Bolivien: Gescheiterter Putschversuch

Luis Arce, Präsident Boliviens ((c) Asamblea Legislativa Plurinacional, https://flickr.com/photos/194792615@N03/51837691645)

Notwendigkeit einer sozialistischen Regierung der Arbeiter*innen und Unterdrückten

Bolivien wurde durch einen Putschversuch am Mittwoch, dem 26. Juni, erneut in eine politische Krise gestürzt. Die mächtigen revolutionären Traditionen des Landes widerspiegelnd, rief der wichtigste Gewerkschaftsverband COB schnell einen unbefristeten Generalstreik aus. Der Putschversuch schien nach nur drei Stunden zu scheitern, als Arbeiter*innen und andere Bevölkerungsschichten aus Protest auf die Straße gingen. Die turbulente Geschichte Boliviens spiegelt sich in 190 Militärputschen oder revolutionären Aufständen seit der Unabhängigkeit im Jahr 1825 wider.

Von Tony Saunois, Generalsekretär des CWI

Welche Kräfte tatsächlich beteiligt waren, ist jedoch noch unklar. Die Regierung von Präsident Luis Arce von der MAS-Partei (Movimiento al Socialismo, deutsch: Bewegung zum Sozialismus) ist weiter nach rechts gerückt, seit sie die vorherige MAS-Regierung unter Evo Morales ablöste, nachdem diese 2019 durch einen von den USA unterstützten Putsch gestürzt worden war. Morales floh aus dem Land, statt einen Massenkampf gegen das weiße, rassistische und elitäre Regime, das ihn stürzte, anzuführen. Luis Arce, ein in Oxford ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler, kehrte erst 2020 ins Land zurück.

Er übernahm das Amt des Präsidenten am 8. November 2020, nachdem er wiederum das von der Rechten unterstützte Regime, das Morales gestürzt hatte, besiegt hatte. Nun sind Morales und Arce in einen Machtkampf verwickelt, da beide die Absicht erklärt haben, 2025 als MAS-Kandidaten für die Präsidentschaft zu kandidieren.

Seit dem Scheitern des Putsches Ende Juni wurden 17 Putschist*innen verhaftet, darunter der Anführer, Armeegeneral Juan Jose Zuniga, und Konteradmiral Juan Arnez Salvador, Chef der Marine in einem Land, das seit dem verlorenen Krieg mit Chile seit 140 Jahren keinen Zugang zum Meer hat. Die Streitkräfte versuchten, den Regierungspalast, den Palacio Quemado, zu erobern.

Zuniga scheint einen Tag zuvor von der Regierung entlassen worden zu sein, was er Berichten zufolge als loyaler “Soldat des Vaterlandes” bereitwillig akzeptierte. Anhänger*innen von Morales und der rechten Opposition haben seitdem behauptet, der Putsch sei mit Unterstützung von Arce ein “autogolpe” – Selbstputsch – gewesen, um sein Regime an der Macht zu festigen. In der Vergangenheit wären derartige Behauptungen abwegig gewesen, aber in der gegenwärtigen Ära der Instabilität und Polarisierung kann eine solche Behauptung nicht einfach abgetan werden.

Obwohl die Regierung Arce weiter nach rechts gerückt ist und Kämpfe von Arbeiter*innen und anderen provoziert hat, hat sie Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse durchgeführt während die Wirtschaft in eine Krise geraten ist, die zum Teil durch einen massiven Rückgang der Gasproduktion und der Exporte ausgelöst wurde, während sie gleichzeitig mit den Interessen des westlichen Imperialismus kollidiert ist, indem sie die Beziehungen zu China verstärkt hat.

Neue Entdeckungen haben Bolivien an die Spitze der Länder mit Lithiumvorkommen gebracht, die für die Herstellung von Batterien für Elektroautos entscheidend sind. Im Juni vereinbarte das Land mit dem staatlichen russischen Atomkonzern Rosaton und dem chinesischen Unternehmen Citic Guoan ein Abkommen über den Abbau von 45.000 Tonnen Lithium. Zwischen Januar und November 2022 förderte Bolivien nur 635,5 Tonnen. Citi Guoan erwägt, Lithiumbatterien und Elektrofahrzeuge in Bolivien zu produzieren, was erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung einiger Industriezweige im Land hätte. Eine Entwicklung, die auch die Spannungen mit den westlichen imperialistischen Mächten verschärfen würde.

Die Mobilisierungen gegen den Putsch haben gezeigt, dass die Arbeiter*innenklasse und die Masse der indigenen Bevölkerung, die in Bolivien die Mehrheit bilden, trotz des Rechtsrucks der Regierung Arce nicht bereit sind, eine Rückkehr zu den Repressionen und Diskriminierungen zu akzeptieren, die in Bolivien vor der Machtübernahme durch Morales weit verbreitet waren. Das Gleiche gilt derzeit für die meisten Länder Lateinamerikas. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht zu Repressionen und einem eventuellen Rückgriff auf militärische oder bonapartistische Regime kommen wird, wenn die Arbeiter*innenklasse und die Massen die Interessen und die Herrschaft der Kapitalist*innenklasse bedrohen. Der Putschversuch in Bolivien verdeutlicht, dass ein Kampf für den Bruch mit dem Kapitalismus und die Errichtung einer Regierung der Arbeiter*innenklasse und der Unterdrückten nach wie vor von entscheidender Notwendigkeit ist.

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