Argentinien: Generalstreik gegen Milei

Foto: Wikimedia Commons

Wie kann die Regierung gestürzt werden?

Der zum Präsidenten Argentiniens gewählte rechtsextreme Politiker Javier Milei, der auch als „El loco”( der Verrückte) bekannt ist, hat der Arbeiter*innenklasse den Fehdehandschuh hingeworfen. Das Programm, das Milei nach seinem Amtsantritt angekündigt hat, käme, wenn es umgesetzt wird, einem Tsunami von Angriffen auf die Arbeiter*innenklasse gleich. Es ist ein Programm wie von den „Chicago Boys” [die in den 1970ern Pinochets neoliberale Wirtschaftspolitik in Chile entwarfen] auf Steroiden.

von Tony Saunois, Sekretär des Komitees für eine Arbeiter*innen-Internationale (CWI)

Ein Dringlichkeitsdekret und ein Mega-Reformgesetz, das so genannte „Omnibus-Gesetz”, enthalten Hunderte von explosiven Maßnahmen. Sie umfassen eine Welle von Privatisierungen, brutale Ausgabenkürzungen, eine massive Ausweitung der Befugnisse des Präsidenten und Angriffe auf das Protest- und Streikrecht. Von achtzehn Regierungsabteilungen wurden bereits neun geschlossen, darunter die für Bildung, Umwelt, Frauen und Geschlechterrechte zuständigen. Der argentinische Peso wurde um mehr als 50 Prozent abgewertet.  

Argentinien war ein Vorreiter in Sachen Frauen- und Geschlechterrechte in Lateinamerika, aber jetzt will Milei diese Reformen zurückdrehen und droht mit einem Referendum, um das Recht auf Abtreibung aufzuheben.

Argentinien befindet sich in einer verheerenden Wirtschaftskrise. Seit der Wahl von Milei hat sie sich noch verschlimmert. Die monatliche Inflation erreichte im Dezember 25 Prozent, verglichen mit zwölf Prozent im November. Die jährliche Inflation ist mit 211,4 Prozent die höchste seit drei Jahrzehnten. Über vierzig Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der offiziellen Armutsgrenze.  

Korrupter Peronismus

Milei kam im Gefolge einer verheerenden Wirtschaftskrise an die Macht, die das scheidende korrupte peronistische Regime nicht lösen konnte. Die Unterstützung für die Peronist*innen war eingebrochen, da Korruption und Angriffe auf die Lohnabhängigen ihre traditionelle Basis in der Arbeiter*innenklasse untergraben hatten. Die Wahl von Milei war ein Schrei der Verzweiflung der unterdrückten und geschundenen Mittelschicht. 

Doch die Kriegserklärung von Milei wird massive Klassenschlachten und Kämpfe auslösen. Nach nur 45 Tagen an der Macht war er mit einem massiven Generalstreik konfrontiert. Rund 200.000 bis 300.000 Menschen versammelten sich in Buenos Aires und bei anderen Protesten im ganzen Land. Die mächtigen, von den Peronist*innen kontrollierten Gewerkschaften sahen sich durch den Druck von der Basis gezwungen, zu Aktionen aufzurufen. Der starke staatliche Sektor, in dem sie eine mächtige Basis haben, ist einem massiven Angriff ausgesetzt. 

Ein Kampfplan ist erforderlich

Die entscheidende Frage ist: Was nun? Ein eintägiger Generalstreik zur Mobilisierung der Arbeiter*innen und der Massen war ein entscheidender Schritt nach vorn. Dies ist jedoch nicht genug, und ein landesweiter Kampfplan ist dringend erforderlich, um der Regierung Milei die Stirn zu bieten.  

Die Rechten bereiten sich auf einen erbitterten Kampf vor, obwohl sie keine Mehrheit im Kongress haben. Im Parlament  wurde den trotzkistischen Abgeordneten der FIT (Linke Front der Arbeiter*innen, ein Bündnis aus verschiedenen trotzkistischen Parteien) mit „Gefängnis oder einer Kugel” gedroht, was zeigt, was bevorsteht. Es ist dringend, die bürokratischen Führer*innen der Gewerkschaften herauszufordern und ein Kampfprogramm zu entwerfen. Die FIT muss eine Kampagne zur Einberufung eines nationalen Kongresses all jener initiieren, die bereit sind, gegen das reaktionäre Programm der Regierung zu kämpfen. Auf den 24-stündigen Generalstreik muss ein Aufruf zu weiteren Aktionen folgen, einschließlich eines 48-stündigen Generalstreiks zur Vorbereitung von Aktionen, um die Regierung herauszufordern und zu besiegen. 

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die FIT auch einen Kampf um die Unterstützung der einfachen peronistischen Basis-Arbeiter*innen einleitet, die zunehmend desillusioniert von den bürokratischen und korrupten peronistischen Führer*innen sind, einschließlich der von ihnen kontrollierten Gewerkschaften. 

Die Krise in Argentinien bereitet den Weg für eine soziale Explosion und einen Aufstand. Die FIT braucht ein Programm, um einen massenhafte Alternative zum Kapitalismus aufzubauen. Sie muss die Notwendigkeit einer Regierung der Arbeiter*innenklasse und der Armen verdeutlichen, die ein Programm zum Bruch mit dem Kapitalismus durchsetzen kann. Ein solches Programm müsste die Weigerung beinhalten, die massiven Schulden zu bezahlen, die die Wirtschaft lähmen, sowie die Verstaatlichung des Bankensektors und der Schlüsselsektoren der Wirtschaft unter demokratischer Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung, die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen und die Einführung eines sozialistischen Notstandsplans zum Wiederaufbau der niedergegangenen Wirtschaft. Die explosiven Ereignisse, die sich in Argentinien abzeichnen, werden entscheidende Auswirkungen auf die sich in ganz Lateinamerika entfaltenden Kämpfe haben. 

Nachtrag der Redaktion:

Der Generalstreik fand am 24. Januar statt, dieser Artikel wurde am 29. Januar auf Englisch veröffentlicht. Die Parlamentsdebatte über das Omnibusgesetz begann am 31. Januar begleitet von massiven Protesten linker Gruppen, die peronistischen Gewerkschaften nahmen nicht teil. Die Masse der Arbeiter*innen zeigte große Sympathie für die Proteste, beteiligte sich aber noch nicht. Die Polizei ging mit großer Brutalität gegen die Protestierenden vor. (Man hatte sogar ein besonders wirksames Pfefferspray angeschafft, bei dem eine Flasche so viel kostet wie die Mindestrente für zwei Monate.) Nachdem das Parlament Teilen des Gesetzespakets die Zustimmung verweigerte, beantragte die Regierung selbst am 7. Februar, das Paket wieder in die Ausschüsse zur Beratung zu überweisen.

Print Friendly, PDF & Email