Zum Investoreneinstieg in die ‘Deutsche Fußball Liga’
Hans-Joachim Watzke, Vorstandsvorsitzender von Borussia Dortmund, und seine Gruppe von Fußballmafiosis in den Vorständen deutscher Fußballvereine haben es im zweiten Anlauf, also quasi in der Nachspielzeit, geschafft den Ausverkauf des deutschen Fußballs auf eine neue Stufe zu heben. Bereits jetzt knallen die Korken möglicher zukünftiger Investor*innen, zu denen auch welche mit dubiosen Verbindungen zu Öldiktaturen zählen dürften. Die für eine Zustimmung nötige Zwei-Drittel-Mehrheit unter den 36 Fußballvereinen der ersten beiden Profiligen wurde auf die Stimme genau erreicht. Damit steht dem Einstieg privater Investoren in die Bundesliga Tür und Tor offen.
von Christoph Martin, Mainz
Die Bundesliga wird weiter zum Produkt. Durch die am vergangenen Montag beschlossene Reform wird es den DFL-Bossen nun möglich sein, acht Prozent des Gewinns vom Verkauf der TV-Ausstrahlungsrechte an einen privaten Investor zu verkaufen. Dazu soll eine neue Tochtergesellschaft gegründet werden. Dieser Deal soll insgesamt ungefähr eine Milliarde Euro einspielen und eine maximale Dauer von zwanzig Jahren haben. Dieses neue Kapital soll dann genutzt werden für die digitale und internationale Vermarktung der Bundesliga (durch einen Streamingdienst oder Finanzzuschüsse für Vereine, die Trainingslager auf anderen Kontinenten durchführen). Außerdem sollen rund 300 Millionen Euro in die Clubs der ersten und zweiten Liga fließen, um die sogenannte “internationale Konkurrenz” sicherzustellen und um die nun entstehenden Verluste auszugleichen. Die Vereine hatten zuvor die vollen Einnahmen aus den Medienrechten nach einem festgelegten Schlüssel direkt zugewiesen bekommen. Ein Teil davon geht schließlich nun an die zukünftigen Investor*innen.
Hauptsache Geld
Das allein wirft bereits Fragen über die Verteilung des neuen Geldes auf. Und wenn das Geld nach dem jetzigen Verteilungsschlüssel für TV-Gelder verteilt würde, würde es vor allem den großen Clubs, wie zum Beispiel dem von einer Brausefirma substituierten Plastikclub aus Leipzig, zugute kommen. Dadurch würden schwächere Vereine finanziell noch weiter abgehängt werden, als sie es eh bereits sind. Auch die Förderung prestigeträchtiger Auslandsträningslagern zum Beispiel in den USA für die Vermarktung von Bundesligavereinen ergibt für den FC Bayern München vielleicht Sinn, für den Drittligaaufsteiger SV Elversberg aus dem Saarland aber nicht. Auch hier wird den großen Vereinen Geld zugeschachert.
Doch auch für die Fans könnte die Reform erhebliche Verschlechterungen bedeuten. Wie das bei Investitionen so ist, werden sie in der Regel getätigt, um das reingesteckte Kapital zu vermehren. Das ist de facto nur auf dem Rücken der Fans möglich. Um mehr Geld durch TV-Ausstrahlungen zu verdienen, könnten womöglich Anstoßzeiten weiter zerstückelt oder erneut versucht werden, Montagsspiele anzusetzen. Auch eine Anhebung der Streamingpreise um den Verlust von acht Prozent der Einnahmen auszugleichen wäre denkbar. Alles Maßnahmen, die den Fans zu lasten kämen – denn auch wenn die DFL auf dem Papier verspricht, dass ein zukünftiger Investor keinen Einfluss auf solche Entscheidungen haben würde, gilt auch hier der Grundsatz: “Wes Brot ich ess, des Lied ich sing”.
Die Entscheidung über den konkreten Investor soll bis zur kommenden Saison getroffen sein. Konkrete Namen sind noch nicht bekannt. Es soll interessierte Private-Equity-Firmen geben, die auf Beteiligungsformen an bestehenden Unternehmen spezialisiert sind. Es wäre aber natürlich auchvorstellbar, dass Firmen mit schlechtem Ruf einen Investoreneinstieg zum sogenannten “Sportswashing” probieren, denn auch ein Verkauf der Namensrechte der Bundesliga ist jetzt auf dem Tisch (was bei der Google Pixel Frauen-Bundesliga schon längst durchgesetzt wurde).
Hinter Kommerzialisierung steht das Kapital
Dieser Schritt reiht sich ein in die einseitige Richtung, in die sich der deutsche Fußball über die letzten Jahre entwickelte. Zum Xten mal entfremdet sich der Fußball weiter von denen, die ihn mal groß gemacht haben. All das, mal wieder, unter den Vorzeichen endlich wieder “international konkurrenzfähig” zu sein. Wenn man sich über dieses Wort mal genauer Gedanken macht, dann kommt man eigentlich schon von selbst zum Kern des Problems. Der professionelle Fußballsport findet nämlich nicht neben dem Kapitalismus, sondern in ihm statt und im Kapitalismus ist die Profitlogik immanent. Dort geht es nicht um Sportlichkeit, kulturelle Teilhabe für die Masse der Bevölkerungoder um irgendwelche anderen “Werte”, sondern um Steigerung von Profit privater Kapitalist*innen. Der Fußball untersteht vollständig der kapitalistischen Logik. Das Erhöhen von Einnahmen ist dabei zentrales Mittel und wenn das nicht durch sportliche Erfolge machbar ist, geht es eben auf Kosten von Fans durch steigende Eintrittspreise,Privatisierung der TV-Ausstrahlungen,Zerstückelung der Anstoßzeiten, “englische” Wochen, dem Vollladen der Spiele mit Werbung…
Und gerade in Deutschland ist damit noch viel Geld zu machen. In keinem anderen Land ist der Zuschauerschnitt in Fußballstadien so hoch wie in Deutschland. Und die, die es sich nicht mehr leisten können, werden dann halt mit einem neuen Publikum ausgetauscht.
Fußballfans aller Länder, vereinigt euch!
In den letzten Jahren gab es zahlreiche kreative Fanproteste. Zum Beispiel tausende Tennisbälle, die von Eintracht-Fans von den Rängen geworfen wurden, die anschließend mühsam einzeln eingesammelt werden mussten und das Spiel länger unterbrachen. Oder alternative Spiele zwischen Fangemeinschaften, wie es Mainzer und Freiburger aus Protest gegen ein Montagsspiel organisierten.
Trotz der breiten Ablehnung der Fans gegen eine weitere Kommerzialisierung des Fußballs haben zwei Drittel der Vereine den Weg für den Investoreneinstieg freigemacht. Und das obwohl Fans in Deutschland einen höheren Einfluss auf ihre Vereine haben als in anderen Ländern, wie in den USA oder England. Trotzdem wurden sie ohne Möglichkeit sich einzubringen übergangen. Das gilt auch für meinen Verein, den HSV, bei dem es letzte Woche erst bei einem Pokalspiel gegen Hertha BSC, wie überall im Land, eine gemeinsame Protestaktion der Fanszenen gegen den Investoreneinstieg gab. Besonders brisant: Viel spricht dafür, dass der Hörakustikmogul und umstrittene Geschäftsführer von Hannover 96, Martin Ip Kind, gegen den Beschluss des Vereins bei der DFL-Versammlung für die “Reform” gestimmt hat (er selbst weigert sich transparent zu machen, wie er abgestimmt hat). Das heißt, hätte er seinem Auftrag entsprechend abgestimmt, würde das Investorenkonzept jetzt in eine dritte Runde, quasi ins Elfmeterschießen, gehen. Klar ist aber: Der Kampf gegen weitere Kommerzialisierung im Fußball startet und endet nicht bei einzelnen Abstimmungen oder zwilichtigen Funktionären. Wenn sie diese Abstimmung verloren hätten, hätten siesolange weiter Druck gemacht, bis sie die nächste gewonnen hätten. Einige große Klubbosse hatten vor der Abstimmung ihre Drohung erneuert, den deutschen Profifußball in zwei Klassen zu spalten, zum Beispiel indem sie ihre Medienrechte selbst vermarkten und die kleineren Vereine verbluten zu lassen. Hinter diesen Verschlechterungen steckt eben der Kapitalismus, der Kultur und Sport nicht unberührt lässt. Warum sollte er das auch? Immerhin erwirtschaftet der gesamte deutsche Sport einen Jahresumsatz von knapp 70 Milliarden Euro.
Fußball-Fans müssen darüber diskutieren, wie sie die demokratische Kontrolle über ihren Sport, ihre Ligen und ihre Vereine erlangen können. Sonst drohen weitere Verschlechterungen, wie sie in anderen Ländern schon zu sehen sind. Wer “Fußball für die Massen” will, muss aber auch gegen die Ursachen des Ausverkaufs kämpfen.Denn der Kampf gegen die Kommerzialisierung des Sports ist, wenn er konsequent geführt werden soll, ein politischer Kampf gegen den Kapitalismus. Bis Faninitiativen sich nicht diesem Kampf widmen, werden alle unterstützenswerte Versuche leider langfristig keinen Erfolg haben.
Ohne einen solchen Kampf können wir uns bald schon von der Samstagskonferenz verabschieden und uns dann nächstes Jahr auf die ‘Lieferando Bundesliga’, oder ähnlichen Quark, freuen.