Für ein sozialistisches Europa statt Illusionen in EU und Marktwirtschaft
Die Europawahlen finden vor dem Hintergrund von Kriegen, Klimawandel und ökonomischer Krise statt. Für die Arbeiter*innenklasse bedeutet das: Existenzängste, schlechte Arbeitsbedingungen und Armut. Die Europäische Union ist dabei, als Zusammenschluss kapitalistischer Staaten, eine Kraft die gegen deren Interessen agiert. Sie ist neoliberal, militaristisch und undemokratisch. Mit dem BSW steht erstmals die Abspaltung um Sahra Wagenknecht zur Wahl. Gerade in Bezug auf die EU scheint Wagenknecht oft deutlichere Worte zu finden als Politiker*innen der Linken. Doch ist das BSW bei der Europawahl eine Alternative zur Linkspartei?
Von Sascha Staničić, Sol-Bundesleitung
Die Kritik des BSW an der Europäischen Union ist nur vordergründig radikaler als die der Linkspartei. Der Unterschied ist vor allem, dass es in der Linken sehr unterschiedliche Positionen zur EU gibt. Diese führen seit Jahren dazu, dass im Europawahlprogramm Formelkompromisse gefunden werden, mit denen sowohl diejenigen leben können sollen, die die EU als Friedens- und Demokratie-Projekt betrachten als auch diejenigen, die diesem Club kapitalistischer Staaten nichts Fortschrittliches abgewinnen können. Während Die Linke daher vor allem die Frage unbeantwortet lässt, ob ihre vielen guten Forderungen im Rahmen dieser EU umgesetzt werden können oder einen Bruch mit ihr und eine europäische Einigung auf anderer – sozialistischer – Grundlage zur Voraussetzung haben und die Formel einer „demokratischeren, sozialeren Europäischen Union“ verwendet, setzt das BSW auf eine Dezentralisierung der EU unter dem Motto „Unabhängiges Europa souveräner Demokratien“.
Umverteilung oder Mittelstand stärken?
Während Die Linke ihren Fokus eindeutig auf eine Umverteilung von oben nach unten legt und zumindest hinsichtlich der Immobilien- und Energiewirtschaft die Notwendigkeit öffentlichen Eigentums thematisiert, steht beim BSW die Förderung und der Schutz kleiner und mittelständischer Unternehmen im Mittelpunkt. Die Linke benennt zumindest die Klassenfrage und spricht sich in allgemeiner Form für Sozialismus aus, während diese Worte im Europawahlprogramm des BSW gar nicht vorkommen.
Letztlich vertreten beide Programme einen illusorischen Ansatz: das BSW vertritt die Illusion durch wirtschaftlichen Protektionismus und ein schärferes Kartellrecht einen entmonopolisierten Kapitalismus zu schaffen, der sozial gerecht, ökologisch nachhaltig und friedlich sein kann und Die Linke scheint davon auszugehen, dass man dem kapitalistischen Tiger die Klauen und Zähne einen nach dem anderen ziehen kann, ohne die Macht- und Eigentumsverhältnisse grundlegend zu ändern. Die Linke benennt aber zumindest im Programm, dass Selbstaktivität der Menschen in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen nötig sind, wovon beim BSW kaum etwas zu lesen ist.
Krieg und Frieden
In der Frage von Krieg und Frieden scheinen die Unterschiede zwischen der Linken und dem BSW – zumindest auf dem Papier – nicht besonders groß zu sein. Das kann verwundern, geben doch viele BSW-Unterstützer*innen als Grund für ihren Austritt aus der Linkspartei deren Aufgabe friedenspolitischer Prinzipien an. Hier ist das Problem, dass das, was im Wahlprogramm der Linken steht nicht unbedingt mit dem übereinstimmt, was führende Vertreter*innen der Partei öffentlich äußern, insbesondere wenn es um Waffenlieferungen an die Ukraine geht. Es ist gut, dass sich das Europawahlprogramm für ein gesetzliches Verbot von Rüstungsexporten ausspricht, wie viel das wert ist, ist allerdings angesichts der Befürwortung von bzw. Ambivalenz gegenüber Waffenexporten an die Selenskyj-Regierung bei vielen Linke-Vertreter*innen zu hinterfragen. In dieser Frage ist das BSW, zumindest bisher, eindeutig.
Flucht und Asyl
Während Die Linke das Recht auf Asyl „ohne Einschränkungen“ verteidigt, will das BSW dieses Recht noch weiter schleifen, als dies in der Bundesrepublik ohnehin schon geschehen ist. Asylverfahren sollen an den EU-Außengrenzen oder in Drittstaaten stattfinden und der Anspruch auf Sozialleistungen für Menschen ohne Schutzstatus wegfallen. Damit steht das BSW in dieser Frage rechts von der Ampelregierung und gibt dem Druck der AfD nach. Das ist, wie auch ihre wirtschaftspolitischen Positionen, Ausdruck einer grundlegend national ausgerichteten Politik. Während Die Linke zumindest den Anspruch hat, in der Tradition des Internationalismus der Arbeiter*innenbewegung zu stehen, ist beim BSW davon nichts mehr zu erkennen.
Was tun?
Wer durch seine Stimme die Interessen von Lohnabhängigen, Antikapitalismus und Unterstützung von Frieden und Menschenrechten zum Ausdruck bringen möchte, sollte Die Linke wählen – trotz aller Fehler und Begrenztheiten ihres Programms. Wir verstehen, dass viele Menschen aus Frust mit der realen Politik der Linkspartei und aus Protest gegen die etablierten Parteien das Bündnis Sahra Wagenknecht wählen werden. Wir sind aber auch davon überzeugt, dass das BSW weder die nötigen inhaltlichen Antworten liefert, noch die notwendige Betonung auf gewerkschaftliche Gegenwehr und den Aufbau von sozialen Bewegungen legt. Dies ist aber dringend nötig. Deshalb ist unsere Aufforderung: Linke wählen und selbst aktiv werden im Kampf gegen Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse und für eine sozialistische Veränderung – am besten in und mit der Sol in den Gewerkschaften, der Partei Die Linke und sozialen Bewegungen: für den Aufbau einer revolutionär-marxistischen Kraft und ebenso einer sozialistischen Arbeiter*innenpartei, in der all diejenigen zusammen kommen können, die die Interessen der Lohnabhängigen konsequent verteidigen wollen und die für Millionen von Arbeiter*innen und Jugendlichen, die zur Zeit keine politische Alternative sehen, ein Angebot sein könnte.