Deutschland und die Welt

Ökonomische Verflechtungen und imperialistische Außenpolitik

Der deutsche Imperialismus steht in der neuen Weltlage tiefer kapitalistischer Krisen und Zuspitzungen imperialistischer Auseinandersetzungen vor neuen Herausforderungen und Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse zur Frage, wie die Position des deutschen Kapitals in der Welt gestärkt werden kann. Ausdruck dieser Entwicklung ist die von der Bundesregierung ausgerufene „Zeitenwende“, die einen von Widersprüchen geprägten politischen Umbruch auf ökonomischer (insbesondere energiepolitischer), militärischer und außenpolitischer Ebene beschleunigt.

Von Arthur Gubar, Lemgo

Der deutsche Kapitalismus ist heute in einem besonders hohen Maße in den globalen Kapitalismus integriert. Besonders ersichtlich ist das an dem seit Jahrzehnten hohen Außenhandelsvolumen und einer hohen Abhängigkeit von Warenexporten als auch in der Abhängigkeit als rohstoffarmes Land von Importen – insbesondere im Energiebereich.

Die zunehmenden imperialistischen Konflikte und die Blockkonfrontation, die sich vor allem zwischen USA und China entwickeln, stellen daher eine große Herausforderung für das deutsche Kapital dar. Nicht zuletzt das Ende der ein halbes Jahrhundert währenden Versorgung der deutschen Industrie mit scheinbar zuverlässigen russischen Gas- und Öllieferungen infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine stellen nun eine Belastung für die Industrie dar.

Zu den gestiegenen Energiepreise für die deutsche Industrie, kommen die allgemeine Schwäche der globalen Konjunktur, die gestiegenen Zinssätze zur Bekämpfung der Inflation und die zunehmende Konkurrenz in zentralen Wachstumsmärkten wie China. Chinesische Staatsunternehmen konnten durch massive staatliche Investitionen in den letzten Jahren technologisch aufholen konnten; die deutsche Automobilindustrie kommt beispielsweise zunehmend gegenüber chinesischen Autokonzernen unter Druck, insbesondere im schnell wachsenden Markt für Elektroautos.

Bisher gibt es wenig Anzeichen, dass eine schnelle Erholung der deutschen Wirtschaft zu erwarten ist – sowohl die aktuellen als auch langfristig prognostizierten Wachstumsraten gehen vom niedrigsten Wachstum aller Industrienationen aus. Die bisherige Grundlage für den Erfolg des deutschen Kapitalismus – die Exportorientierung und Stärke der Industrie durch billige Energieversorgung – verkehrt sich in Zeiten imperialistischer Spannungen und globaler kapitalistischer Krisen zur Achillesferse.

Angriffe auf Arbeiter*innenklasse in Deutschland

Während ein Teil der Kapitalist*innenenklasse nun vermehrt mit der seit einigen Jahren angedrohten Umsetzung von Stellenabbau bis hin zu Werksschließungen und anschließender Verlagerung der Produktion in Regionen wie Osteuropa reagiert, werden in Medien

vermehrt Forderungen durch Vertreter von Kapitalverbänden und bürgerlichen Medien laut, die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitalstandorts zu stärken. Neben Forderungen nach Steuersenkungen oder Subventionen für deutsche Unternehmen wird vor allem eine demagogische Debatte gegen das Bürgergeld geführt mit dem Argument, die Menschen würden in Deutschland aufgrund zu hoher Sozialleistungen nicht mehr genug arbeiten. Diese Debatte wird nicht zuletzt mit zusätzlichen geplanten Angriffen auf die deutsche Arbeiter*innenklasse wie einer Erhöhung der Wochenarbeitszeit und des Rentenalter verbunden.

Die Durchsetzung eines solchen Programms zur Verbesserung der Position des deutschen Kapitals wirft jedoch Gefahren für die Kapitalist*innenenklasse und die Bundesregierung auf. Die aktuelle Haushaltskrise der Bundesregierung, ausgelöst durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, welche das bisherigen Budget aufgrund von Haushaltstricks zur Umgehung der Schuldenbremse für verfassungswidrig erklärte, stellen die bisher geplanten Subventionen für die deutsche Industrie infrage.

Eine Durchsetzung der Interessen des Kapitals muss unter diesen Bedingungen mit zugespitzten Angriffen auf die Arbeiter*innenklasse in Form von Sozialkürzungen und Angriffen auf Arbeiter*innenrechte einhergehen – was dazu führen kann, dass sich die hohe Unzufriedenheit mit der Bundesregierung in Form von Massenbewegungen gegen Kürzungen ausdrückt.

Die Proteste der Bäuerinnen und Bauern gegen die Streichung von Subventionen für Landwirte und deren Unterstützung durch die Mehrheit der Bevölkerung sind nicht zuletzt ein Warnzeichen für die herrschende Klasse, dass eine solche Entwicklung in Deutschland eine realistische Möglichkeit darstellt. Auf eine solche Situation zuspitzender Klassenkämpfe wird sich bereits vorbereitet, indem Kapitalvertreter*innen in Medien aufgrund der seit Anfang 2023 wegen der Inflation und zu hohen Arbeitsbelastungen zunehmenden Streiks und Arbeitskämpfen Einschränkungen beim Streikrecht fordern, um die Schlagkraft der Arbeiter*innenklasse gegen geplante Angriffe zu verringern.

Dominierende Kraft innerhalb der Europäischen Union

Einen Vorteil für das deutsche Kapital stellt ihre mit Frankreich führende Rolle innerhalb der Europäischen Union dar, welche sowohl einen wirtschaftlichen Verbund kapitalistischer Nationalstaaten als auch der Versuch des Aufbaus eines einheitlichen imperialistischen europäischen Machtblocks in einer zunehmend multipolaren Weltordnung darstellt.

Der gemeinsame Binnenmarkt mit der Aufhebung aller Handelsrestriktionen innerhalb der EU hat dabei insbesondere zur Durchsetzung des deutschen Kapitals beigetragen, wodurch Deutschland heute der wichtigste Handelspartner der meisten europäischen Staaten ist. Die Durchsetzung neoliberaler Kürzungsprogramme in der Eurokrise in südeuropäischen Staaten unter Führung Deutschlands hat zu weitreichender Deindustrialisierung geführt, von der das deutsche Kapital besonders stark profitiert hat durch die Schaffung neuer Möglichkeiten des Waren- und Kapitalexports. In Bezug auf Länder wie Griechenland wurden ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen, die Ähnlichkeit zu den Ausbeutungsverhältnissen in der neokolonialen Welt haben.

Auch wenn das deutsche Kapital die EU in der Vergangenheit als Vehikel genutzt hat, in der sie in der Regel ihre nationalen Kapitalinteressen auch gegen Widerstand anderer EU-Staaten durchsetzen konnte, stand die EU seit ihrer Gründung aufgrund ihrer widersprüchlichen Struktur als Verbund konkurrierender kapitalistischer Nationalstaaten mit jeweils eigenen nationalen Kapitalinteressen immer wieder vor Problemen, als einheitlicher imperialistischer Machtblock nach außen zu agieren. Dies wurde nicht zuletzt im Umgang mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine deutlich, in der bis heute keine einheitliche Linie existiert, aber auch in vergangenen politischen Krisen wie dem Umgang mit Geflüchteten und der Eurokrise.

Auch bisherige Pläne, in der EU eine gemeinsame Armee und Rüstungsindustrie unter Führung Deutschlands und Frankreichs zu entwickeln, sind an diesem Widerspruch bisher gescheitert. Die Durchsetzung solcher Pläne sind jedoch insbesondere bei einer Wiederwahl Trumps nicht ausgeschlossen. Bereits nach seiner ersten Wahl wurde Trump in seiner Außenpolitik von den herrschenden Klassen in der EU als unzuverlässiger Bündnispartner wahrgenommen, da seine protektionistische Wirtschaftspolitik neben China auch die EU traf. Die kürzliche Aussage Trumps, dass er NATO-Bündnispartner, welche nicht das Zwei-Prozent-Ziel bei Militärausgaben erfüllen, im Kriegsfall nicht militärisch unterstützen wird, kann dazu beitragen, die bisher fehlende politische Einheit innerhalb der EU für die Schaffung einer europäischen Armee und einer europäisierten Rüstungsindustrie herzustellen.

Zeitenwende = Militarisierung und Aufrüstung

War es lange Zeit die primäre Strategie des deutschen Kapitalismus, durch wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse unter dem Schlagwort „Wandel durch Handel“ die imperialistischen Interessen des deutschen Kapitals durchzusetzen, können wir seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 unter kapitalistischen Vorzeichen eine aggressivere militärische Ausrichtung des deutschen Imperialismus sehen. Bereits der Kriegsbeitritt im Jugoslawienkrieg – der erste Angriffskrieg von deutschem Boden seit dem zweiten Weltkrieg – , aber auch die Kriegseinsätze im Kosovo und Afghanistan sowie die Reihe an Auslandseinsätzen in Ländern wie kürzlich noch in Mali zeigen, dass der deutsche Kapitalismus seitdem nicht mehr davor zurückschreckt, mit militärischen Mitteln ihre Kapitalinteressen zu verteidigen.

Mit der seit Beginn des Ukraine-Kriegs von der Bundesregierung ausgerufenen „Zeitenwende“ sehen wir ein qualitativ neues Niveau an Aufrüstung der Bundeswehr und Militarisierung der Gesellschaft mit dem Anspruch, als eine globale Macht im Interesse der herrschenden Klasse militärisch intervenieren zu können. Die Zeitenwende ist dabei Teil eines globalen Trends: Abgesehen von einer zwischenzeitlichen Stagnation zwischen 2010 und 2015 sind global gesehen die Militärausgaben konstant angestiegen und haben sich von 2000 bis 2020 verdoppelt von 1 Billion auf 2 Billionen Euros; Der Ukrainekrieg führt zu neuen Rekorden in Militärbudgets.

Durch die von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte Übererfüllung des Zwei-Prozent-Ziels durch die hundert Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr wird Deutschland an Frankreich, Großbritannien und Russland vorbeiziehen und künftig über den größten Rüstungsetat Europas verfügen. Und ein Ende der Aufrüstung ist trotz Haushaltskrise nicht in Sicht: Verschiedene Kräfte einschließlich des Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD) fordern mittlerweile, dass weitere 200 Milliarden Euro notwendig sind, um die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen. Ein Strategiepapier der Regierungspartei SPD, welche das Verteidigungsministerium kontrolliert, fordert wörtlich „eine militärische Führungsrolle“ Deutschlands in der Welt, gestützt auf ein „geopolitisch selbstbewusstes Europa“, um in der Blockkonfrontation mit den „Systemrivalen“ China und insbesondere Russland zu bestehen. Ein militärisches Bündnis mit den USA innerhalb der NATO wird dabei weiterhin vorgezogen, jedoch unter der Voraussicht, dass Deutschland gemeinsam mit dem EU-Block innerhalb der NATO mit seinem größeren militärischen Beitrag auch eine wichtigere Position innerhalb des Bündnis einnimmt.

Ein Ausdruck dieses neuen globalen Machtanspruchs ist, dass die Bundeswehr auf allen Weltmeeren mit ihrer Marine eine militärische Präsenz entwickeln will. Ziel ist dabei an erster Stelle der Schutz von internationalen Seehandelswegen, die für die Lieferketten des deutschen Kapitalismus relevant sind. Das ist der zentrale Grund, warum die EU mit Unterstützung Deutschlands einen Militäreinsatz im Roten Meer gegen die Huthis im Jemen beschlossen hat und deutsche Fregatten im Roten Meer nun Handelsschiffe vor möglichen Beschüssen und Entführungen durch die Huthi-Milizen schützen soll. Auch eigenständige Initiativen werden durch die deutsche Marine umgesetzt. Die Bundeswehr führt seit 2021 regelmäßig Manöver mit Militäreinheiten nicht nur aus Japan, sondern auch aus Südkorea durch mit dem Ziel, den Einfluss Chinas im Westpazifik zurückzudrängen. Den Rahmen bilden die „Asien-Pazifik-Fahrten“, die inzwischen sämtliche Truppengattungen umfassen.

Zeitenwende = Wechsel der Energiepolitik

Eine zweite Zeitenwende ist sichtbar in der Beendigung einer ein halbes Jahrhundert währenden energiepolitischen Zusammenarbeit, erst mit der Sowjetunion und nachfolgend Russland. Die politische Ökonomie des deutschen Kapitalismus mit ihrer Verquickung von Kapitalinteressen mit der Außenpolitik wird hier deutlich sichtbar. Lange Zeit gab es in den verschiedenen Kapitalfraktionen in Deutschland den Konsens – selbst in den Hochphasen des Kalten Kriegs –, dass diese wirtschaftliche Zusammenarbeit im Interesse des deutschen Kapitals liegt und ein energiepolitischer Vorteil durch eine „sichere“ und billige Versorgung mit Energie sichergestellt wurde. Die abrupte Beendigung der Energieversorgung durch Russland in Kombination mit den beschlossenen EU-Sanktionen gegen die russische Wirtschaft hat insbesondere für die deutsche Industrie starke Auswirkungen gehabt.

Diese Trendwende in der Energiepolitik wurde von der Bundesregierung mit der Verteidigung einer „wertebasierten“ Außenpolitik begründet. Bei genauerer Betrachtung sieht man jedeoch eine Kontinuität, da für die Sicherung der Energieversorgung des deutschen Kapitals nun die Zusammenarbeit mit anderen reaktionären kapitalistischen Regimes intensiviert wird. Zur Sicherung der Interessen der Kapitalist*innenklasse ist die Bundesregierung bereit, mit Regimen zu kooperieren, was die Verteidigung von „Werten“ als leere Propaganda-Worthülse entlarven.

Einer der wichtigsten neuen Energiepartner ist nun Aserbaidschan, welches in Bergkarabach ethnische Säuberungen an zehntausende Armenier*innen begangen hat. Die Bundesregierung blieb während dieser Verbrechen auffällig still, da Gas-Deals mit dem aserbaidschanischen Regime vereinbart wurden. Mit Katar, welches berüchtigt ist für eine desolate Menschenrechtslage und massive Ausbeutung von Arbeiter*innen in sklavenähnlichen Bedingungen, wurden ebenfalls Gas-Deals zur Versorgung mit flüssigem Erdgas vereinbart.

Hinsichtlich Marokko sehen wir unter der Außenministerin Baerbock mit einer offiziellen Unterstützung des „Autonomieplans“ des marokkanischen Königshauses eine Abkehr von der bisherigen außenpolitischen Leitlinie, welche eine Legalisierung der Besatzung der Westsahara beinhaltet. Auch in diesem Fall spielen deutsche Kapitalinteressen eine entscheidende Rolle, da sich in Zukunft über Großinvestitionen in Solarenergieparks zur Herstellung von Wasserstoff in Marokko, die über neugebaute LNG-Terminals nach Deutschland transportiert werden, eine „grüne“ und günstige Energieversorgung für die deutsche Industrie wiederhergestellt werden soll.

Widersprüche in China-Politik

Auf der zentralen Konfliktlinie imperialistischer Auseinandersetzungen zwischen den Weltmächten USA und China lässt sich bei Deutschland als traditionellen Bündnispartner der USA ein bemerkenswerter Zick-Zack-Kurs in Bezug auf China feststellen. Das ist Ausdruck des grundsätzlichen Widerspruchs, dass der deutsche Kapitalismus eines der am weitreichendsten in die Weltwirtschaft integrierte Staaten ist und China einen der wichtigsten Handelspartner bildet – und gleichzeitig China neben Russland den zentralen imperialistischen Konkurrenten für den deutschen Kapitalismus darstellt.

Ausdruck dieser Widersprüchlichkeiten sind die wechselhaften politischen Entscheidungen von deutschen Ministerien, dass einerseits aus sicherheitspolitischen Erwägungen Verbote für chinesische Unternehmensinvestitionen in kritische Infrastruktur in Deutschland wie Kommunikations- und Energieinfrastruktur gefordert werden, aber gleichzeitig unter dem Veto von sechs deutschen Ministerien die Bundesregierung den Milliardeneinstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco im Hamburger Hafenterminal gewährt hat.

Eine besondere Gefahr stellen die zunehmenden imperialistischen Konflikte für den deutschen Kapitalismus dar, da dieser besonders stark von der Funktion internationaler Lieferketten und im Bezug auf China im Speziellen vom Import wichtiger Technologien und Ressourcen wie Halbleiter, seltenen Erden und Solarpanels als auch als überlebenswichtiger Markt für deutsche Großkonzerne in der Automobil-, Elektro- und Chemie-Industrie abhängig ist. So stellt China für Deutschland den wichtigsten Handelspartner mit einem Warenwert von knapp 299,6 Milliarden Euro (Importe und Exporte) im Jahr 2022 dar.

Die Abhängigkeit des deutschen Kapitalismus von chinesischen Importen und Marktzugängen wird vom deutschen Kapital mittlerweile als Risiko bewertet, denn China betrachtet den Zugang zum chinesischen Markt als Waffe: In einer Rede im April 2020 sagte Präsident Xi Jinping, dass man in allen sicherheitsrelevanten Bereichen in der Produktion vom Ausland unabhängig werden möchte. Gleichzeitig müsse man „die Abhängigkeit internationaler Produktionsketten von China erhöhen zur Bildung einer starken Abschreckungs- und Vergeltungsfähigkeit gegen Ausländer“.

Unter diesen Bedingungen ist in der herrschenden Klasse „De-Risking“ das neue Schlagwort, unter dem eine strategische Umorientierung der China-Politik verstanden wird. Eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China soll dabei nicht aufgegeben werden aufgrund der Abhängigkeit des deutschen Kapitalismus vom chinesischen Markt. Die Risiken durch imperialistische Auseinandersetzungen in Form von Lieferkettenproblemen sollen jedoch in relevanten Bereichen durch Diversifizierung der Lieferketten und Rohstofflieferanten minimiert werden. So planen laut einer Studie der DZ Bank im Dezember 2022 zwei Drittel der befragten deutschen Unternehmen Diversifizierung und Verkürzung der Lieferketten, worunter insbesondere eine Umorientierung auf mehr Fertigung in Osteuropa und Südostasien fällt und mehr als die Hälfte der Unternehmen einen Ausbau der Lagerkapazitäten plant.

Insgesamt lässt sich am Beispiel des deutschen Kapitalismus feststellen, dass anders als von bürgerlichen Kommentatoren in den vergangenen Jahren oft behauptet keine einfache De-Globalisierung stattfindet. Das Volumen an Außenhandel bleibt global gesehen trotz Corona-Pandemie und imperialistischen Konflikten relativ stabil, jedoch entwickelt sich eine Tendenz der Transformation der Handelsströme entlang von wirtschaftlichen Blöcken – etwa in transatlantischen oder südostasiatischen Wirtschaftsallianzen -, die jedoch zunehmend instabil und wechselhaft sind aufgrund von zwischenimperialistischen Widersprüchen zwischen konkurrierenden kapitalistischen Regionalmächten. Diese Entwicklung einer Verschiebung von wirtschaftlichen Verflechtungen entlang von imperialistischen Konfliktzonen ist nicht zuletzt auch Ausdruck des Bewusstseins, dass imperialistische Konflikte sich insbesondere zwischen den Weltmächten USA und China, insbesondere im Westpazifik um Taiwan, in den nächsten Jahren zuspitzen können.

Schlussfolgerungen

Die sich zuspitzende multiple Krise des Kapitalismus mit ihrer Zunahme von imperialistischen Auseinandersetzungen bedeutet, dass sich die Arbeiter*innenklasse in Deutschland und international auf stürmische Zeiten vorbereiten muss. Denn die imperialistische Politik kapitalistischer Staaten nach außen geht immer mit einem verschärften Klassenkampf von oben in Form sozialer Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse einher. Gerade für Deutschland ist es offensichtlich, dass die Finanzierung massiv steigender Militärausgaben in Phasen von Rezession und Schuldenbremse mit massiven Kürzungsangriffen in sozialen Bereichen einhergehen muss.

Diese Militarisierungsspirale und der Kampf des deutschen Kapitals um „einen Platz an der Sonne“ in der Welt hat einen systematischen Zusammenhang mit der tiefgreifenden kapitalistischen Krise, vor der wir heute stehen. Wie Lenin in seiner Imperialismustheorie den Zusammenhang von kapitalistischer Krise und Imperialismus ausführte, steht der Kapitalismus heute wieder in einer imperialistischen Phase, in der die weltweiten Absatzmärkte zwischen kapitalistischen Machtblöcken weitgehend aufgeteilt sind und Aufrüstung und militärische Konfrontation zwischen den globalen Machtblöcken die Konsequenz des kapitalistischen Konkurrenzkampfs darstellt, mit militärischen Mitteln neue Absatzmärkte und Ressourcenzugänge für die nationalen Kapitalfraktionen zu erschließen. Dieser Konkurrenzkampf findet heutzutage vor allem in Form imperialistischer Stellvertreterkonflikte statt, jedoch wächst zunehmend die Gefahr direkter Konfrontationen zwischen imperialistischen Machtblöcken, vor allem zwischen China und den USA.

Wenn die Arbeiter*innenklasse nicht den Preis für diese tiefgreifende Krise des kapitalistischen Systems zahlen will, muss sie sich organisieren und Massenbewegungen aufbauen, um nicht nur die sozialen Angriffe und den Kriegskurs der Kapitalist*innenenklasse zurückzudrängen, sondern auch den Kampf für einen revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus und dem Aufbau einer sozialistischen Demokratie international zu führen.

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