EVG-Tarifrunden: Schluss mit dem Trauerspiel!

Die Erwartungen in die Tarifrunde der EVG bei den nicht-bundeseigenen NE-Bahnen waren gering, aber der Tarifabschluss haut einen dann doch aus den Socken.

Von Ronald Luther, Mitglied der EVG und der Sol in Berlin

Gerade mal 2 Prozent mehr Gehalt ab dem 01. November 2025 (Azubis: plus 50 Euro) und nochmal zwei Prozent obendrauf ab dem 01. November 2026 (Azubis: plus 50 Euro) bei einer Tarifvertragslaufzeit von 25 Monaten wurden erreicht. Und das verkauft uns die EVG-Führung auch noch als Erfolg! Insgesamt 6,1 Prozent sollen erreicht worden sein, wenn man das neu eingeführte EVG-Zusatzgeld (EVG-ZUG) dazu rechnet. Dieses gilt aber erst ab 2026 und beinhaltet eine jährliche Einmalzahlung mit dem April-Gehalt von zusätzlich 25 Prozent des persönlichen Monatsentgelts. Als besonderer Erfolg wird uns auch noch
verkauft, dass Wechselschichtarbeitende, Eltern mit Kindern unter zwölf Jahren sowie pflegende Angehörige (Pflegegrad 2 oder höher) ab 2027 einen Teil des EVG-Zusatzgeldes in zwei Tage zusätzliche Freizeit umwandeln können. Dabei brauchen gerade diese Kolleginnen und Kollegen jeden Cent, aber
auch eine Entlastung. Sie dürfen sich nun entscheiden, was ihnen wichtiger ist: mehr Zeit für ihre Angehörigen oder mehr Geld für die Familienkasse.

Reallohnverlust und Arbeitszeitverdichtung

Sicher ist: bei einer für 2025 und 2026 prognostizierten Inflation von zwei Prozent wird von dieser “grandiosen” Lohnerhöhung nicht viel übrig bleiben. Eine satte Lohnerhöhung wurde erst recht nicht erreicht. Die Inflationsausgleichsprämie (IAP), die nun alle erhalten, wird schnell aufgebraucht sein und ist auch nicht tabellenwirksam. Ab dem 01. Januar 2026 können außerdem alle wählen, ob sie 38, 39 oder 40 Stunden pro Woche arbeiten möchten, natürlich bei entsprechenden Lohnverlust. Angesichts der weiter steigenden Lebenshaltungskosten werden sich die wenigsten Kolleginnen und Kollegen eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverlust leisten können. Da außerdem nicht vereinbart wurde, gleichzeitig mehr Leute einzustellen, ist eine Arbeitsverdichtung für alle zu erwarten. Und wer trotzdem eine kürzere Arbeitszeit wählt, wird erfahrungsgemäß mit Überstunden “belohnt” werden.

Fehlen demokratischer Forderungsdiskussionen

Ursprünglich hatte die EVG eine Lohnerhöhung von insgesamt 7,6 Prozent (Azubis/Dual Studierende: plus 150 Euro) inclusive eines EVG-Zusatzgeldes (EVG-ZUG), außerdem die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie und die Möglichkeit der Wahl einer Arbeitswoche von 40 bis 35 Stunden gegen Reduzierung des Entgeltes gefordert. Keine Aussage gab es zur Tarifvertragslaufzeit. Dabei ist es wichtig zu wissen, ob man 7,6 Prozent in einem Jahr oder in zwei Jahren erhält. Bereits diese Forderungen waren viel zu gering angesetzt. Im Vorfeld waren die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben nach ihren Schwerpunkten zur Tarifrunde befragt worden und hatten laut EVG mehr Geld gefordert. Es gab also keine demokratische Diskussion in Betriebsversammlungen oder bei Veranstaltungen zur Forderungsfindung. Die konkreten Forderungen entschieden dann auch nicht die Kolleginnen und Kollegen, sondern die Tarifkommission. Wie sollen diese mit einer solchen Vorgehensweise für Arbeitskampfmaßnahmen zur Durchsetzung der Tarifforderungen mobilisiert werden? Diese hatte die EVG-Führung großspurig ab dem 01. Dezember 2024 angekündigt, nachdem sich drei Viertel der Befragten für Streiks ausgesprochen hatten. Passiert ist: nix. Gerade mal eine mickrige Kundgebung wurde zu Beginn der zweiten Verhandlungsrunde vor dem Tagungshotel in Kassel-Wilhelmshöhe organisiert. Das lässt darauf schließen, dass die EVG-Führung die Tarifrunde möglichst schnell und kampflos über die Bühne bringen wollte!

Dieser Tarifabschluss lässt Böses für die anstehende Tarifrunde bei der Deutschen Bahn (DB) erwarten. Wie in der Tarifrunde der NE-Bahnen wurden die Kolleginnen und Kollegen im Vorfeld befragt, welche Schwerpunkte in der Tarifrunde gesetzt werden sollen. Die Fragen waren wieder einmal vorgegeben. Demokratische Diskussionen zur Forderungsfindung in Betriebsversammlungen oder bei Veranstaltungen fanden nicht statt. Die Zentrale Tarifkommission, also nicht die Gewerkschaftsmitglieder, wird dann im Januar 2025 darüber entscheiden, welche Forderungen konkret aufgestellt werden. Auch hier stellt sich die Frage, wie die Kolleginnen und Kollegen mit dieser Vorgehensweise für Arbeitskampfmaßnahmen mobilisiert werden sollen?

Frühzeitige Verhandlungen

Am 31. März 2025 endet die Friedenspflicht und ab 01. April wären dann Streiks möglich. Nun hat die Zentrale Tarifkommission den DB-Vorstand aufgefordert, bereits Ende Januar 2025 in die Tarifverhandlungen einzutreten. Hintergründe seien die schwierige wirtschaftliche Lage, die anstehenden Neuwahlen für den Bundestag und der stattfindende Stellenabbau bei der Bahn. Damit ist absehbar, dass die EVG möglichst noch vor den Neuwahlen am 23. Februar 2025 zu einem Abschluss kommen möchte. Streiks wären damit vom Tisch. Es ist zu erwarten, dass der DB-Vorstand mit Verweis auf leere Kassen und den Stellenabbau bestenfalls ein Ergebnis wie bei den NE-Bahnen akzeptieren und die Gewerkschaft diesem letztendlich zustimmen wird.

Obwohl die Kassen angeblich leer sind, genehmigten sich die oberen Führungskräfte in den letzten Jahren kräftige Erhöhungen bei ihren Gehältern und Boni. Kurz vor Bekanntgabe des Ausgabestopps bei der DB wurden Ende Januar 2024 noch 1,7 Millionen Euro für eine Feier von 2000 geladenen Gästen zur Gründung der neuen InfraGo ausgegeben. Und die Kosten für das Prestigeobjekt Stuttgart 21 stiegen 2024 auf rund zwölf Milliarden Euro, wovon die Deutsche Bahn etwa 3,5 Milliarden Euro trägt. Das Geld ist also da, es muss nur durch die Beschäftigten erkämpft werden. Statt außerdem das Geld für Rüstung und Krieg auszugeben, sollte dieses in ein öffentliches Investitionsprogramm in den Bereichen Soziales, Bildung, Gesundheit, Umwelt und Verkehr gesteckt werden, finanziert durch die Profite der Banken und
Konzerne. Die Gewerkschaften sollten statt Lohnverlust zu akzeptieren eine Vermögenssteuer von zehn Prozent ab einer Million Euro Vermögen und ein stark progressives Steuersystem mit drastisch höheren Steuern auf Unternehmensprofite und Erbschaften fordern. Das heißt dann aber auch, dass die Gewerkschaften statt weiter auf Sozialpartnerschaft zu setzen, jetzt gemeinsame Arbeitskampfmaßnahmen für Lohnerhöhungen und auch gegen jeden Stellenabbau organisieren müssen. Dazu ist aber Druck von der Basis nötig!

Gemeinsam kämpfen!

Das alles zeigt, wie wichtig es ist, dass sich kritische und kämpferische Eisenbahnerinnen und Eisenbahner zusammen schließen und zwar gewerkschaftsübergreifend, ob in der EVG, in der GDL oder (noch) nicht organisiert! Wir sollten uns gemeinsam für eine demokratische und transparente Einbeziehung aller Gewerkschaftsmitglieder in die Diskussion und Entscheidungsfindung über die zentralen Tarifforderungen einsetzen. Wir brauchen Forderungen, für die wir gemeinsam kämpfen können, wie eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden in der Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich und eine satte Lohnerhöhung. Setzt euch gemeinsam mit uns dafür in den Gewerkschaften ein und macht bei uns mit!