„Soziales und Miete: Menschen vor Profite!“

Hunderte demonstrieren in Neukölln gegen drastische Kürzungen im Sozialsektor

Am Mittwoch, den 5. Juli versammelten sich trotz kurzfristiger Organisation hunderte Menschen vor dem Rathaus Neukölln, um gegen die geplanten Kürzungen im Neuköllner Haushalt im Bereich Soziales und Bildung zu demonstrieren. Auch Mitglieder der Sol waren vor Ort.

von Catharina Schumann und Tom Hoffmann, Berlin

Ende Juni beschloss das Bezirksamt Neukölln „Eckwerte“ für den Haushaltsplan und verkündete, dass nach Zuweisung des Senats für die Jahre 2024/25 pro Jahr 22,8 Millionen Euro fehlen würden. Dies würde laut dem Bezirksamt unter anderem den Entfall von Wachschutz und Tagesreinigung an Schulen, den Stopp der Finanzierung von Jugendreisen für stark benachteiligte Kinder und die Schließung mehrerer Jugendeinrichtungen bedeuten. Für zahlreiche Kinder und Jugendliche sind diese Einrichtungen ein zentraler Anlaufpunkt, der einzige Ort an dem sie ihren prekären Verhältnissen zumindest für eine Zeitentkommen können und Unterstützung erfahren. Außerdem würden die Kürzungen bedeuten, dass freie Stellen im Bezirksamt temporär nicht nachbesetzt werden, dass aufsuchende Suchthilfe wegfällt und Obdachlosenhilfe reduziert werden muss. Die geplanten Kürzungen sind ein klarer Angriff auf die Ärmstenunserer Gesellschaft und auf die gesamte Arbeiter*innenklasse, welche wir nicht kampflos hinnehmen dürfen!

Während das Bezirksamt unter SPD-Bürgermeister Hikel diese Horrorliste für Neukölln bereitwillig aufstellte und damit die Kürzungen akzeptierte, ergriff der Neuköllner Bezirksverband der LINKEN völlig zurecht die Initiative, am 5. Juli vor dem Rathaus dagegen zu protestieren und den Kampf aufzunehmen. Neben Vertreter*innen der LINKEN aus Bund, Land und Bezirk äußertenunter anderem Gruppen von Sozialarbeiter*innen, Migrant*inneninitiativen sowie Armutsbetroffenen bei der Demonstration ihre tiefe Bestürzung und Wut über die Pläne.

Über 14 Millionen Menschen leben laut Paritätischem Wohlfahrtsverband deutschlandweit in Armut. Offiziell ist jede*r Fünfte von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht (wobei die Schwelle für Alleinlebende beispielsweise schon bei 15.000 Euro Nettojahreseinkommen liegt). Im Bezirk Neukölln liegt der Anteil von armenMenschen noch höher als im Bundesdurchschnitt. Gerade diese Menschen sind besonders angewiesen auf Unterstützung von Außen, die bereits jetzt aufgrund von Unterfinanzierung und Unterbesetzung kaumdie schlimmsten Auswirkungen der Armut mildern kann.

Einige Redner*innen setzten die Kürzungsdrohungen in einen Zusammenhang mit dem am selben Tag veröffentlichten Bundeshaushalt, der ebenfalls Einsparungen bei zum Beispiel Bildung und Gesundheit vorsieht. Allen war klar, dass es in Deutschland zwar eine kleine superreiche Minderheit gibt, deren Reichtum aber nicht angetastet werden soll und es nur deshalb zu den Kürzungen kommt.Hunderte Milliarden fließenzudem in die Aufrüstung, Unternehmen machen Rekordgewinne in Krisenzeiten, doch die vergleichsweise lächerlichen Summen von beispielsweise 22,8 Millionen Euro, die nun in Neukölln eingespart werden sollen, stehen nicht zur Verfügung?

Auch in anderen Berliner Bezirken könnte es bald zu ähnlichen Szenarien kommen. Der Schöneberger Bezirksbürgermeister sprach von 250 Millionen Euro, die insgesamt fehlten. Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) stellte nach dem großen Unmut nun 100 Millionen Euro pro Jahr mehr für alle Bezirke in Aussicht. Doch damit bliebe weiter eine Lücke von 150 Millionen Euro – und das nur um den Status Quo aufrechtzuerhalten. Dabei bräuchte es eigentlich deutlich mehr Investitionen in Land und Bezirken, um Armut zu bekämpfen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und mehr Personal in Verwaltung, an Schulen usw. einzustellen.

Leider müssen wir in naher Zukunft mit weiteren derartigen Maßnahmen rechnen, da die Wirtschaft weltweit, aber auch in Deutschland auf eine faktische Rezession zusteuert. Das kapitalistische System produziert auf dem Rücken der Arbeiter*innen immer weiter Krisen. Die Kosten und Folgen sollen dann auch noch als Erstes von den Ärmsten getragen werden. Dagegen braucht es Widerstand und Selbstorganisation – in Neukölln und allen anderen Bezirken. Wir müssen Reichtum umverteilen, aber auch das System überwinden, was immer wieder soziale Ungleichheit produziert. Die Sol sagt deshalb: Nein zu den Kürzungen und Nein zum kapitalistischen System! Mit dieser Haltung stießen wir auf der Kundgebung auf reges Interesse. Sol-Mitglieder werden sich auch an den nächsten Protestaktionen beteiligen.

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