Marxistische Analyse aus dem Jahr 1973
Einleitung: Fünfzig Jahre nach dem arabisch-israelischen Krieg, der vom 6. bis 25. Oktober 1973 stattfand – auch bekannt als Jom-Kippur-Krieg, da er mit einem Überraschungsangriff gegen Israel am jüdischen Feiertag begann – drucken wir einen Artikel nach, der erstmals im November 1973 veröffentlicht wurde. Er wurde von Peter Taaffe, ehemaliger Generalsekretär der Socialist Party, für ein internes Bulletin der Militant Tendency, der Vorgängerorganisation der Socialist Party in England und Wales, geschrieben und greift die Argumente verschiedener linker Gruppen zum Israel-Palästina-Konflikt auf.
Jom Kippur war ein wichtiger Moment im Hinblick auf die Weltperspektiven, da er ein Ölembargo gegen die Westmächte auslöste und die darauf folgende Rezession den langen Wirtschaftsboom nach dem Zweiten Weltkrieg beendete, eine unwiederholbare „goldene Ära“ des Kapitalismus.
In dem Konflikt von 1973 erlitt Israel die meisten Opfer seit dem Krieg, der die Staatsgründung 1948 begleitete. Dass der Angriff am 7. Oktober dieses Jahres die höchsten Verluste seit 1973 forderte, unterstreicht nur die Bedeutung der heutigen Ereignisse – und bestätigt mit dem Gemetzel in Gaza erneut, dass der Kapitalismus keinen Ausweg aus dem schrecklichen Kreislauf des endlosen Blutvergießens im Nahen Osten bieten kann.
Der Konflikt von 1973 fand natürlich in einer völlig anderen historischen Epoche statt als heute. Die Weltbeziehungen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg waren geprägt von dem grundlegenden Systemkonflikt zwischen den kapitalistischen Ländern des Westens unter der Vorherrschaft des US-Imperialismus und den nicht-kapitalistischen, stalinistischen Staaten des Ostens, dem Kalten Krieg. Dieses weltweite Gleichgewicht der Kräfte, das mit dem Zusammenbruch des Stalinismus in Russland und Osteuropa ab 1989 zu Ende ging, spiegelte sich auch im strategisch wichtigen ölreichen Nahen Osten wider.
Wie in dem Artikel dargelegt wird, erhielten sowohl Ägypten als auch Syrien, die führenden Akteure der arabischen Koalition von 1973, zu der auch „Expeditionskräfte“ aus Saudi-Arabien, Irak und Marokko gehörten, den Großteil ihrer Waffen und Wirtschaftshilfen von der russisch-stalinistischen Bürokratie. Ein kleines Kontingent von Kubanern kämpfte in Syrien, wo das in den 1960er Jahren an die Macht gekommene Regime weiter gegen den Kapitalismus und das Großgrundbesitzertum vorgegangen war, um seine Herrschaft gegen den Widerstand der alten Eliten und der ausländischen kapitalistischen Interessen zu festigen.
Aber der Stalinismus war, wie es in dem Artikel heißt, objektiv gesehen immer noch zusammen mit dem US-Imperialismus eine der „zwei mächtigsten konterrevolutionären Kräfte auf dem Globus“. Er intervenierte nicht, um die sozialen und wirtschaftlichen Interessen und nationalen Rechte der Arbeiter*innen und armen Massen zu fördern, sondern die Macht- und Prestigeüberlegungen der bürokratischen Herrscher*innen der deformierten oder degenerierten Arbeiter*innenstaaten. Damals wie heute ist die unabhängige Aktion der Arbeiter*innenklasse und der Armen – in der Region und international – der Schlüssel zur Lösung der Situation.
Der Artikel, der ursprünglich für den internen Umlauf bestimmt war, wurde stilistisch überarbeitet, so dass zum Beispiel die damals bekannten Persönlichkeiten der Zeit jetzt ausführlicher vorgestellt werden. Sadat, der zum ersten Mal im Text auftaucht, heißt jetzt „der ägyptische Präsident Anwar Sadat“, Hussein, „der jordanische König Hussein“, und so weiter. Der politische Inhalt und die Klarheit, mit der marxistische Ideen auf die komplexe und schwierige Frage des Nahen Ostens angewandt werden, bleiben unangetastet und sind ein Zeugnis unserer Tradition.
Die in dem Artikel behandelten Gruppen, auf die im Großen und Ganzen heute noch tätige Organisationen zurückgehen, sind folgende: die International Socialists wurden 1977 zur Socialist Workers Party (in Deutschland sehen sich Marx21, Sozialismus von Unten und Revolutionäre Linke in der selben Tradition, Anm. d. Übers.) und Workers’ Fight war die Vorläuferorganisation der Alliance for Workers Liberty. ■
Der Nahe Osten und die Linke (1973)
von Peter Taaffe
Wie 1967 hat der Krieg im Nahen Osten gezeigt, dass alle Sekten nicht in der Lage sind, eine feste Klassenposition einzunehmen. Ausnahmslos, einige offener als andere, haben sie sich auf die Seite der „Araber*innen gegen die Zionist*innen“ geschlagen. Diejenigen, die uns “Abstraktionen” vorwerfen, sündigen in diesem Punkt selbst am meisten.
Im Jahr 1967 wurde die pro-arabische nationalistische Position der International Socialists (IS) in dem unsterblichen Satz von Roger Protz, dem heutigen Herausgeber des Socialist Worker, folgend zusammengefasst: „Kratze an einem linken Juden und du wirst einen Zionisten darunter finden“.
Diesmal scheinen sie sich zunächst an unsere Position heranzutasten, indem sie den Aufbau eines „sozialistischen Nahen Ostens mit vollen Rechten für Minderheiten“ fordern. (Socialist Worker, 27. Oktober 1973) Ein Schritt nach vorn? Im Gegenteil, die „Argumente“ zur Unterstützung der arabischen nationalistischen Regime, die im gleichen Artikel enthalten sind, machen die schönen Worte für einen „sozialistischen Nahen Osten“ zunichte.
Sie lauten wie folgt: „Nur die Arbeiter*innenklasse kann auf Klassenbasis an die israelischen Arbeiter*innen appellieren und sie davon überzeugen, dass ein arabischer Sieg nicht bedeuten würde, dass sie ins Meer getrieben werden“. Die gleiche Position wie unsere, könnte man meinen. Aber gleich im nächsten Satz fügen sie hinzu: „Die sozialistische Revolution wird die arabischen und israelischen Regime stürzen, aber der rassistische Charakter Israels bedeutet, dass jedes (ihre Hervorhebung) israelische Regime sich der arabischen Revolution widersetzen wird… Deshalb unterstützen wir den nationalen Kampf der Araber*innen gegen den Zionismus trotz des reaktionären Charakters der arabischen Regime“.
Wenn man etwas aus dem Wirrwarr herauslesen kann, dann, dass die israelische Arbeiter*innenklasse niemals für eine Klassenposition gewonnen werden kann, solange Israel existiert, und daher müssen wir (die IS) die reaktionären arabischen Regime bei ihrem Versuch, Israel zu beseitigen, unterstützen. Aber selbst ein zehnjähriges Kind kann erkennen, dass die israelische Arbeiter*innenklasse umso mehr in die Arme ihrer eigenen Kapitalist*innenklasse getrieben wird, je größer die äußere Bedrohung für Israel ist. Gleichzeitig versäumt es die IS, wie alle Sekten, genau zu zeigen, warum und wie ein „Sieg“ der arabischen Regime die sozialistische Revolution im Nahen Osten voranbringen wird.
Kapitalistische Unfähigkeit
Die „reaktionären arabischen Regime“ sind seit 25 Jahren nicht in der Lage, das enteignete palästinensische Volk zu integrieren, weil sie sich in der Sackgasse der bürgerlichen und feudalen Herrschaft befinden. Gleichzeitig haben sie die Palästinenser*innen als Paria und Brennpunkt für die Unzufriedenheit ihrer eigenen Arbeiter*innenklasse und Bäuer*innenschaft gehalten. Das Versprechen einer „Endlösung“ des palästinensischen Problems und seit 1967 der Rückeroberung der besetzten Gebiete wurde als Sicherheitsventil für die wachsende Massenopposition gegen die sozialen Verhältnisse in allen arabischen Ländern benutzt.
Inwiefern wird ein teilweiser „Sieg“ des ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat, z.B. die Rückgabe eines Teils der „besetzten Gebiete“, wie sie jetzt wahrscheinlich ist, die sozialistische Revolution in Ägypten fördern? Im Gegenteil, Sadat, der sich seit seiner Machtübernahme 1970 einer wachsenden Opposition der studentischen Jugend und der Arbeiter*innenschaft gegenübersah – einige von ihnen als „fremde marxistische“ Elemente bezeichnend –, Im Gegenteil, Sadat, der sich seit seinem Machtantritt 1970 einer wachsenden Opposition der studentischen Jugend und der Arbeiterschaft gegenübersah, wäre bei einer Niederlage ohne Zweifel mit der Aussicht auf seinen Sturz und mit ihm möglicherweise des bürgerlichen Regimes in Ägypten konfrontiert gewesen. Genau aus diesem Grund setzt der amerikanische Imperialismus die israelischen Kapitalist*innen unter Druck, einige territoriale Zugeständnisse zu machen. Wenn diese Zugeständnisse gemacht werden, dann wird die Position von Sadat vorübergehend gestärkt, d.h. der bürgerliche Bonapartismus in Ägypten erhält eine neue Chance. Die soziale Revolution in Ägypten wird auf keinen Fall vorangetrieben.
Die Sekten scheitern auch gerade an ihrem eigenen Test der “Praktikabilität”. Können die reaktionären arabischen Regime den Staat Israel beseitigen? Israel ist ein Klientenstaat des US-Imperialismus. Dieser ist zwar in der Lage, das israelische Regime zu bestimmten Zugeständnissen in Bezug auf die besetzten Gebiete zu zwingen, wäre aber gleichzeitig nicht in der Lage, die vollständige Beseitigung des israelischen Staates zu akzeptieren. Im Falle einer solchen Bedrohung wäre er gezwungen, militärisch zu intervenieren. Erinnern wir uns daran, dass der amerikanische Imperialismus im September 1970, während des Bürger*innenkriegs in Jordanien, als der deformierte syrische Arbeiter*innenstaat den palästinensischen Guerillas zu Hilfe kam, die Entsendung von Truppen zur Unterstützung des jordanischen Königs Hussein vorbereitete. Wie viel mehr wäre er bereit, dies zu tun, um die Aufrechterhaltung Israels zu gewährleisten!
Die russisch-stalinistische Bürokratie ist auch nicht an der Zerstörung des Staates Israel interessiert. Im Gegenteil, der arabisch-israelische Konflikt dient dem Ziel, die Interessen der stalinistischen Bürokratie in dieser Region zu fördern. Aus diesem Grund liefern die stalinistische Bürokratie und der US-Imperialismus gerade so viele Waffen, dass eine Pattsituation garantiert ist. Ohne das Eingreifen der Arbeiter*innenklasse der Region, der Araber*innen und der Juden und Jüdinnen, wird der Konflikt weiter schwelen und immer wieder zu neuen blutigen Kriegen führen. Wie in Nordirland kann nur die Arbeiter*innenklasse eine wirkliche Einigung und einen dauerhaften Frieden in der Region erreichen.
Die permanente Revolution
Das Problem Israels ist mit dem Nordirlands vergleichbar. Wir haben gezeigt, dass die Methoden der provisorischen IRA zur Vereinigung Irlands weder wünschenswert sind – selbst wenn sie erfolgreich wären, würde die Vereinigung um den Preis eines Bürger*innenkriegs und einer enormen Verstärkung des Sektierertums erfolgen –, sondern, was noch wichtiger ist, dass sie auf einer bürgerlichen Grundlage nicht möglich ist. Die Theorie der permanenten Revolution, angewandt auf Irland, bedeutet, dass nur die Arbeiter*innenklasse die bürgerlich-demokratische Revolution – die Vereinigung – vollenden kann, indem sie in ganz Irland an die Macht kommt. Dies wiederum setzt die Herstellung der Klasseneinheit zwischen katholischen und protestantischen Arbeiter*innen voraus. Dies führt uns natürlich dazu, den Terror- und Guerillakampf in Nordirland abzulehnen, weil er den Tag der Einheit der Arbeiter*innen hinausschiebt.
In gleicher Weise kann im Nahen Osten nur die jüdische und arabische Arbeiter*innenklasse die bürgerlich-demokratische Revolution, die Einheit des Gebiets, die Landreform und die Vertreibung des Imperialismus einschließlich der zionistischen Kapitalist*innen und ihres Staates vollenden. Aber dies setzt wiederum die Aufhebung der „äußeren Bedrohung“ voraus, die die jüdischen Massen in die Arme ihrer eigenen Kapitalist*innen treibt.
Wir gehen von den Interessen der arbeitenden Massen in der Region und international aus. Wie bereits gesagt, würde der Sieg Israels der Revolution in keiner Weise helfen, ebenso wenig wie der Sieg des Sadat-Regimes bei der Rückeroberung eines Teils der besetzten Territorien. „Die Wahrheit ist konkret“, wiederholte Trotzki immer wieder. Wir haben die koloniale Revolution unterstützt, auch unter bürgerlicher Führung, weil der Sieg in einem Land die Bewegung im Rest der kolonialen Welt vorantreibt, den Imperialismus schwächt und gleichzeitig die Kämpfe der städtischen Arbeiter*innenklasse vorantreibt. Mit anderen Worten, es liegt im Interesse der kolonialen Massen und der Sache des Weltsozialismus, dass die koloniale Revolution unterstützt wird. Die Unterstützung der Ziele Sadats, wie sie von den Sekten vorgeschlagen wird, erfüllt dieses Kriterium nicht. Der internationale Konflikt dient den Interessen der stalinistischen Bürokratie auf der einen und des amerikanischen Imperialismus auf der anderen Seite, den beiden mächtigsten konterrevolutionären Kräften auf dem Globus. In der Region selbst ist er Wasser auf die Mühlen der israelischen und arabischen Machthaber*innen. Dieser Klassenansatz findet sich nirgendwo in den Materialien der Sekten.
Kein Klassenverständnis
In ihren quälenden Versuchen, ihre Unterstützung für die „arabischen reaktionären Regime“ zu rechtfertigen, kommen die IS zu einigen wirklich erstaunlichen Argumenten: „Die Grundstruktur der israelischen Gesellschaft basiert auf einem rassistischen Konzept, das Israel zu einem notwendigen Kanal des imperialistischen Einflusses gegen die arabischen Staaten macht“, schreiben sie. „Die Araber*innen haben das Recht, von den Russ*innen Hilfe zu erhalten, genauso wie die Vietnames*innen… Wie in Vietnam ist die entscheidende Frage nicht, ob dieser oder jener Imperialismus versucht, die eine oder die andere Seite zu benutzen. Das tun sie immer. Die Frage ist, ob die eine oder andere Seite eine Marionette des Imperialismus ist.“ (Ibid) Weil Israel also „rassistisch“ und ein „Klientelstaat“ ist und die arabischen Staaten nicht, muss letztere Seite unterstützt werden.
Zunächst einmal ist festzustellen, dass in solchen Begriffen nicht ein bisschen Klassenverständnis enthalten ist. Zu keinem Zeitpunkt geht es den IS um die Frage, was der sozialen Revolution dient. Zweitens: Aus Sicht der IS sind die arabischen Regime ebenso „Klienten“ des russischen „Imperialismus“ wie die Israelis des amerikanischen Imperialismus. Syrien und Ägypten erhalten den Großteil ihrer Waffen und Wirtschaftshilfe von der russischen Bürokratie. Das Ziel der russischen „Imperialisten“ und ihrer „Klienten“ ist es, die sozialistische Revolution in der Region zu verhindern und sollte daher logischerweise den Widerstand der IS hervorrufen. Gleichzeitig verfolgen die arabischen Regime fast ausnahmslos auch ihre eigenen Minderheiten und schränken bestimmte Positionen aufgrund der Religion usw. ein. Selbst in Syrien, einem deformierten Arbeiter*innenstaat, ist das Amt des Präsidenten nur Muslimen vorbehalten. Diese Argumente der IS sind eine Rationalisierung ihrer opportunistischen Anpassung an den arabischen Nationalismus. Das Gleiche gilt für die anderen Sekten.
Die IMG (International Marxist Group, die „offizielle Sektion“ der Vierten Internationale in Großbritannien) hat Sadat und dem syrischen Präsidenten Hafiz Assad ihren Segen gegeben: „Die offiziellen Kriegsziele Ägyptens und Syriens – Befreiung der besetzten Gebiete – sind völlig legitim“.
Dies ist eine absolut unglaubliche Aussage für eine so genannte „trotzkistische“ Strömung. Selbst wenn Marxist*innen eine koloniale Bourgeoisie gegen den Imperialismus unterstützt haben, haben sie sich zu keinem Zeitpunkt mit den „offiziellen“ Zielen der Großgrundbesitzer*innen und Kapitalist*innen identifiziert. Im Fall des Krieges zwischen den Kräften des chinesischen bürgerlichen Nationalisten Chiang Kai-Chek und Japan ab 1937 unterstützten Trotzkist*innen die ersteren kritisch, identifizierten sich aber in keiner Weise mit den „Kriegszielen“ von Chiangs Kuomintang-Regierung, sondern strebten stets danach, die unabhängige Klassenposition der Arbeiter*innenklasse zu entwickeln. Die „offiziellen Kriegsziele“ Ägyptens und Syriens bestanden im Gegensatz zu ihrer öffentlichen Haltung darin, auf zynische Weise nur einen Teil der „besetzten Gebiete“ zu erobern und dann die von der IMG so lautstark angeprangerte „Einmischung der Großmächte und eine Einigung“ zu erzwingen.
Revolutionärer Krieg
Die andere Forderung der IMG ist die nach „Bewaffnung und Ausbildung der arabischen Massen“. Dies ist natürlich eine Anleihe an das Material, das wir 1967 veröffentlicht haben, insbesondere als wir die Bewaffnung von 300.000 Arbeiter*innen und Bäuer*innen in Syrien der Angst der ägyptischen und anderer arabischer Staaten vor solchen Maßnahmen gegenüberstellten.
Aber der Dreh- und Angelpunkt der gesamten IMG-Position war ihre Forderung nach einem „revolutionären Krieg“, und zwar einem „lang anhaltenden Krieg“. Wenn wir diesen Argumenten entgegentreten wollen, müssen wir uns über diesen Punkt im Klaren sein. Erstens haben wir 1967 im Sechs-Tage-Krieg gegen die Regime des ägyptischen Präsidenten Gamal Nasser, des jordanischen Präsidenten Hussein und anderer Staaten als Propagandamittel darauf hingewiesen, dass sie nicht in der Lage sind, einen revolutionären Krieg zu führen. Während des jüngsten Krieges haben wir dasselbe gesagt, aber wir haben präzisiert, was wir als Vorbedingung für einen revolutionären Krieg verstanden haben. In Ägypten die Bewaffnung der Arbeiter*innen, die Enteignung der Großgrundbesitzer*innen und Kapitalist*innen wie in Syrien, aber mit Arbeiter*innen- und Bauernräten, Demokratisierung der Armee, Abschaffung der Offizierskaste, usw. Aber ein solches Regime in Ägypten, mit der Arbeiter*innenklasse im Sattel, hätte eine so attraktive Macht für die israelischen Arbeiter*innen, dass es keine Notwendigkeit für einen „langwierigen“ Krieg geben würde. Es würde zur Spaltung der israelischen Gesellschaft entlang der Klassenlinien führen.
Die IMG meint dies nicht, wenn sie zu einem „revolutionären Krieg“ aufruft. Vielmehr schwebt ihnen ein Guerillakampf à la Vietnam vor, an dem die gesamte arabische Welt gegen Israel beteiligt ist. Daher auch die Verwendung von „langwierig“ bei der Forderung nach einem „revolutionären Krieg“.
Die IMG ignoriert auch die gesamte Erfahrung der trotzkistischen Bewegung, wenn sie einen „langwierigen revolutionären Krieg“ fordert, unabhängig von Zeit und Ort. Es ist eine Sache, während eines Krieges, wie dem letzten, zu solchen Maßnahmen aufzurufen; es ist eine ganz andere Sache, wenn wir für den „revolutionären Krieg“ im Allgemeinen eintreten. Im russisch-finnischen Krieg oder in Polen 1939 rief Trotzki die Partisan*innen der Vierten Internationale dazu auf, die Rote Armee mit ihren eigenen Mitteln und mit ihrem eigenen Programm zu unterstützen – bei der Enteignung der Großgrundbesitzer*innen und Kapitalist*innen zu helfen, aber gleichzeitig Sowjets zu fordern und unter den russischen Truppen eine revolutionäre Arbeit zum Sturz der Stalin-Clique zu leisten.
Obwohl Trotzki bereit war, die Ausweitung der Revolution in Finnland und Polen kritisch zu unterstützen, auch wenn dies hauptsächlich mit bürokratisch-militärischen Mitteln geschah, lehnte er gleichzeitig die Idee ab, die Revolution durch einen „revolutionären Krieg“ als allgemeines Ziel zu verbreiten. Nur unter außergewöhnlichen Umständen könnte dieser eingesetzt werden, hauptsächlich um eine heranreifende Revolution zu unterstützen, wie 1920 in Polen, oder um eine Niederlage der Arbeiter*innenklasse zu verhindern, die eine Katastrophe für das Weltproletariat wäre, wie 1933 in Deutschland.
Die Befürwortung des „revolutionären Krieges“ als universelles Allheilmittel im Nahen Osten ist kein Trotzkismus, sondern eine Variante des Maoismus. Und genau im maoistischen Sinne befürwortet die IMG einen „revolutionären Krieg“, d.h. einen Guerillakampf, der sich allmählich auf die Städte konzentriert.
Apologeten des arabischen Nationalismus
Aber es sind die winzigen Sekten wie Workers‘ Fight und die Chartisten, die eindeutig alle logischen, aber falschen Schlussfolgerungen ziehen, die in den Positionen der IMG und der International Socialists enthalten sind. Letztere deuten nur an, was im Material von Workers’ Fight und der Chartisten offen dargelegt wird. Eine offene, unverschämte, schändlich unkritische Unterstützung wird durch Workers’ Fight dem arabischen Nationalismus gegeben. In einem Artikel mit der Überschrift „Warum Israel besiegt werden muss“ schreiben sie: „Eine entscheidende und vernichtende Niederlage für Israel ist eine noch bessere Nachricht für revolutionäre Arbeiter*innen und Feinde des Imperialismus auf der ganzen Welt.“ Dann fügt sie mit unbewusstem Humor hinzu: „Dennoch hat die Arbeiter*innenklasse der Welt, einschließlich der israelischen Arbeiter*innenklasse, auch wenn sie es noch nicht weiß (unsere Betonung), ein Interesse an der Niederlage Israels.“ (Workers Fight, Nr. 34 vom 20. Oktober 1973).
Ihr Lösungsvorschlag enthält kein Atom des Sozialismus, „einen säkularen demokratischen Staat, in dem die Palästinenser*innen uneingeschränktes Recht auf Rückkehr in ihr Heimatland haben, mit Entschädigung und völliger Gleichberechtigung mit den palästinensischen Jüd*innen“. Das ist kein bisschen anders als die Position der Fatah-Bewegung von Jassar Arafat. Es wird nicht einmal versucht, Lippenbekenntnisse zum Sozialismus als Lösung abzugeben. Noch schlimmer ist die Betonung der „palästinensischen Jüd*innen“ im obigen Zitat, was eindeutig die Aussicht auf Ausweisung „westlicher“ und anderer orientalischer Jüd*innen impliziert oder zumindest offen lässt. Es ist tatsächlich ein Glück, dass Workers Fight nie einen Einfluss auf die breite Arbeiter*innenbewegung haben wird, abgesehen von den wenigen Exzentriker*innen, die es an der Peripherie der Arbeiter*innenklasse gibt.
Die Argumente der Chartisten sind für uns von größerer Bedeutung, wenn auch nicht nur, weil sie innerhalb der Young Socialists in der Labour Party ein Ärgernis sind. Wir sehen die absurde Lage, in der es möglich ist, zu landen, wenn eine Tendenz nicht von einer festen Klassenposition ausgeht.
Weil für sie Linke gleich Unterstützung für die Araber*innen und Rechte Unterstützung für die Israelis sind, schreiben sie unglaublichen anti-marxistischen Unsinn wie den folgenden in der November-Ausgabe ihrer Zeitschrift.
Harold Wilson, der Vorsitzende der Labour Party, „hat die Tory-Regierung wegen ihrer Rolle angegriffen, Israel keine Waffen für den Einsatz gegen die arabischen Staaten zu liefern. Damit hat er sogar eine Position rechts von den Tories eingenommen“ (ihre Betonung). Als ginge es nicht darum, dass die Position des Tory-Premiers Ted Heath von den materiellen Interessen des britischen Imperialismus im Nahen Osten bestimmt wird und die von Wilson von der Sympathie, die seiner Ansicht nach in der Arbeiter*innenbewegung für Israel vorhanden ist. Doch allein die Tatsache, dass die Chartisten suggerieren können, die Tories hätten eine „linke“ Haltung eingenommen, ist ein Hinweis darauf, wie sie dem feindseligen Klassendruck erliegen würden, wenn sie sich jemals zu einer wesentlichen Kraft entwickeln würden.
Ebenso ungeheuerlich ist ihre Abschreibung der israelischen Arbeiter*innenklasse, des mächtigsten Proletariats zusammen mit den Ägypter*innen in der Region: „Der israelischen Arbeiter*innenklasse mangelt es so an Bewusstsein und Unabhängigkeit, dass es sie gewissermaßen kaum noch gibt.“ Diese „kaum existierende“ Arbeiter*innenklasse hat sich im letzten Jahr einer Streikwelle angeschlossen, die die israelische Premierministerin Golda Meir zwang, davon zu sprechen, dass die „Gefahr“ (d.h. für die Kapitalist*innen) „an der inneren Front“ viel „gefährlicher als die Bedrohung an der äußeren Front“ sei.
Die Chartisten koppeln dies mit einer lautstarken Entschuldigung für den arabischen Nationalismus: „Natürlich hat niemand von den vielen Gruppierungen und Tendenzen, die den arabischen Kampf heute führen, die Absicht, die Jüd*innen ins Meer zu treiben!“ Nur Unwissende oder diejenigen, die sich bewusst in das Bild der arabischen Reaktionäre kleiden wollen, könnten solche Aussagen drucken.
Während des Krieges selbst erwähnte der libysche Führer Oberst Gaddafi in einem Interview in der Times ausdrücklich, dass die europäischen und anderen „westlichen Juden und Jüdinnen“ nach der Niederlage Israels aus dem Gebiet vertrieben würden. Davon abgesehen sind es nur kleinbürgerliche Idealist*innen, die die Äußerungen der arabischen Bourgeoisie, die Juden und Jüdinnen würden „nicht ins Meer getrieben“ werden, für bare Münze halten. Wie oft haben die Zionist*innen vor 1948 den Palästinens*innen genau „versichert“, dass sie nicht vertrieben würden, Juden und Jüdinnen und Araber*innen in Israel zusammenleben könnten usw. Diskriminierung, Verfolgung und Vertreibung von Minderheiten sind auf bürgerlicher Basis absolut unvermeidlich. Das wäre das Schicksal der jüdischen Bevölkerung, wenn Israel im unwahrscheinlichen Fall auf kapitalistischer Basis eliminiert würde. Es ist das Bewusstsein dieser Tatsache, das dem Kampf des israelischen Volkes seinen fanatischen Charakter verleiht.
Eine sozialistische Föderation
Aus dieser kurzen Zusammenfassung der Position der Sekten zum Nahen Osten geht klar hervor, dass wir die einzige Tendenz sind, die weder vor dem arabischen Nationalismus noch vor dem Zionismus kapituliert hat. Unsere Position, deren wichtigste Kampfparole die Forderung nach einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens ist, bringt die wirklichen Bedürfnisse der Massen in der Region zum Ausdruck. In Israel würden wir ein Programm und eine Perspektive befürworten, die sich auf die Ablehnung der imperialistischen Politik des Zionismus stützt, die den zionistischen Staat als eine blutige Falle für die Völker der Region bezeichnet. Gleichzeitig stellen wir einen separaten jüdischen Staat und einen separaten palästinensischen Staat in Aussicht, wenn die Völker dies auf der Grundlage einer sozialistischen Föderation wünschen. Nur eine sozialistische Föderation könnte die Möglichkeit bieten, sowohl die sozialen Probleme als auch die nationalen Rechte aller Minderheiten sowohl innerhalb Israels als auch in der gesamten arabischen Welt zu lösen.
In Ägypten würden die Kräfte des Marxismus ein Programm zur Enteignung der Grundbesitzer*innen und Kapitalist*innen und zur Errichtung eines demokratischen Arbeiter*innenstaates vorantreiben. Wir würden uns auf das wichtige ägyptische Proletariat stützen. Während die Marxist*innen in Syrien die Planwirtschaft gegen den Imperialismus verteidigten, wenn nötig mit Waffen in der Hand, forderten sie gleichzeitig Sowjets, die Wahl aller Funktionär*innen usw.
Die Sekten, die sich opportunistisch dem beugen, was sie für eine populäre Position unter den Araber*innen in Großbritannien halten – in Swansea hat uns die IS vorgeworfen, „die Araber*innen zu verscheuchen“ – werden nichts von Dauer erreichen. Wir andererseits können beginnen – und haben damit begonnen –, die besten Elemente sowohl aus der jüdischen als auch aus der arabischen Jugend anzulocken. Gespräche mit einigen dieser Genoss*innen haben gezeigt, dass unsere Position bei der linksorientierten Jugend sowohl in Israel als auch in den arabischen Ländern ein positives Echo finden würde. Wir müssen versuchen, die materiellen Mittel zu finden, um diese Kräfte mit unserem Programm und unserer Perspektive zu erreichen.