Österreich: Streiks nehmen zu

Metall, Handel, IT, Sozialbereich – Beschäftigte kämpfen für Reallohnerhöhungen

In Österreich findet im Moment eine weitere „Streikwoche“ statt – ähnlich wie im letzten Jahr, allerdings in etwas anderen Branchen. Die Beschäftigten der Metallindustrie, die letzte Woche Warnstreiks durchgeführt hatte, wird über die Woche verteilt eintägige Streiks in 200 Betrieben abhalten. Außerdem gab es am 14.11. im Einzelhandel Demonstrationen in Wien und Salzburg mit etwa 1500 Personen.

In anderen Sektoren wird noch verhandelt, was in den kommenden Wochen zu weiteren Kämpfen führen könnte. In der Medienbranche wurde der Kollektivvertrag von den Arbeitgebern gekündigt, auch hier gab es eine Streikfreigabe – hier wurde die Kündigung wieder zurückgenommen, was auch ein Effekt der Metallerstreiks sein könnte. Außerdem gab es erneut eine Demonstration der Fahrer/innen von Foodora. Die Brauereien, die letztes Jahr gestreikt hatten, sind die einzigen, die inzwischen eine Einigung erzielt haben, und sie erhielten eine Lohnerhöhung, die nur knapp über der durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate lag – wahrscheinlich, weil die Bosse befürchteten, dass es wieder zu Streiks kommen würde. Aber auch der öffentliche Sektor hat mit Personalmangel und Arbeitslast zu tun, vor allem in Bildung und Gesundheit, auch hier sind Kämpfe möglich.

Im Sommer haben wir den unbefristeten Streik bei Ardo erlebt, der leider aufgrund mehrerer Faktoren (Isolation sowie nur ein Drittel der Belegschaft im Streik) nicht erfolgreich war und wo nach zwei Wochen der Streik abgebrochen wurde, ohne dass die geforderte Lohnerhöhung erreicht wurde. Ardo ist eine Warnung, was passiert, wenn die Ängste um die Arbeitsplätze eines Teils der Belegschaft nicht als Forderungen zur Verteidigung der Arbeitsplätze in die Streikforderungen aufgenommen werden. Denn angesichts der Krise des Kapitalismus und der schwächelnden Wirtschaft haben die Menschen berechtigte Sorgen über ihre Arbeitsplätze, trotz Arbeitskräftemangels. Um diese zu berücksichtigen, muss eine Strategie zur Verteidigung von Jobs und Betrieben entwickelt werden, die beinhaltet, dass Betriebe, die von Schließung bedroht sind, in öffentliches Eigentum unter demokratischer Verwaltung und Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung überführt werden.

Die Inflation in Österreich lag in den letzten Jahren über dem EU-Durchschnitt, die jährliche Durchschnittsinflation liegt mit dem Stichtag für die Metallbranche jetzt bei 9,6 %. Letztes Jahr bedeutete die Taktik, sich an der durchschnittlichen jährlichen Inflation zu orientieren, dass die Lohnerhöhungen geringer ausfielen als die tatsächliche Inflation, aber jetzt, da die Inflation zurückgeht, bedeutet dies, dass die Verluste des letzten Jahres aufgeholt werden müssen. Und genau das geschieht jetzt – die Gewerkschaftsführer stehen unter Druck, ihre Versprechen einzulösen. In der Metallbranche gab es im letzten Jahr Erhöhungen von etwa 7 % (nachdem man sich von einer Streikdrohung zurückgezogen hatte). Die Kolleg/innen erwarten jetzt, dass man das bekommt, was man im letzten Jahr verloren hat. Die Tatsache, dass bei den Metaller/innen noch keine Einigung erzielt wurde, ist der Grund dafür, dass die Bosse gezögert haben, ein Angebot im Einzelhandel zu unterbreiten, um nicht über einem möglichen Ergebnis des Metallsektors zu liegen.

Dort sind die Arbeitgeber bereit, eine Konfrontation zu riskieren, da die Bücher weniger voll sind als im letzten Jahr und Streiks für sie weniger kostspielig sein könnten. Auf der anderen Seite ist die Stimmung ziemlich aufgeheizt. Auf dem ÖGB-Facebook-Account gab es Kommentare von Arbeiter*innen, dass eine ganze Woche lang gestreikt werden sollte. Der ÖGB hatte Ende September eine Gewerkschaftsdemonstration organisiert, bei der die Stimmung sehr aufgeheizt war.

Am Montag wird im Metall-Sektor wieder verhandelt, aber es ist nicht auszuschließen, dass die eintägigen Streiks nicht ausreichen und die Drohung des neuen pro-ge-Vorsitzenden Reinhold Binder über unbegrenzte Streiks in der Folgewoche tatsächlich wahr gemacht werden muss. Dies ist nicht ohne Risiko und bedeutet, dass die Belegschaft gut vorbereitet sein muss und die Lehren aus dem Ardo-Streik gezogen werden müssen, um einen soliden Streik zu gewährleisten. Eine positive Entwicklung ist, dass im Gegensatz zum letzten Jahr einige der Streiks im Metallsektor in diesem Jahr Streikposten, Demonstrationen und Streikkomitees umfassen, ein Merkmal, das bei den letztjährigen Streiks bei der Bahn und in anderen Sektoren gefehlt hatte.

Es ist auch möglich, dass eine Einigung im Metallsektor Arbeitszeitverkürzung im Gegenzug für eine geringere Lohnerhöhung beinhalten könnte – das wird im Moment von mehreren bürgerlichen Expert/innen vorgeschlagen. Zwar muss für kürzere Arbeitszeiten gekämpft werden, aber es muss sich dabei um eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich handeln, der auch die Inflation ausgleicht, und nicht um kürzere Arbeitszeiten mit Reallohnverlusten. Die Menschen müssen ihre Rechnungen bezahlen.

Auch im Handel gibt es Möglichkeiten, die Beschäftigten der Branche (und vor allem ihre Jungen Mitarbeiter/innen) besser zu organisieren. Bereits letztes Jahr gab es ein hohes Interesse an den Lohnrunden und an möglichen Streiks. Wir sprachen mit einem jungen Supermarktangestellten, und er erzählte aufgeregt, dass „es nächste Woche eine Demonstration gibt“, an der er teilnehmen wollte, und war enttäuscht, dass er sie verpasst hatte. Es gibt Berichte von der Handelsdemo, in denen Kolleg/innen zitiert werden, dass es reicht und dass es nun Zeit für Streiks ist. Das Angebot der Arbeitgeber mit 5% plus eine Einmalzahlung kann nicht mehr als ein schlechter Scherz sein.

Die Sozialistische Offensive beteiligte sich an einer Warnstreikdemonstration der Arbeiter*innen der Metallbranche in Wien sowie an der Demonstration der Handelsangestellten. Wir setzen uns für koordinierte gemeinsame Aktionen ein, damit die verschiedenen Branchen nicht gegeneinander ausgespielt werden können und damit auch die schwächeren Branchen eine Erhöhung über der Inflation bekommen.