Streiks im Verkehrssektor – wie geht es weiter?

Erzwingungsstreiks und koordinierte Aktionen nötig

Seit etlichen Wochen gibt es in den verschiedenen Bereichen des Verkehrssektors harte Tarifkonflikte. Um was geht es? Wie können die Streiks erfolgreich geführt werden?

Von Torsten Sting, ver.di-Mitglied in Rostock

Die härteste Auseinandersetzung wird bei der Deutschen Bahn (DB) ausgefochten. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat bislang sechs mal zu befristeten Streiks aufgerufen. Es gibt eine massive Kampagne der Medien und bürgerlichen Parteien gegen die Organisation und deren Vorsitzenden Claus Weselsky.

Konflikt bei der Deutschen Bahn

Es geht in dieser Tarifauseinandersetzung einerseits um mehr Geld. Die GDL forderte ursprünglich unter anderem eine Erhöhung der tariflichen Entgelte um 555 Euro. Des weiteren eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro. Als zentraler Knackpunkt stellte sich aber die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit für die Kolleg*innen im Schichtbetrieb, von 38 auf 35 Stunden, bei vollem Lohnausgleich ab dem 1. Januar 2025 heraus.

Die GDL hat mit 28 privaten Eisenbahnunternehmen bereits Tarifverträge abgeschlossen. Diese beinhalten auch die schrittweise Einführung der 35-Stunden-Woche bis 2028, bei vollem Lohnausgleich. Es wurde jedoch vereinbart, dass diese Tarifverträge in der ausgehandelten Form nur dann Anwendung finden, wenn entsprechende Ergebnisse auch bei der Deutschen Bahn erzielt werden. Die GDL hat daraufhin bei den Verhandlungen mit der DB auf ihre ursprünglichen Forderungen verzichtet und kämpft nun für die Übernahme der bei den anderen Unternehmen erzielten Ergebnisse. Es ist also schlicht eine Propaganda-Lüge, wenn behauptet wird, dass die Streiks maßlos und auf die Kompromisslosigkeit der GDL oder gar auf die Persönlichkeit von Weselsky zurückzuführen seien.

Es geht der Deutschen Bahn und Teilen des Kapitals offenbar darum, die GDL als kämpferische Gewerkschaft zumindest zu schwächen. Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (DIE LINKE), der bereits zweimal als Schlichter in einer Bahn-Tarifrunde agierte, vermutet gar in einem Interview mit dem „Spiegel“, dass Personalvorstand Martin Seiler die GDL „kaputt machen“ will.

Das dies bislang nicht von Erfolg gekrönt war, liegt an der großen Solidarität bei den kämpfenden Kolleg*innen und deren Kampfbereitschaft.

Derzeit finden Verhandlungen hinter verschlossen Türen statt und es wurde von der GDL eine Einigung in dieser Woche angekündigt. Es bleibt abzuwarten, ob dies der Fall sein wird. Die Sol hat sich bei dem aktuellen Konflikt, wie bereits in der Vergangenheit, mit dem Arbeitskampf der GDL solidarisiert und hat sich bei den Kundgebungen vor Ort mit Vorschlägen für den weiteren Kampf eingebracht.

Es geht bei diesem Kampf um mehr als „nur“ einen Abschluss bei der DB. Wenn die GDL eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich auf 35 Stunden durchsetzen kann, wäre dies ein wichtiger Erfolg, der eine Signalwirkung auch auf andere Gewerkschaften hätte. Es ist daher auch im Sinne aller Kolleginnen und Kollegen und insbesondere auch von Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften, dass die GDL Erfolg hat. Umso skandalöser sind Aussagen von führenden Vertreter*innen von DGB-Gewerkschaften, die der GDL in den Rücken gefallen sind (leider hatte die GDL-Führung ähnliche Aussagen während der EVG-Streiks getätigt). Nötig ist Solidarität über Gewerkschaftsgrenzen hinweg. Wir unterstützen mit der Bahnvernetzung einen Ansatz, Mitglieder von EVG und GDL von unten zu vernetzen.

Wir fänden es richtig, wenn die GDL für ihre ursprünglichen Forderungen weiter kämpfen würde. Das Maximum an Kampfkraft war noch nicht rausgeholt worden. Dass ohne demokratische Debatte nun schon eine Einigung angekündigt wurde und auch in den letzten Wochen immer wieder intransparent im Hinterzimmer verhandelt wurde, zeigt aber auch Demokratiedefizite innerhalb der GDL. Umso wichtiger, dass sich auch hier kämpferische Kolleg*innen vernetzen.

Luftverkehr

Hier geht es um die Kolleginnen und Kollegen des Bodenpersonals der Lufthansa. ver.di fordert 12,5 Prozent bzw. mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat. Nach einigen erfolglosen Verhandlungsrunden und massiven Warnstreiks geht es jetzt in die Schlichtung. Bis Ostersamstag soll ein Ergebnis stehen und bis dahin keine Arbeitskämpfe stattfinden. Dieses Vorgehen lehnen wir ab, weil eine Schlichtung immer nur dazu dient, Kompromisse zulasten der Beschäftigten zu erreichen. Statt sich dem Urteil von externen Schlichter*innen auszuliefern sollte ver.di die Streiks ausweiten und die Urabstimmung einleiten. Nur durch den Einsatz der maximalen Kampfkraft, können auch maximale Ergebnisse erzielt werden.

Bei den Luftsicherheitskräften beläuft sich die zentrale Forderung von ver.di auf 2,80 Euro mehr pro Stunde. Auch hier gab es bereits ganztägige Warnstreiks. Die Gewerkschaft „Unabhängige Flugbegleiter Organisation“ (UFO), die keinem Dachverband angehört, vertritt das Kabinenpersonal bei den Airlines. Bei der Lufthansa fordert sie 15 Prozent mehr Geld und eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro. Die Beschäftigten haben schon mehrfach gestreikt und bei einer Urabstimmung gab es über neunzig Prozent Zustimmung.

Im Bereich des Luftverkehrs liegt es nahe, dass die Arbeitskämpfe miteinander verbunden werden, auch gewerkschaftsübergreifend. Es sollten gemeinsame Streikversammlungen und -ausschüsse gebildet werden, um zu koordinierten Streikaktionen an den Flughäfen zu kommen, die eine weitaus größere Wirkung erzielen könnten.

TV-N

Die Tarifrunde im ÖPNV ist unübersichtlich, da es in jedem Bundesland um unterschiedliche Forderungen geht. Von Arbeitszeitverkürzung bis hin zur klassischen Lohnrunde ist alles dabei. Der Verhandlungsstand ist zudem sehr unterschiedlich.

In Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen und im Saarland gab es bereits Abschlüsse. Dabei hat ver.di Kompromissen zugestimmt, die vornehmlich zu Lasten der Kolleg*innen gehen. Im Schnitt erreichen die Abschlüsse nur ungefähr die Hälfte der geforderten Erhöhung in Bezug auf Zulagen und Urlaubs- bzw. Entlastungstage. In Brandenburg und Thüringen, wo auch die Entgelte verhandelt wurden, kommt es erneut zu einem Reallohnverlust. In den anderen Bundesländern laufen die Verhandlungen weiter. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hat ver.di diese für gescheitert erklärt, nachdem die Arbeitgeberseite Angebote vorgelegt hatte, die von Dreistigkeit kaum zu überbieten sind. In beiden Fällen sollte die Laufzeit mehr als vier Jahre dauern. In NRW sollte darüber hinaus die Möglichkeit einer Arbeitszeitverlängerung (!) in dem Zeitraum nicht ausgeschlossen werden. In Baden-Württemberg sollten Kolleg*innen ausschließlich eine Nahverkehrszulage bekommen, wenn sie einen Reallohnverlust hinnehmen. ver.di hat in beiden Bundesländern zu Recht daraufhin Urabstimmungen eingeleitet. Hier stehen die Zeichen auf Eskalation. Diese Zersplitterung ist nicht im Interesse der Beschäftigten und schwächt deren Kampfkraft. Es wäre besser gewesen, bundesweit einheitliche Forderungen aufzustellen und auch gemeinsam dafür zu kämpfen. Das sollte innerhalb von ver.di für die Zukunft diskutiert werden. In den Bundesländern, wo noch kein Ergebnis erzielt wurde, sollten jetzt die Vorbereitungen für einen Erzwingungsstreik angegangen werden, der die berechtigten Forderungen voll durchsetzen kann.

Ausblick

Die Streiks im Verkehrssektor waren und sind mehr als berechtigt angesichts der miesen Arbeitsbedingungen und der weiterhin steigenden Lebenshaltungskosten. Die Gewerkschaftsführungen haben eine Chance vertan, weil sie diese Streiks nicht von Anfang an koordiniert geführt haben. Die Spaltung in unterschiedliche Gewerkschaften darf nicht dazu führen, dass nicht gemeinsam gekämpft wird. Das sollte von unten in den verschiedenen Gewerkschaften diskutiert werden und gefordert werden, dass die Führungen in Arbeitskämpfen solidarisch agieren.

Eine gemeinsame Konferenz all jener Branchen die sich im Kampf befinden bzw. befanden, könnte ein wichtiger Schritt hin zu einer Koordinierung der noch laufenden Streiks und der Überwindung der Spaltung sein. Das würde den Druck auf die öffentlichen und privaten Arbeitgeber*innen deutlich erhöhen und könnte die Tarifkämpfe zum Erfolg führen.

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