Berliner Klinikchefs zum Abschluss gezwungen

Lehren aus fünf Wochen entschlossenem Streik

Länger als dreißig Tage streikten Pflegekräfte bei Charité und Vivantes zusammen mit Beschäftigten der Tochterfirmen von Vivantes für bessere Arbeitsbedingungen und einen Angleich der Tarife. 

von Angelika Teweleit und Christian Gajewsky

In diversen Krankenhäusern Berlins wurde der Betrieb massiv zurückgefahren, nachdem bei der Urabstimmung über einen unbefristeten Streik 98 Prozent für den Arbeitskampf stimmten. Überall wurden Teamdelegierte gewählt, die an den Verhandlungstagen vor Ort waren, um im Austausch mit der Tarifkommission Feedback zum Verhandlungsstand zu geben und auch  über Annahme oder Ablehnung  abzustimmen. Sie sollten als Bindeglied zwischen Tarifkommission und Beschäftigten fungieren. 

Forderungen

Mit Entlastungsverträgen sollen die Geschäftsführungen der Krankenhäuser in die Pflicht genommen werden, die Kolleg*innen zu entlasten, indem sie für genug Personal auf den jeweiligen Stationen sorgen. Für die Kolleg*innen der Tochterunternehmen ging es um die Angleichung ihrer Löhne an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVÖD), da sie zum Teil mehrere hundert Euro weniger verdienen als ihre Kolleg*innen, die bei der Reinigung, in den Medizinischen Versorgungszentren, Bistros und in anderen Bereichen noch direkt bei Vivantes zu den Bedingungen des TVÖD angestellt sind.  

Harte Arbeitgeberhaltung

Die Geschäftsführung von Vivantes versuchte zunächst, gerichtlich gegen den Streik vorzugehen und unterbreitete dann Angebote, die sogar eine Verschlechterung bedeutet hätten. Die Geschäftsführung der Charité zeigte sich verhandlungsbereiter, doch auch hier dauerte der Streik vier Wochen. Das dann erreichte Eckpunktepapier bei der Charité ist ein Fortschritt im Vergleich zu bisherigen Entlastungstarifverträgen. Eine Einigung bei Vivantes erfolgte wenige Tage später, allerdings mit etwas schlechteren Ergebnissen. Diverse Funktions- und Diagnosebereiche blieben zudem außen vor und sollen in den kommenden Monaten nachverhandelt werden. Immerhin gelang es jedoch, die Vivantes-Geschäftsführung zu einem Tarifvertrag Entlastung zu zwingen. Die Tarifverträge sollen Ende des Jahres unterzeichnet werden und auch dann muss sich zeigen, ob sie in der Praxis zu Entlastung und Neueinstellungen führen. Es ist in jedem Fall weiterhin nötig, die Einhaltung der Vereinbarungen zu überprüfen und wenn die Regelungen nicht ausreichen, den Kampf wieder aufzunehmen.

Tochterfirmen

Auch bei den Tochtergesellschaften kam es zuletzt zu einem Eckpunktepapier. Darin wurden wichtige Zugeständnisse abgerungen, besonders beim Manteltarifvertrag. Das bedeutet unter anderem, dass nun für alle dreißig Tage Urlaub gelten sollen und die Bezahlung von Zuschlägen wie für Sonn- und Feiertage und Schichtzulagen endlich angeglichen sind. Bei der Angleichung der Entgelttabellen wird allerdings nicht das Niveau des TVÖD erreicht – obwohl es einen Stufenplan bis zum 31. Dezember 2025 gibt. Eine große Kröte ist dabei auch die lange Laufzeit von fünf Jahren. Damit will die Vivantes-Geschäftsführung Ruhe herstellen, denn sie haben es mit einer sehr kämpferischen und wütenden Belegschaft zu tun. Statt einem solchen Tarifvertrag zuzustimmen, der die schlechtere Bezahlung der Kolleg*innen über Jahre festschreibt, hätten ver.di und andere Gewerkschaften mit Solidaritätsstreiks und -aktionen den Druck auf Geschäftsleitung und Senat weiter erhöhen sollen.

Gemeinsamer Kampf

Die gemeinsame Streikbewegung an beiden großen landeseigenen Krankenhäusern war ein großer Schritt nach vorn. Die Kolleg*innen vernetzten sich durch den Streik miteinander und die Solidarität untereinander ist groß. Wie man allerdings genau mit der Frage umgeht, was zu tun ist, wenn es zu einem ersten Abschluss kommt, und wie man mit der dadurch entstehenden Aufspaltung des Streiks umgeht, wurde von der ver.di-Führung nicht zur Diskussion gestellt. 

Sicher war es auch richtig, dass das Ergebnis an der Charité die Vivantes Geschäftsführung auch so schon unter Druck setzte, etwas abzuschließen. Doch führte die Streikaussetzung der Kolleg*innen an der Charité bei einigen Vivantes-Kolleg*innen zu dem Gefühl, dass es jetzt schwieriger ist, den Druck noch weiter zu erhöhen. Besonders schwierig wurde die Lage für die Beschäftigten der  Tochtergesellschaften, die am Ende allein weiter streiken mussten. Es wäre wichtig gewesen, wenn dies in großen und regelmäßigen Streikversammlungen gemeinsam diskutiert und abgestimmt worden wäre. Da es sich rechtlich um drei verschiedene Tarifverhandlungen handelt, war dies keine einfache Frage. Wir hätten in einer solchen Diskussion für eine gemeinsame Streikfortsetzung argumentiert, auch weil die Verantwortung für beide Krankenhäuser letztlich beim Eigentümer, dem Land Berlin liegt. 

Solidaritätskampagne

Neben vielen positiven Lehren gibt es auch Dinge, die nächstes Mal angegangen werden müssen. So wurde die Streikaussetzung nicht auf Streikversammlungen demokratisch durch alle Streikenden beschlossen. Zudem hätten ver.di und DGB  von Anfang an eine systematische Solidaritätskampagne diskutieren und vorbereiten sollen. Mit einer breiten gesellschaftspolitischen Bewegung, bei der tausende Berliner Beschäftigte auch aus anderen Betrieben gemeinsam mit den Krankenhausbeschäftigten demonstrieren, hätte der Druck massiv gesteigert und auch die politischen Fragen der Finanzierung noch mehr zugespitzt werden können. Mitglieder der Sol und VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) hatten gemeinsam mit Streikenden einen Aufruf für die Organisierung einer gewerkschaftlichen Solidaritätskampagne durch ver.di und Berliner DGB angestoßen, den mehr als hundert Streikende unterschrieben. 

Nun ist es Zeit für eine bundesweite Krankenhausbewegung, für eine gesetzliche Personalbemessung nach Bedarf, für die Abschaffung der Fallpauschalen und ein öffentliches kostenloses Gesundheitswesen.   

Angelika Teweleit ist Sprecherin der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG). Christian Gajewsky ist Krankenpfleger an einem Vivantes-Krankenhaus und war aktiv im Streik. 

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