Der Kampf gegen Verdrängung hunderter Mieter*innen im Herzen der Stadt
So hat sich Alexandra von Stosch, Co-Geschäftsführerin der Entwicklungsgesellschaft Quartier am Hafenplatz – vor Ort auch als “die Gräfin” bekannt – die Bauausschusssitzung im Kreuzberger Rathaus wohl nicht vorgestellt.
von Tim Brandes, Aktivist der Mieter*innenvernetzung Hafenplatz
Anstatt die Politik mit geschönten Zahlen von dem angeblich sozialen Charakter des Projektes täuschen zu können, wurde sie von rund 25 Nachbar:innen der Mieter*innenvernetzung Hafenplatz mit der harten Wahrheit konfrontiert: Am Hafenplatz sollen 719 günstige Wohn- und Gewerbeeinheiten für ein abgehobenes Luxusneubauprojekt abgerissen werden. Dass dadurch mehr günstiger Wohnraum entsteht, ist eine glatte Lüge. Zwar würde es letztlich mehr Sozialwohnungen geben, aber auch nur weil der Rest inzwischen aus der Mietpreisbindung gefallen ist. Die Existenz hunderter weiterer Wohnungen mit Kaltmieten zwischen vier und acht Euro pro m2 wird unterschlagen. Abgesehen davon, dass selbst künftige Sozialwohnungen deutlich teurer sein würden und ein Großteil der jetzigen Mieter:innen keinen Anspruch auf solche hätten. Es braucht fußläufig von Potsdamer Platz keine neue “Passage”, sondern günstigen Wohnraum für Mieter:innen und die vor Ort untergebrachten Geflüchteten, deren Zukunft vollkommen ungewiss ist.
Für die Miethaie am Hafenplatz zählen nicht Menschen, sondern ausschließlich Profite. So wird am Hafenplatz schon seit Jahren systematisch verdrängt: Baulicher Verfall; das Ignorieren kaputter Aufzüge (und das in einem elfstöckigen Gebäude!) und sonstiger Mängel; exorbitante Nebenkostenerhöhung, illegale Mieterhöhung; und gar Versuche, Mieter*innen herauszukaufen. Inzwischen hangeln sich die meisten von uns in ständiger Angst von einem befristeten Vertrag zum nächsten und das teilweise schon seit zehn Jahren.
Doch unser Widerstand beweist: wer kämpft, kann gewinnen. Mehr als ein Jahr lang haben wir uns gegen wahnwitzige Nebenkostenabrechnungen gewehrt. Gemeinsam mit der BMG haben wir einen qualifizierten Widerspruch eingelegt, der jedoch auf taube Ohren stieß. Doch nun gab es zumindest kleine Etappensiege: Es gibt die Zusage, pauschal 30% der Nebenkosten 2021 und 2022 an alle Mieter:innen zurückzuzahlen. Außerdem sollen die befristeten Verträge bis 31.12.25 verlängert und endlich alle Mängel behoben werden. Auf die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen warten wir bisher jedoch teils vergeblich. Auch, ob wir letztlich die Verdrängung insgesamt aufhalten können, bleibt ungewiss. Wir fordern ein alternatives Gutachten mit Blick auf Möglichkeiten, das Haus noch zumindest mittelfristig bewohnbar zu halten. Insbesondere weisen wir zurück, dass das eine rein wirtschaftliche Frage ist. Der Staat hat die Aufgabe, günstigen Wohnraum zu erhalten. Wenn tatsächlich abgerissen werden muss, braucht es einen Sozialplan, der garantiert, dass alle Mieter*innen Wohnungen zu mindestens gleichen Bedingungen bzgl. Wohnfläche und Miete bekommen.
Nicht der Profit von Miethaien sollte im Mittelpunkt stehen, sondern der Erhalt günstigen Wohnraums und die Interessen der Mieter*innen. Letztlich ist dafür die Enteignung von Immobilienkonzernen und bezahlbarer, kommunaler Wohnungsbau nötig. Wohnraum im öffentlichen Eigentum, demokratisch kontrolliert von Mieter:innen, könnte nicht nur am Hafenplatz Schluss machen mit Spekulation, Verdrängung und Abzocke. Was sinnvoll und nötig ist, könnte dann demokratisch entschieden werden. Mieten könnten reguliert werden, um die tatsächlichen Kosten widerzuspiegeln. Gebaut werden sollte nach dem Bedarf von Mensch und Umwelt und nicht für den Profit einiger weniger. Wenn endlich der massive Reichtum “an der Spitze” dieser Gesellschaft radikal besteuert würde, wäre das auch finanzierbar. Das wäre eine wirkliche Alternative zu schlechten Deals mit Investoren, die die Stadt mit Bürokomplexen und Luxusbauten verschandeln (und ein paar überteuerte Sozialwohnungen schaffen).
Wir Mieter:innen am Hafenplatz haben dem den Kampf angesagt. Wir freuen uns über Unterstützung!
Dieser Artikel erschien zuerst im “Mieterecho”, der Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft.