Sozialismus adieu

Foto: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Wagenknecht%2C_Sahra%2C_2013.JPG von Wolkenkratzer [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], vom Wikimedia Commons

Ein erster Kommentar zu Sahra Wagenknechts angekündigter Parteigründung

Heute war es dann so weit. Sahra Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete sind heute aus der Partei DIE LINKE ausgetreten und haben das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vorgestellt, das sich die Gründung einer neuen Partei zum Ziel gesetzt hat, die plant, bei den Europawahlen und den Landtagswahlen in Ostdeutschland im kommenden Jahr anzutreten.

Von Sascha Staničić

Das ist keine Überraschung und wir haben seit über zwei Jahren darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung zu erwarten war, weil die (macht-)politischen Konflikte in der LINKEN nicht zu lösen waren.

Vier inhaltliche Stichworte wurden auf der heutigen Pressekonferenz des BSW genannt, die den Verein und die zukünftige Partei ausmachen sollen: Wirtschaftliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit. Sahra Wagenknecht machte deutlich, dass es ihr wirtschaftspolitisch um „mehr Wettbewerb und einen starken Mittelstand“geht und bekannte sich zur „Leistungsgesellschaft“. In Zeiten der tiefsten Systemkrise des Kapitalismus seit fast hundert Jahren wollen Sahra Wagenknecht und ihrer Mitstreiter*innen zurück zu einer sozialdemokratischen Politik des „sozialen Ausgleichs“ zwischen Kapital und Arbeit und erwecken die Illusion, dass die – in der Pressekonferenz nur einmal von Christian Leye benannte „Krise des Kapitalismus“ – ihre Ursache in einer falschen Wirtschaftspolitik und nicht in der Funktionsweise des kapitalistischen Systems selbst hat. Da passt es, dass mit Thomas Suikat ein Unternehmer auf dem Podium der Pressekonferenz sprach, der sich neben einer Vermögensteuer für „fairen Wettbewerb“ und eine Verteidigung des Mittelstands gegen Großkonzerne aussprach. Eine*n profilierte*n Gewerkschafter*in suchte man unter den vertretenen BSW-Vorstandsmitgliedern vergeblich. Auffällig war, dass es keinen Aufruf gab zum Klassenkampf, zur gewerkschaftlichen Selbstorganisierung, zum Protest – nicht einmal zum Eintritt in das Bündnis. Im Gegenteil: Christian Leye machte deutlich, dass sich Verein und Partei „langsam und kontrolliert“ entwickeln werde, um zu verhindern, dass „Glücksritter, Karrieristen und Leute, die andere politische Ansichten vertreten“ in die Partei strömen. Dass diese Sorge unter anderemmit der rechtslastigen Migrationspolitik, die Sahra Wagenknecht vertritt, zu tun haben könnte, blieb natürlich unerwähnt. Auch auf der Pressekonferenz sprach Wagenknecht von einer „unkontrollierten Zuwanderung, die unser Land überfordert“ und „unverantwortlich“ sei und bezog sich positiv auf die rassistische Einwanderungspolitik Dänemarks. Irgendwie passte es da, dass eine Frage eines Redakteurs der rechtsextremen Zeitung „Junge Freiheit“ genauso freundlich beantwortet wurde, wie jede andere Frage. Scheinbar haben die BSW-Vertreter*innen nicht einmal das Rückgrat Jürgen Klopps, der auf Pressekonferenzen des FC Liverpool Fragen der Boulevard-Zeitung „Sun“ nicht beantwortet.

Die Ankündigung „kontrollierten Wachstums“ der Partei machtebenso wie der Vereinsameaber deutlich, dass diese Gründung nicht Ausdruck einer Bewegung von unten ist, sondern ein Top-Down-Projekt, das im wesentlichen Stellvertreterpolitik betreiben wird.

Die Aussagen der BSW-Vorstandsmitglieder machten deutlich, dass diese Partei keine Linksabspaltung von der Linkspartei sein wird. Wagenknecht betonte, dass man keine „LINKE 2.0“ gründen werde. Eine Systemkritik am Kapitalismus gab es genauso wenig, wie eine Aussage, die die neue Partei in die Kontinuität der sozialistischen Bewegung stellt, wie DIE LINKE es zumindest tut.

Inhaltlich bietet das BSW und die zukünftige Partei keine Alternative zur Programmatik der LINKEN und keine Antworten auf die multiple Systemkrise des Kapitalismus an. Angesichts des Scheiterns der LINKEN – das wesentlich seine Ursache genau darin hat, dass sich die Partei dem Kapitalismus und den prokapitalistischen Parteien mehr und mehr angepasst hat – werden aber viele Menschen in der Bundesrepublik in der neuen Partei eine Chance sehen, einen Gegenpol zum prokapitalistischen Establishment zu schaffen. Meinungsumfragen der letzten Tage geben einer von Sahra Wagenknecht geführten Partei ein Wähler*innenpotenzial von 27 Prozent. Es wird sich zeigen, ob dieses Potenzial auch auch zu einem Mitgliederzufluss führen wird, unter dem Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen und Linke sein werden, der die pro-marktwirtschaftliche Ausrichtung der Partei in Frage stellen könnte. Wahrscheinlich erscheint das nicht.

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