr.

Jugendliche in Schule, Ausbildung und Studium brauchen ein elternunabhängiges Bafög für alle Schul- und Ausbildungsarten. 

Ist das bezahlbar?

Deutschland gibt über fünfzig Milliarden Euro für die sogenannte Verteidigung aus, dazu noch ein Sondervermögen von hundert Milliarden Euro für die Bundeswehr. Nato-Generalsekretär Stoltenberg macht Druck, noch mehr Geld für die Verteidigung auszugeben. Andererseits stellt die Regierung für die Bekämpfung von Kinderarmut nur 2,4 Milliarden zur Verfügung. Das ist ein Skandal, den es öffentlich zu machen und zu bekämpfen gilt.

Deutschland ist das viertreichste Land der Erde – doch die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Es geht um Umverteilung – wenn beispielsweise alle Reichen ab einer Million Euro eine Vermögenssteuer von zehn Prozent leisten müssten, hätten wir jährlich circa 200 Milliarden Euro mehr zur Verfügung, um damit Kinderarmut abzuschaffen und alle anderen wichtigen Ausgaben zu finanzieren, wie ein sehr gutes flächendeckendes Gesundheitswesen und gute Pflege für alle, kostenlosen öffentlichen Personenverkehr, Investitionen in Klimaschutz und vieles mehr.