Wahlen in Baden-Württemberg: Eine Bilanz

Ursel Beck (Mitte)

Wahlniederlage für Die Linke macht radikalen Kurswechsel notwendig

Am 9.6. gab es in Baden Württemberg, gleichzeitig mit der Europawahl, Wahlen für die Gemeinderäte, Kreistage und Regionalparlamente. An den Wahlergebnissen zeigt sich, dass die Erosion der Bindung zu den traditionellen Parteien weitergeht. Sie bekommen nicht nur Konkurrenz von der AfD. Noch nie gab es bei Kommunalwahlen in Baden Württemberg so viele Kleinstparteien, Initiativen bzw. Wahllisten. Viel davon sind mit ein bis zwei Mandaten in den Gemeinderat gekommen. In Freiburg und Pforzheim sind je 17 Wahllisten künftig im Gemeinderat vertreten, in Heidelberg und Stuttgart sind es 14. Am stärksten gewonnen aus diesem Spektrum hat Volt. Die Folge davon ist, dass das Kartell der traditionellen Parteien nicht mehr reibungslos funktioniert und die Verhältnisse in den Parlamenten unberechenbarer geworden sind. Ministerpräsident Kretschmann (Grüne), Innenminister Strobl (CDU) und der Städtetag sehen die Regierbarkeit der Städte und die parlamentarische Demokratie bedroht und haben angekündigt, das Kommunalwahlrecht zu ändern. Die Botschaft ist klar: wenn ihr uns nicht wählt, dann schränken wir Euch die Chance ein andere zu wählen. Was als Stärkung der parlamentarischen Demokratie verkauft wird, ist Demokratieabbau und wird am Ende nur dazu führen, dass der Unmut über die etablierten Parteien weiter zunimmt und die gestiegene Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen wieder zurückgeht.

AfD-Schock

In Baden Württemberg ist die AfD bei der Europawahl mit 14,7 Prozent der Stimmen genauso wie in allen anderen westlichen Bundesländern zweitstärkste Partei geworden. Von den 7,8 Millionen Wahlberechtigten hat sie 757.992 Stimmen bekommen. Misst man ihr Ergebnis an den Wahlberechtigten sind es jedoch weniger als zehn Prozent. Die Nichtwähler*innen sind mit 33,6 Prozent mit Abstand die stärkste „Partei“. Sie haben sich eben auch nicht für die AfD entschieden. Bei den Kommunalwahlen ist die AfD mangels Strukturen und Kandidat*innen in den meisten Kleinstädten und Gemeinden auf dem Land nicht angetreten. Mit ihren begrenzten Kandidaturen konnten sie jedoch ihre Stimmen von 81.127 Stimmen auf 175.966 mehr als verdoppeln und bekam landesweit 4,2 Prozent. Besorgniserregend ist jedoch, dass die AfD in der Industriestadt Pforzheim mit 21,4 Prozent und auch in zwei Mannheimer Wahlkreisen stärkste Partei wurde. Mannheim und Pforzheim zeichnen sich dadurch aus, dass die Arbeitslosigkeit hier doppelt so hoch ist wie im landesweiten Durchschnitt. Und die Wahlbeteiligung war hier nochmal viel niedriger als im Durchschnitt. In Pforzheim lag sie nur bei 46 Prozent und in Mannheim bei 51,5 Prozent. In Stuttgart erhielt die AfD 8,3 Prozent der Stimmen und legte damit um 2,2 Prozent zu.

Kompliziertes Verfahren bei der Kommunalwahl

Zwar war die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen um 2,3 Prozent höher als vor fünf Jahren und lag bei 60,9%. Sie lag aber um 6 Prozent unter der Wahlbeteiligung der am gleichen Tag stattfindenden Europa- und auch weit unter der Beteiligung bei der eigentlich unbedeutenderen Regionalwahl. Die Zahl der ungültigen Stimmen war mit über drei Prozent bei der Kommunalwahl doppelt so hoch wie bei der Europawahl und mehr als viermal so hoch wie bei der Regionalwahl. Die Erklärung dafür dürfte das komplizierte Wahlverfahren bei der Kommunalwahl sein. Zwar bekommen die Wähler vor der Wahl alle Wahllisten mit allen Kandidat:innen zugeschickt. Aber der dicke Block der Wahllisten und die Möglichkeit bis zu drei Stimmen für einen Kandidat*in anzuhäufen und Kandidat:innen aus verschiedenen Listen Stimmen zu geben und dabei die maximale Stimmenzahl einzuhalten ist für Wähler*innen, die Sprachprobleme haben und/oder den Umgang mit Formularen nicht gewohnt sind, abschreckend. Bei Fehlern ist der gesamte Stimmzettel ungültig.

Wahlniederlage für Die Linke

Die Linke Baden Württemberg hat bei den Europawahlen in Baden-Württemberg genauso wie bundesweit ein desaströses Ergebnis eingefahren. Sie verlor 53.000 Stimmen und sackte auf 1,9 Prozent ab, während das Bündnis Sahra Wagenknecht 4,5 Prozent gewann. Einen Lichtblick gab es allerdings in Freiburg. Hier erhielt Die Linke 6,2 Prozent und verlor nur 0.4 Prozent. Eine Genossin aus Freiburg erklärte das beim Landesparteitag damit, dass die Partei in Freiburg im Wahlkampf konsequent als Antikriegspartei aufgetreten sei und sich auch öffentlichkeitswirksam eindeutig gegen den Krieg in Gaza positionierte. Bei den Kommunalwahlen kam Die Linke mit einem blauen Auge davon. Anders als bei den Kommunalwahlen in Thüringen, hat das Bündnis Sarah Wagenknecht in Baden Württemberg nirgends kandidiert. In den Städten waren die Verluste für Die Linke zwischen 0,7 Prozent Heidelberg) und 1,91 Prozent (Tübingen). In Städten, in denen Die Linke alleine angetreten ist hat sie 3,2 Prozent (Ulm) bis 5,1 Prozent (Heidelberg) bekommen. In Städten in denen sie gemeinsame linke Listen mit anderen linken Kräften bildete, erzielte sie 7,7 Prozent (Freiburg) bis 9,3 Prozent (Tübingen). Freiburg war die einzige Großstadt in der die Bündnisliste „Linke Liste“ bei den Kommunalwahlen an absoluten Stimmen (+ 69.232) und Prozenten (+ 0,8 Prozentpunkte) zugelegt hat. In Stuttgart trat die Die Linke wieder alleine bei Wahlen an und hat 4,5 Prozent (-0,8) erreicht. Seit 16 Jahren bildet sie mit „Stuttgart ökologisch sozial“ (SÖS) nach jeder Gemeinderatswahl eine Fraktionsgemeinschaft. SÖS erhielt bei der Wahl am 9.6.2024 4,1 Prozent und verlor 0,3 Prozentpunkte gegenüber der letzten Wahl. Diese Fraktionsgemeinschaft hat also 8,6 Prozent der Stimmen und fünf von insgesamt 60 Sitzen im Gemeinderat. Wäre das Bündnis Sahra Wagenknecht bei den Kommunalwahlen angetreten, hätte Die Linke auch bei den Kommunalwahlen noch höhere Verluste eingefahren.

Wahlergebnis in Bad Cannstatt

In Bad Cannstatt sind Sol-Mitglieder führend im Ortsverband aktiv. Hier hat Die Linke bei den Europawahlen mit 4,56 Prozent ein Ergebnis weit über dem stadtweiten Durchschnitt von 3,59 Prozent und das das beste Ergebnis aller Außenbezirke erreicht. Die Verluste für Die Linke gegenüber der letzten Europawahl waren hier mit 1,64 Prozentpunkten jedoch auch höher als stadtweit (1,51 Prozentpunkte). Das BSW schnitt in Bad Cannstatt mit 4,82 Prozent besser ab als stadtweit (4,12 Prozent). Bei der Kommunalwahl hat Die Linke in Bad Cannstatt mit 5,4 Prozent ebenfalls das beste Ergebnis eines Außenbezirks aber auch hier haben wir absolut 17.825 Stimmen bzw. 1,2 Prozentpunkte Stimmen mehr als stadtweit verloren. Allgemein kann man sagen, dass wir bei der letzten Kommunalwahl in Bad Cannstatt überdurchschnittlich gewonnen und wir 2024 mehr als stadtweit an das BSW verloren haben. Das zeigt, dass auch in einem von überdurchschnittlich vielen Migrant:innen bewohnten und ärmerem Stadtgebiet Wagenknechts Kombination von sozialen Verbesserungen und Hetze gegen Geflüchtete gezogen hat. Bei Gesprächen mussten wir öfters feststellen, dass selbst Menschen mit Migrationshintergrund der Meinung waren, dass Deutschland nicht mehr Geflüchtete aufnehmen dürfe und schneller abschieben müsse. Irrtümlicherweise glauben sie, das würde sie schützen. Manche haben sich offen und ungefragt sogar als AfD-Wähler geoutet. Die Erfahrung im Wahlkampf war auch, dass Wähler*innen die Kriegsfrage wichtig war. Wenn wir auf die Frage, ob wir für Waffenlieferungen an die Ukraine sind, „nein“ gesagt haben, wurden wir oft ungläubig angeschaut. Das ist die Folge davon, dass weder die Parteiführung noch die Bundestagsgruppe den Parteitagsbeschluss gegen Waffenlieferungen offensiv nach außen vertritt und stattdessen prominente Linken-Politiker wie Gregor Gysi oder die Spitzenkandidatin der Linken bei der Europawahl, Carola Rackete sich mehr oder weniger deutlich Waffenlieferungen aussprechen. In Gesprächen konnten wir gut erklären, dass wir gegen Waffenlieferungen sind, weil das diesen Krieg eskaliert und wir in diesem Krieg keine Seite unterstützen können und dass es eben ein Krieg zwischen Russland und der NATO um die Ukraine ist und es den Herrschenden in Deutschland und der NATO um eigene Profit- und Machtinteressen geht. Ob zumindest einige davon überzeugt wurden ihr Kreuz weiter bei der Linken statt beim BSW zu machen, bleibt offen. In der Frage des Gaza-Krieges war und ist Die Linke ein Totalausfall, während das BSW den Krieg Israels im Gaza-Streifen eindeutig kritisierte und der Ampel-Regierung zu recht „Beihilfe zu Kriegsverbrechen“ vorgeworfen hat. Auch wenn es eher selten Gesprächsthema im Wahlkampf war, war der Gaza-Krieg für viele Migrant*innen sicher ein Grund beim BSW und nicht bei der Partei Die Linke ihr Kreuz bei der Europawahl zu machen. Auch in anderen Fragen bleibt den Wähler*innen schleierhaft, was Die Linke will. Weil die Wahlbeteiligung zwischen Europawahl und Kommunalwahl so unterschiedlich hoch war, ist es schwierig einzuschätzen, was die Wähler*innen, die bei der Europawahl BSW gewählt, bei der Kommunalwahl gewählt haben. Die noch höheren Zuwächse der AfD in unserem Ortsverbandsgebiet bei der Kommunalwahl könnten aber ein Hinweis darauf sein, dass zumindest ein Teil davon AfD gewählt hat.

Ein Hinweis darauf, dass wir als Ortsverband von einer Schicht positiv wahrgenommen werden, ist eine Spende auf das Konto des Kreisverband Die Linke von einer uns unbekannten Person mit dem Vermerk: „Spende zur Verwendung im Ortsverband Bad Cannstatt“. Unser bestes Wahlergebnis in einem Wahllokal mit 10,6% lag wieder im Hallschlag, einem von Gentrifizierung betroffenen Viertel in dem wir seit Jahren mit der Mieterinitiative und der Linken aktiv sind und auch Hausbesuche hier konzentriert haben. Auch in Wahllokalen außerhalb unseres Ortsverbandsgebiets zeigte sich, dass die Mietenarbeit offensichtlich Einfluss auf die Wahlergebnisse hatte. Auch bei Hausbesuchen dort haben Linke-Mitglieder diese Erfahrung gemacht. In den Bezirken Mühlhausen und Münster die zu unserem Ortsverband gehören und kleinere Nachbarbezirke sind, hat die AfD allerdings weiter zugelegt und mit 17,7 Prozent und 16,4 Prozent die stadtweit höchsten Ergebnisse. Sowohl in Bad Cannstatt als auch in Mühlhausen und Münster lag die Wahlbeteiligung mit 48,7 Prozent bis 50,4 Prozent jedoch weit unter der stadtweiten Wahlbeteiligung von 57,7 Prozent. Und der Unterschied zur Wahlbeteiligung an der Europawahl war hier nochmal höher, was ein Hinweis darauf ist, dass in ärmeren Stadtteilen die Kompliziertheit der Kommunalwahl Wähler besonders abschreckt. Ich habe auf Platz acht auf der Liste von Die Linke kandidiert und 14.330 Stimmen bekommen. Das ist in der Rangfolge der Stimmen Platz 11 von 60 Plätzen. Gegenüber der Wahl vor fünf Jahren hat sich mein Ergebnis aber fast halbiert. 2019 erhielt ich 27.442 Stimmen. Der Hauptgrund dafür ist sicher, dass wir keinen Personenwahlkampf in den sozialen Medien geführt haben. In den letzten fünf Jahren ist es immer schwieriger geworden, Mietenkämpfe, Veranstaltungen und Aktionen von der Linken in der Lokalpresse zu platzieren, weil die Zeitungen die Zahl der Lokalredakteure drastisch reduziert haben, die Lokalzeitungen immer dünner und die Stadtteilbeilagen völlig eingestellt wurden. Dadurch wurden Kämpfe, die mit meiner Person verbunden sind über den Kreis der unmittelbaren Mitkämpfer*innen im direkten Umfeld von Die Linke, Mieterinis, bei Stuttgart 21 und in gewerkschaftlichen Zusammenhängen nicht mehr bekannt und sind bei vielen, die mich 2019 gewählt haben, in Vergessenheit geraten.

Landesparteitag Die Linke Baden Württemberg

Zwei Wochen nach der Wahl fand am 22. Juni der Landesparteitag von Die Linke statt. Weil es aufgrund der EM unmöglich war in der Zeit bezahlbare Hotels zu bekommen, gab es diesmal nur einen eintägigen Parteitag, d.h. die Zeit für dringend notwendige Diskussionen über den Zustand der Partei und ihre Rettung nach den schlechten Wahlergebnissen gab es nicht. Die meiste Zeit wurde dafür verbraucht Delegierte für den Bundesparteitag zu wählen. Niemand konnte leugnen, dass vor allem das Wahlergebnis für die Europawahl eine heftige Niederlage für die Partei ist. Wenn es darum ging die Ursachen dafür zu analysieren und die Konsequenzen daraus zu ziehen, gab es viele verschiedene Meinungen. So wurde argumentiert Die Linke bräuchte keine Grundsatzdebatte, man müsse einfach so weiter machen und das nur besser. Andere sahen das Problem nur darin, dass die Partei ihre Positionen schlecht kommuniziert und lauter und offensiver ihre Antikriegsposition hätte vertreten müssen. Dass die Antikriegsposition der Partei aber torpediert wird durch Aussagen für Waffenlieferungen von prominenten Linken wie Gregor Gysi und anderen, wurde nur von mir und einer anderen Delegierten angesprochen. Sehr großen Applaus gab es zu meiner Forderung, dass Die Linke endlich mal sagt, dass die israelische Regierung im Gazastreifen Völkermord begehe, dass Waffenlieferungen aus Deutschland Beihilfe zu diesem Völkermord sind und wir einen Stopp von Waffenlieferungen nicht nur an die Ukraine sondern auch an Israel fordern müssen. Nicht wenige in der Linken meinen man müsse einfach mehr auf die Menschen zugehen, mehr Haustürgespräche führen in Wohnvierteln in denen die Menschen große Sorgen hätten und mehr Sozialsprechstunden im Rahmen des Projekts „Die Linke hilft“ anbieten. Dass das nichts nützt, wenn Die Linke nicht die großen politischen Fragen, die im Raum stehen mit einem klaren Klassenstandpunkt und einem sozialistischen Programm beantwortet, hat ja gerade der Wahlkampf gezeigt, in dem das große Engagement vieler neu eingetretener Mitglieder eben nicht ausreichte bessere Wahlergebnisse zu erzielen. Es gab auch Stimmen, die davon sprachen, dass Wagenknecht und der zerstörerische Streit, den sie in die Partei getragen habe, schuld sei an den Wahlergebnissen. Die Antwort auf die Frage, warum dann ausgerechnet das BSW bei der Europawahl aus dem Stand 6,2 Prozent der Stimmen, darunter 380.000 von früheren Linke-Wähler*innen bekommen hat, blieben diese Genoss*innen schuldig. Dass die Regierungsbeteiligung auf Länderebene und die Unterstützung der Ampel-Regierung über Bundesratsentscheidungen durch die Länder in denen Die Linke mitregiert, die Glaubwürdigkeit der Linken untergräbt, wurde nur von mir und einem anderen AKL-Genoss*innen angesprochen. Die Landessprecherin der Linken, Sahra Mirow, verwies auf einige durchaus beachtliche Wahlerfolge bei der Kommunalwahlen in kleineren Städten und betonte, dass Die Linke mit Forderungen wie der Wiedereinführung der Vermögenssteuer das richtige Programm hätte. Sie warb bei den Delegierten dafür mit dem beim Landesparteitag 2023 beschlossenen Volksantrag auf die Straße und zu den Haustüren zu gehen. Sie erklärte, dass Die Linke die schwarz-grüne Landesregierung dadurch stellen werde. Wie das geschehen soll, obwohl Die Linke noch nicht mal im Landtag vertreten ist, blieb offen. Zweifellos ist die Wohnungskrise eine der wichtigsten Themen für die Arbeiter*innenklasse. Die Linke muss dabei aber vor allem eine Rolle dabei spielen Mieter:innen zu organisieren, Mieterinitiativen zu unterstützen und kollektive Gegenwehr bis hin zu Zahlungsverweigerungen wie sie derzeit bei VONOVIA-Mieterinitativen gegen Nachzahlungen aus Nebenkostenabrechnungen stattfinden, unterstützen. Ein positives Beispiel welche Rolle Die Linke in der Mietenfrage spielen kann ist Stuttgart. Mitglieder von Die Linke sind führend in Mieterinitativen aktiv sind. Der Kreisverband von Die Linke und auch Die Linke Fraktionsgemeinschaft unterstützt die Kampagne gegen die geplante Mieterhöhung bei der städtischen Wohnungsgesellschaft SWSG. Immer wieder wurde beim Parteitag von meist jungen Delegierten der sozialistische Anspruch der Partei betont. Das darf aber nicht nur bei Parteitagen abstrakt daher gesagt werden. Um beim Thema Wohnungsnot zu bleiben muss Die Linke erklären, dass das kapitalistische Profitsystem und die Immobilienspekulation Ursache sind für die Wohnungskrise. Mit dem Volksantrag besteht die Gefahr, dass Illusionen geschürt werden, dass auf parlamentarischer Ebene im Rahmen des Kapitalismus das Wohnungsproblem gelöst wird. Der Volksantrag fordert ein Landesgesetz zur Senkung der Mieten, Erhöhung der Zahl der Sozialwohnungen, Bekämpfung von Wohnungslosigkeit, Vorgaben gegen Leerstand und Wohnungsneubau durch landeseigene Wohnungsgesellschaften. Obwohl die Forderung nach Enteignung der Wohnungskonzerne bei der Volksabstimmung in Berlin eine Mehrheit erhielt, heißt des in dem Begleitflyer zum Volksantrag: „Es ist an der Zeit, die Macht der Konzerne einzudämmen“, statt sie zu enteignen.

Beim Parteitag wurde immer wieder betont, dass vor allem die jungen Mitglieder sehr engagierten Wahlkampf geführt haben. Es gab auch Neueintritte. In Stuttgart z.B. seit November bis zur Wahl 65. Im Newsletter des Landesverbands von Die Linke Baden Württemberg wird berichtet, dass in den vier Wochen nach der Europa- und Kommunalwahl 200 neue Mitglieder in Die Linke eingetreten sind. Das macht es umso dringender notwendig, dass die Gesamtpartei eine klare politische Orientierung hat. Es wurde auch berichtet, dass viele Menschen gar nicht mehr wissen, wofür Die Linke steht. Und das hat sich auch im Wahlkampf bemerkbar gemacht, an Infoständen und bei Haustürgesprächen. Wenn die Partei DIÉ LINKE keine Lösungen und keine Kampfstrategie anbietet für den alltäglichen kapitalistischen Wahnsinn mit dem die Arbeiter*innenklasse konfrontiert ist und keine Führung hat, die diese propagiert, dann wird Die Linke bei Wahlen abgestraft und werden auf Dauer die Mitgliedszahlen sinken. Auf der Ebene der Orts- und Kreisverbände kann man nicht mit noch so viel Engagement und Kampagnen den Glaubwürdigkeitsverlust ausgleichen, den der Parteivorstand, die Bundestagsgruppe und die mitregierenden Landesverbände in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen verursachen.

Initiativantrag der Strömung „Antikapitalistische Linke“

Sol-Mitglieder hatten innerhalb der Strömung „Antikapitalistische Linke“ (AKL) vorgeschlagen einen Initiativantrag mit sechs Punkten für einen radikalen Kurswechsel zu einer klassenkämpferischen und offensiv sozialistischen Partei beim Landesparteitag einzubringen. Mit einigen Änderungen wurde dieser Antrag eingebracht. Bei vielen Delegierten hatten wir damit offene Türe eingerannt. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir mehr als dreißig Unterschriften aus mehr als fünf Kreisverbänden zusammen und die formalen Bedingungen für die Einbringung erfüllt. Gleichzeitig gab es einen Sturm der Entrüstung gegen den Antrag von einigen Parteifunktionär*innen. Angeblich erfülle der Antrag nicht die Bedingungen eines Initiativantrags, man könne den Landesverbänden nicht vorschreiben ob sie sich an Landesregierungen beteiligen, Facharbeiter*innenlohn für Hauptamtliche und Abgeordnete gehe gar nicht, wenn man Israel wegen des Kriegs in Gaza kritisiere, müsse man auch die Hamas kritisieren…..Wir wurden aufgefordert den Antrag zurückzuziehen. Das haben wir abgelehnt. Daraufhin wurde ein Geschäftsordnungsantrag gestellt in dem die Nichtbefasssung des Antrags beantragt wurde. Er wurde damit begründet, dass keine Zeit sei für die Diskussion, und es sei kein Initiativantrag. Wir hatten eine begrenzte Debatte vorgeschlagen und außerdem bei einer Abstimmung eine getrennte Abstimmung jedes einzelnen Punktes. Nach der inhaltlichen Einbringungsrede wurde der Antrag auf Nichtbefassung beim Landesparteitag und Diskussion im Landesausschuss mit großer Mehrheit gegen etwas mehr als dreißig Stimmen und einigen Enthaltungen angenommen. Die AKL Baden Württemberg hält aber eine gründliche Diskussion über den Zustand der Partei und was sich ändern muss vor dem Bundesparteitag in der gesamten Partei für dringend geboten. Wir wollen, dass der Antrag im nächsten Landesinfo veröffentlicht wird und dass nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen in Baden Württemberg Regionalversammlungen stattfinden mit einer ausführlichen Diskussionen über die Perspektiven und den notwendigen Schritten um Die Linke als kämpferische und sozialistische Kraft aufzubauen.