Beschäftigte und Klimaaktivist*innen kämpfen gemeinsam!

Über die aktuellen Tarifverhandlungen im Nahverkehr und die “Wir fahren zusammen”-Kampagne

Wer im Nahverkehr arbeitet, hat Schichten von 12 bis 14 Stunden, einen niedrigen Lohn und einen stressigen Job, denn es gibt zu wenig Kolleg*innen. Das führt zu hohen Krankenständen, die den Fahrplan einschränken. So fuhren aufgrund von Personalmangel von September 2022 bis September 2023 die Busse unter der Woche in Wiesbaden nur auf einem etwas erweiterten Samstagsfahrplan. In Köln fielen bei den Verkehrsbetrieben im Dezember 2022 etwa 10 bis 15 Prozent der Fahrten aus. Die Kampagne “Wir fahren zusammen” will nun mit den Beschäftigten im Rahmen der anstehenden Tarifrunde den Kampf dagegen aufnehmen!

von Onno Helmold, Mainz

Heutzutage als Bus- und Tramfahrer*innen in Deutschland zu arbeiten ist eine Tortur. Deswegen haben auch zwischen 1989 und 2017 insgesamt 18 Prozent den Job verlassen, obwohl gleichzeitig die Anzahl der Fahrgäste um 24 Prozent gestiegen ist. Und es wird noch schlimmer: In den kommenden Jahren sollen weitere 70.000 Beschäftigte in Rente gehen. In den anstehenden Tarifverhandlungen im Nahverkehr fordert ver.di deswegen zu Recht Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen. Die Forderungen unterscheiden sich dabei von Bundesland zu Bundesland. Teilweise geht es um Arbeitszeitverkürzungen, Schichtzulagen und ums Entgelt

Das Bündnis #Wirfahrenzusammen bestehend aus Fahrgästen, Klimaaktivist*innen, ÖPNV-Beschäftigten und ver.di hat bisher knapp 62.000 (Stand vom 19.Januar) Unterschriften für die Forderungen der Kolleg*innen gesammelt Die Petition fordert zudem jedes Jahr mindestens 16 Milliarden Euro für den Nahverkehr. Damit sollen nicht nur die Forderungen von ver.di finanziert werden, sondern auch das Geld zur Verfügung gestellt werden, um die nötigen Investitionen in den ÖPNV zu tätigen, um ihn massiv auszubauen. So könnten laut der Kampagne die Fahrgastzahlen verdoppelt werden, ohne dass dies zu Lasten der Kolleg*innen geht oder zu vollen Bussen und Bahnen führt. 

Warum, für was und wen?

Wären die Straßen nicht mit Autos vollgestopft, müsste man morgens und abends nicht im Stau stehen und wäre schneller Zuhause. Junge oder alte , arme, Seh- und schwerbehinderte Menschen sind auf den öffentlichen Verkehr angewiesen. Außerdem ist Öffentlicher Nahverkehr fürs Klima eindeutig sinnvoller als der Individualverkehr: So stößt ein Auto 166 Gramm pro Personenkilometer Treibhausgase aus, eine Straßenbahn hingegen weniger als die Hälfte.  Eklatant werden die Unterschiede im Fernverkehr: So stößt eine Eisenbahn oder ein Linienbus nur 31 Gramm pro Personenkilometer Treibhausgase aus.

Wie konnte es so weit kommen?

Jahrelang wurde der ÖPNV in Deutschland massiv unterfinanziert. Kommunen und Länder wurden immer weiter dazu gedrängt, Dienstleistungen an private Anbieter zu verkaufen. Diese haben zwangsläufig Profitinteressen als erste Priorität und nicht für alle Menschen täglich gut nutzbare Mobilität, gute Arbeitsbedingungen und Bezahlung anzubieten, geschweige denn Klimaziele. Die Betriebe, die in kommunaler Hand blieben, wurden vielerorts bis in den Ruin kaputtgespart, die Folgen erleben wir nun täglich.

Das Geld bei den Reichen holen!

Wir alle warteten wahrscheinlich schon häufig auf unseren Bus oder Bahn, die schlussendlich doch nicht oder sehr verspätet kommt. Wir sollten unsere Frustration über diese Situationen nicht auf die Kolleg*innen hinter dem Steuer schieben. Sondern aktiv werden gegen die Reichen, die das Geld haben. Mit einer Vermögenssteuer von zehn Prozent ab einer Million Euro Vermögen, einem stark progressiven Steuersystem und drastisch höheren Steuern auf Unternehmensprofite und Erbschaften wäre locker genügend Geld, um die nötigen Investitionen zu finanzieren. So wuchs das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen seit 2020 inflationsbereinigt um rund drei Viertel von 89 auf etwa 155 Milliarden US-Dollar laut der neuesten Oxfam Studie. Mit diesem Geld könnten nicht nur die fehlenden 80.000 Stellen besetzt werden, sondern auch die Löhne massiv erhöht und Strecken und Taktung ausgebaut werden. Umso wichtiger ist es den Kampf der Kolleg*innen im Nahverkehr zu unterstützen! Doch dieser Kampf wird nicht von alleine gewonnen. Damit die Forderungen von ver.di voll durchgesetzt werden, reichen ein paar Warnstreiks nicht aus. Von Beginn an sollten Urabstimmungen vorbereitet werden, um zur Not die Forderungen im unbefristeten Erzwingungsstreik durchzukämpfen. Wo möglich sollten Streiks anderer Beschäftigte zusammengeführt und vom DGB eine Solidaritätskampagne organisiert werden! Im Rahmen der Wirfahrenzusammen-Kampagne sollten während der Streiks Solidaritätsdemonstrationen organisiert und zu öffentlichen Treffen eingeladen werden, um Unterstützung in der Bevölkerung für die Streiks aufzubauen.