Kürzungshaushalt 2024: Arbeiter*innen sollen die Finanzlücken stopfen

Foto: Z6ehswhha5HGRTd CC-by-sa 4.0

Bäuer*innen und Arbeiter*innen – gemeinsam kämpfen!

Nachdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Ampel-Regierung in eine weitere tiefe Krise gestürzt hat, haben sich die Regierungsspitzen auf einen Haushaltsentwurf für 2024 geeinigt. Mit dem Entwurf soll das Loch im Haushalt von 17 Milliarden Euro, die durch das Urteil im kommenden Jahr fehlen würden, gestopft werden. Der Beschluss bedeutet jedoch keine Atempause für die Ampel. Schon bald nach Bekanntwerden des Beschlusses gab es viel Kritik, auch aus den Reihen der Regierung selbst.

Von Caspar Loettgers, Sol-Bundesleitung

Die DGB-Führung lobt den Beschluss stattdessen. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Millionen Gewerkschaftsmitglieder, denn die Pläne der Regierung sind ein Angriff auf die Arbeiter*innenklasse und die Mittelschichten, die für die fehlenden Milliarden aufkommen sollen. Die Bäuerinnen und Bauern haben mit ihren Protesten richtig reagiert. Daran sollten sich die Gewerkschaftsführungen ein Beispiel nehmen und endlich zu Massenprotesten gegen die Politik der Regierung aufrufen.

Nach dem Beschluss von Scholz, Habeck und Lindner wurde den einzelnen Ministerien eine Summe „zur Kenntnis vorgelegt“, die sie in ihrem jeweiligen Ressort zu kürzen haben. Dazu kamen einige konkrete Maßnahmen, die die Regierungsspitze bereits formuliert hatte. Insgesamt handelt es sich dabei um 17 Milliarden Euro, die mit einer Vielzahl an Maßnahmen rein geholt werden sollen.

Preissteigerungen sind Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse

Bei den geplanten Kürzungen brüsten sich Scholz, Habeck und Lindner damit, dass sie die Schuldenbremse einhalten, ohne bei den Sozialausgaben zu kürzen. Stattdessen sollen “umweltschädliche Subventionen wegfallen” und Kürzungen in anderen Bereichen durchgeführt werden.

Wer sich den Entwurf genauer anschaut, entdeckt, dass diese Maßnahmen alle zur Folge haben, dass die fehlenden Milliarden aus den Taschen der Arbeiter*innenklasse und der Mittelschichten kommen sollen. Denn durch die Anhebung der CO2-Steuer auf 45 Euro pro Tonne, der Einführung der Plastiksteuer (die zuvor vom Bund an die EU bezahlt wurde), aber auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer in Fällen, wo sie zuvor abgesenkt worden war, werden die Preise für Verbraucher*innen weiter steigen.

Laut einer Berechnung der Zeitschrift “Capital” werden auf eine vierköpfige Musterfamilie durch den Wegfall der Gaspreisbremse und der Anhebung des CO2-Preises 211 Euro Mehrkosten zu kommen,1 durch die Anhebung der Netzentgelte und den Wegfall der Strompreisbremse etwa hundert Euro, beim Tanken fallen etwa 4,3 Cent pro Liter an und auch Speisen im Restaurant werden teurer, da die Mehrwertsteuer für die Gastronomie wieder von sieben auf 19 Prozent steigt. Gleichzeitig stellt die Regierung der Industrie einen Industriestrompreis in Aussicht, um die Profite der Unternehmen zu sichern!

Statt den Kürzungshammer direkt anzulegen, soll also die Masse der Bevölkerung über Umwege das Haushaltsloch stopfen. Währenddessen werden die Großunternehmen verschont und erhalten sogar weiterhin großzügige Förderungen, obwohl viele über die letzten Jahre Rekordgewinne eingefahren haben. Im Sommer etwa berichtete die OECD, dass deutsche Unternehmen seit 2019 ihren so genannten Stückgewinn um 24 Prozent gesteigert hatten.2

Die Regierung erklärt zwar, dass als Ausgleich für die steigenden Kosten Steuern auf Einkommen gesenkt werden, in dem etwa der Grundfreibetrag steigt, aber das wird erstens wenig Entlastung nur für die Menschen mit den niedrigsten Löhnen bedeuten und zweitens die Preissteigerungen und gestiegenen Belastungen nicht ausgleichen, geschweige denn das Problem lösen, dass der Staat zu wenig Geld hat, um die dringenden Investitionen in Schulen, im Gesundheitswesen etc. zu tätigen.

Nicht alle geplanten Kürzungen sind schon konkret benannt, so sollen 200 Millionen im Bildungsministerium und 380 Millionen im Verkehrsministerium gekürzt werden. Auch in anderen Ministerien stehen harte Kürzungen an, ohne dass konkret bekannt ist, was wegfallen soll.

Einzelne Vorhaben sind jedoch schon bekannt. Zum Beispiel sollen etwa weitere 600 Millionen aus dem Bundeszuschuss für die Rentenkassen gekürzt werden, mit dem zum Beispiel die Grundrente finanziert wird. Zusammen mit vorangegangenen Kürzungen aus dem vergangenen Jahr summieren sich die Kürzungen für den Rentenzuschuss auf fünf Milliarden Euro3. Durch diese Maßnahmen sinken die Rücklagen in der Rentenkasse. Kurzum: Mit den jetzigen Kürzungen werden nun Beitragserhöhungen oder allgemeinere Angriffe, wie die Anhebung des Renteneintrittsalter, früher anstehen.

Agrar-Kürzungen und Bäuer*innenproteste

Auf den heftigsten Widerstand sind bisher die Kürzungen im Agrarsektor gestoßen. Durch den Wegfall der Steuerbefreiung auf Diesel für Forst- und Landwirtschaftsfahrzeuge, sowie die Ausweitung der KfZ-Steuer (deren Befreiung ganz einfach darin begründet ist, dass die Traktoren vor allem auf den Feldern der Bäuerinnen und Bauern fahren und nicht zum Verschleiß des öffentlichen Straßenwesens beitragen) sollten laut Bundesregierung knapp eine Milliarde Euro eingespart werden oder, anders ausgedrückt, durch Steuererhöhungen bei den Bäuerinnen und Bauern eingeholt werden. Nach den ersten Protestwellen von Landwirt*innen hat die Regierung diese Maßnahmen inzwischen teilweise zurückgenommen. Die KfZ-Steuer soll nicht ausgeweitet werden und die Steuerbefreiung auf Diesel nur schrittweise wegfallen. Dennoch will der Bauernverband an seinen geplanten Protesten am 8. und 15. Januar festhalten, bis alle Agrar-Kürzungen zurückgenommen werden. Das ist richtig. Die Gewerkschaften und Linke sollten diese Proteste unterstützen und darin gleichzeitig für linke und antikapitalistische Positionen werben und auch die Interessen der in der Landwirtschaft abhängig Beschäftigten artikulieren.

Der Bauernverband, der nach eigenen Angaben neunzig Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland vertritt, ist eine mächtige Lobbyorganisation, die in erster Linie die Interessen der landwirtschaftlichen Großbetriebe vertritt. Gleichzeitig gibt es in Deutschland auch eine Großzahl an Familienbetrieben, die keine Angestellten haben oder ihren Hof sogar nur als Nebenverdienst betreiben. Gerade diese Betriebe sind es, die unter den Steuererhöhungen massiv leiden werden und deren Fortbestand damit in Frage gestellt wird.

Rechte Kräfte, wie die AfD und die rechtsextremen Freien Sachsen und Identitären, versuchen durch eine Unterstützung der Bäuer*innen-Proteste politischen Einfluss zu gewinnen. Bürgerliche Medien und Politiker*innen greifen das auf, um die Proteste insgesamt zu diskreditieren und die Unterstützung in der breiteren Bevölkerung zu untergraben. Auf einigen Traktoren wurden bei Demonstrationen rechte Symbole gesehen. Der Bauernverband gilt als CDU/CSU-nah. Konservative, rechtspopulistische und andere pro-kapitalistischen Kräfte werden aber die Interessen der kleinen selbständigen Landwirt*innen und der abhängig beschäftigten Landarbeiter*innen nicht vertreten. Denn der Kampf für deren Interessen müsste mit dem Kampf gegen die Banken und die großen Handelsketten, die die Preise diktieren, verbunden werden. Deshalb müssen die Gewerkschaften und die Partei Die Linke die Forderungen der Bäuerinnen und Bauern unterstützen und zu einem gemeinsamen Kampf für ein Programm gegen jegliche Kürzungen, für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, für Steuererhöhungen für die Reichen und Banken und Konzerne aufrufen.

Zur Zeit befinden sich das in der GDL organisierte Bahnpersonal, die Beschäftigten im Einzelhandel und des Öffentlichen Personennahverkehrs in Tarifverhandlungen. Die GDL sollte sich durch die unzureichenden Angebote des Bahn-Vorstands nicht von ihrem Plan eines fünftägigen Streiks in der kommenden Woche abhalten lassen. Sinnvoll wäre außerdem ein gemeinsamer Streik- und Aktionstag zusammen mit den Bäuerinnen und Bauern und zusätzlich eine Großdemonstration gegen die Politik der Regierung, zu der alle Lohnabhängigen, sozial Benachteiligten und kleinen Selbständigen aufgerufen werden.

Laut einer Spiegel-Umfrage vom Dezember unterstützen rund siebzig Prozent die Forderungen der Bäuerinnen und Bauern. Die Unterstützung drückt dabei in erster Linie eine breite Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung aus und eine Unterstützung derjenigen, die sich ihr widersetzen. Das zeigt das Potenzial für einen breiten Widerstand gegen die Politik der Bundesregierung.

Wankende Ampel = Neuwahlen?

Parallel zur Haushaltskrise befindet sich die Zustimmung für die Bundesregierung auf einem historischen Tiefpunkt. Laut aktuellem Deutschlandtrend sind gerade mal 17 Prozent der wahlberechtigten Deutschen zufrieden bzw. sehr zufrieden mit der Regierung. Würden migrantische Personen, die mitunter seit Jahren in Deutschland leben aber kein Wahlrecht besitzen, miteinbezogen, würde unter anderem aufgrund der Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Krieg in Gaza dieser Wert sicherlich noch tiefer liegen.

Ob diese Situation nun zu Neuwahlen im Sommer führen wird, wie es Merz und Söder fordern, ist weiter ungewiss. Zuletzt stellten sich Wirtschaftsverbände gegen die Forderung, unter anderem weil es zur Zeit keine stabilere Alternative gibt. Auch aus Sicht der Arbeiter*innenklasse würden Neuwahlen die Probleme nicht lösen, weil es zur Zeit keine Regierungsalternative im Interesse der Masse der arbeitenden Bevölkerung gibt. Diese muss erst durch den Aufbau einer sozialistischen Massenpartei der Arbeiter*innenklasse geschaffen werden, welche in ihrem Programm auch die Nöte der Mittelschichten berücksichtigen würde.

Trotzdem kann zur Zeit nichts ausgeschlossen werden. Es ist unklar, wie sich die Situation im neuen Jahr entwickelt. Größere Proteste gegen die Regierungspolitik, katastrophale Wahlergebnisse bei den Europa- und Kommunalwahlen im Juni oder auch der Versuch der FDP das sinkende Schiff zu verlassen könnten Neuwahlen auslösen.

Widerstand statt Rückendeckung für die Regierung!

Die erste Reaktion durch die DGB-Führung auf den Haushaltsentwurf war leider genau das Gegenteil von dem, was nötig wäre. Unter der Überschrift: „Bundeshaushalt: DGB begrüßt Einigung“ erklärte die Vorsitzende Yasmin Fahimi: „Der DGB begrüßt, dass die Bundesregierung nun schnell zu einer Einigung gefunden hat und damit ein Signal der Stabilität und Verlässlichkeit sendet.“ Und statt ein Wort über die Folgen für die Situation einfacher Arbeiter*innen in Deutschland zu verlieren, betonte Fahimi sogar: „Jetzt muss aber weiter daran gearbeitet werden, wie das Problem zu hoher Energiekosten für die deutsche Industrie gelöst werden kann.“ Dieser Haltung muss widersprochen werden! Dem Haushaltsentwurf und die damit verbundene Propaganda-Welle müssen sich die Gewerkschaften widersetzen. Denn nun sollen wir für die Krise der Kapitalist*innen blechen, anstatt dass die Profite der großen Konzerne und Banken herangezogen werden.

Wie eine Kampagne gegen diese Pläne aussehen könnte, haben wir bereits in vergangenen Artikeln skizziert (https://solidaritaet.info/2023/11/haushaltskrise-sozialkuerzungen/). Eine solche Kampagne wäre nicht zuletzt auch wichtig, um der spalterischen Propaganda etwas entgegenzusetzen. Gerade der Vorschlag von Hubertus Heil, Bürgergeld-Empfänger*innen ihre Zahlungen für bis zu zwei Monate bis auf die Miete abzusenken, sollten sie Jobangebote ablehnen, zielt darauf ab, Beschäftigte und Arbeitslose gegeneinander auszuspielen.

Umso wichtiger wird es sein, dass im neuen Jahr der Druck auf die Gewerkschaftsführer*innen erhöht wird, den Widerstand gegen die Pläne der Regierung aufzunehmen. Die Sol wird sich auch weiterhin an allen Initiativen beteiligen, bei denen Arbeiter*innen sich zusammenschließen, um die Angriffe abzuwehren.

1https://www.capital.de/geld-versicherungen/strom–gas–tanken–was-wird-durch-den-haushaltsbeschluss-2024-teurer–34286070.html

2https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/gierflation-inflation-oecd-realloehne-unternehmen-gewinne-100.html

3https://www.jungewelt.de/artikel/465551.haushalt-2024-ampel-k%C3%BCrzt-rentenzuschuss.html

Print Friendly, PDF & Email