Zehntausende demonstrieren in Essen gegen AfD Parteitag

Block der Sol und von Jugend für Sozialismus auf dem Protest gegen die AfD in Essen

Sozialistisches Programm nötig, um AfD und Co. zu stoppen!

In Essen haben am Samstag mehr als 50.000 Menschen gegen den AfD-Parteitag demonstriert. Laut den Demo-Anmelder*innen war es die größte Demo der Geschichte Essens. Die hohe Teilnehmer*innenzahl drückt die Sorge vieler vor weiteren Wahlsiegen der AfD aus. Sie zeigt aber auch das mögliche Potenzial im Kampf gegen die AfD. Doch ohne ein Programm, das die gesellschaftlichen Ursachen für den Aufstieg der AfD aufgreift, werden breite Mobilisierungen alleine, wie in Essen, die AfD nicht aufhalten.

von Frank Redelberger, Lemgo und Caspar Loettgers, Berlin

Schon in den frühen Morgenstunden zogen über 7000 Demonstrant*innen zur Grugahalle, um den Zugang zum Parteitag zu blockieren. Um den reibungslosen Ablauf des Parteitags zu sichern, hatte die Polizei Essen-Rüttenscheid im Vorfeld großflächig abgesperrt und in eine Festung verwandelt. Mehrere Räumpanzer, Wasserwerfer und tausende Polizist*innen in Kampfmontur sicherten den Parteitag der AfD ab. Als die ersten Delegierten auf die Blockaden trafen, prügelte die Polizei ihnen den Weg frei. Andere gelangten über Polizeieskorten zum Parteitag oder schlichen sich über Umwege zum Veranstaltungsort.

Gegen zehn Uhr begann dann die Großdemonstration vom Hauptbahnhof in Richtung Grugalhalle. An der Demonstration beteiligten sich neben zahlreichen linken Gruppen, Gewerkschaften, antirassistischen Initiativen und migrantischen Verbänden auch bürgerliche Parteien wie die Grünen und die SPD. Die Sol mobilisierte bundesweit Mitglieder zu den Protesten und hat auf der Demonstration gemeinsam mit Jugend für Sozialismus und weiteren einen kämpferischen und lauten Block gebildet, der die soziale Frage in den Mittelpunkt gestellt und sozialistische Antworten darauf gegeben hat.

Alle zusammen gegen die AfD?

Unter den Teilnehmer*innen waren auffallend viele Gewerkschaftsmitglieder, was sehr gut ist. Denn gerade die Gewerkschaften könnten eine wichtig Rolle spielen, um die rechten Populist*innen zurückdrängen. Dafür müssten die Gewerkschaftsführungen jedoch eine glaubhafte Alternative zur AfD und der arbeiter*innenfeindlichen Politik der restlichen Parteien aufzeigen.

Unter sich selbst als Arbeiter*innen bezeichnenden Menschen wählten bei den letzten EU-Wahlen dreißig Prozent die AfD. Eine Studie der Bertelsmannstiftung Anfang April zeigte, dass vor allem Menschen in der Arbeiter*innenklasse immer weniger Vertrauen in die etablierten Parteien haben1. Das ist kaum verwunderlich, schließlich bedeutete die Politik dieser Parteien in den letzten Jahrzehnten keinerlei Verbesserungen für die breite Bevölkerung. Statt soziale Verbesserungen, wurden soziale Standards gesenkt, Hartz IV eingeführt und fleißig gekürzt. Dieser Frust, kombiniert mit den enttäuschenden Erfahrungen mit der Partei Die Linke, die in den Bundesländern, in denen sie mitregiert(e), keine fundamentale andere Politik umsetzt(e), hat den Weg für die AfD geebnet.

In den Reden am Ende der Kundgebung waren die sozialen Probleme und deren Ursache allerdings kaum Thema. Die CDU wurde indirekt kritisiert, dass mehr Abschiebungen und Sozialkürzungen das Problem verschärfen würden. Ohne zu erwähnen, dass die jetzige Regierung schon Kürzungen umsetzt, die Asylbedingungen verschärft und mehr Abschiebungen durchsetzen will. Auch der Chef des Essener Unternehmens Evonik war Teil des Bühnenprogramms. Christian Kullmann2 machte zuletzt Schlagzeilen, als er ankündigte, zweitausend Stellen in Deutschland abzubauen. Die Frage drängt sich auf, wie mit solchen Persönlichkeiten frustrierten Wähler*innen glaubhaft eine soziale Alternative aufgezeigt werden kann.

Die AfD, die sich als Alternative zum Establishment präsentiert, kann von dieser Situation profitieren. Gleichzeitig ist sie Gift für die Arbeiter*innenbewegung. Mit ihrer Hetze gegen Migrant*innen, queere Menschen und alle anderen, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen, spaltet sie die Arbeiter*innenklasse und schafft Sündenböcke für gesellschaftliche Probleme. Dadurch lenkt sie von den wahren Verursachern ab, den bürgerlichen Politiker*innen und den Konzernen und Banken, die auf unsere Kosten riesige Gewinne einfahren. Die Gewerkschaften mit ihren Millionen von Mitgliedern, können mit gemeinsamen Kämpfen von Arbeiter*innen mit und ohne Migrationshintergrund, die wahren Spaltungslinien in unserer Gesellschaft aufzeigen, nämlich zwischen den wenigen Reichen und der breiten Mehrheit. In den letzten Tarifrunden im öffentlichen Dienst, bei der Post und der Bahn, haben sicherlich tausende Beschäftigte genau diese Erfahrung gemacht. Doch der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben diesen Kampf nicht politisiert. Sobald es zu der Frage kam, wie die Interessen der Arbeiter*innen in den Parlamenten vertreten werden könnten, wiederholten die Gewerkschaftsführer*innen das Mantra, alles nur nicht die AfD. Doch Beschäftigte sind nicht blöd. Viele wissen, was die Politik der etablierten pro-kapitalistischen Parteien in den letzten Jahrzehnten bedeutet hat.

Wir haben daher auf der Demonstration dafür argumentiert, dass es einen gemeinsamen Kampf gegen die AfD von Arbeiter*innen und Jugendlichen braucht und dieser verbunden werden muss mit dem Kampf für soziale Verbesserungen und gegen die Banken und Konzerne. Die Gewerkschaften müssten die Debatte in ihren Strukturen und in den Betrieben führen und erklären, dass die AfD keine Alternative für arbeitende Menschen ist. Gleichzeitig muss es eine Debatte darüber geben, wie eine politische Vertretung der Arbeiter*innenklasse erreicht werden kann. Keine der großen Parteien vertritt ernsthaft die Interessen der Millionen von Beschäftigten in diesem Land. Die Linke, die zeitweise große Hoffnungen weckte, ist auf wenige Prozente zusammengeschrumpft. Es braucht daher auch eine Diskussion über den Aufbau einer wirklichen Arbeiter*innenpartei.

Sollte dieser Kampf nicht ernsthaft angegangen werden, besteht die Gefahr, dass die rassistischen Ideen der AfD weiter in die Bevölkerung einsickern und sich festigen.

AfD übt sich in Einigkeit

In der Grugahalle selber übte sich die AfD in Geschlossenheit. Kritische und kontroverse Anträge wurden zurückgezogen oder verschoben. Auch der erwartete Angriff auf Tino Chrupalla, von jenen Teilen der AfD, die sich ein seriöses Auftreten wünschen, blieb aus. Stattdessen wurde er zusammen mit Alice Weidel im Amt als Parteivorsitzende bestätigt. Ihre Unterstützung in der Partei ist seit der letzten Wahl der Vorsitzenden stark gestiegen. Bei Chrupalla von 53 auf 82%, bei Weidel von 67 auf 80% der Stimmen des Parteitages, auch weil es keine Gegenkandidat*innen gab. Offensichtlich wollte die AfD Spitze mögliche Diskussionen nicht vor den wichtigen Wahlen in Ostdeutschland und einer möglichen vorgezogenen Bundestagswahl austragen, aus Angst, es könnte Auswirkungen auf die Wahlergebnisse haben.

Gaza ansprechen, verboten?!

Auf der Demo wurde von den Anmelder*innen versucht, das Thema Krieg in Gaza zu zensieren. Wir stellen uns gegen solche Zensurversuche. Die Pro-Palästina-Bewegung wird von der Polizei und dem Staat mit Repressionen überzogen. Eine antirassistische Demo sollte sich hier solidarisch zeigen und darf das Thema nicht ignorieren oder gar zensieren.

Sozialistische Kraft aufbauen

Um die AfD wirkungsvoll zu bekämpfen, müssen die Ursachen ihres Aufstiegs bekämpft werden, die in der kapitalistischen Gesellschaft und den Folgen kapitalistischer Krisen liegen. Deshalb bauen wir eine sozialistische Kraft auf, die den Kampf gegen Rassismus und Rechtspopulismus mit dem Kampf für eine sozialistische Veränderung der Welt verbindet. Wenn Du das auch so siehst, zögere nicht und setze Dich mit uns in Verbindung: info@solidaritaet.info.

  1. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-04/gesellschaftliche-mitte-vertrauen-ampel-union-bertelsmann ↩︎
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Kullmann ↩︎